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Kreis Lippe

100 Jahre Wesertal

Interview mit Prof. Dr. Andreas Beaugrand

Prof Dr Andreas Beaugrand
Prof Dr Andreas Beaugrand
Rückblick auf 

100 Jahre Wesertal - © Lippe
Rückblick auf 100 Jahre Wesertal (© Lippe)

Kreis Lippe. Das Elektrizitätswerk Wesertal wurde am 27. Juni vor 100 Jahren in Hameln gegründet. Über die Bedeutung dieses Unternehmens, dessen Geschäfte inzwischen von E.on Westfalen Weser weitergeführt werden, sprach die LZ mit dem Bielefelder Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Andreas Beaugrand. Dieser hatte 1992 seine Dissertation über die Geschichte des Versorgungsunternehmens geschrieben.

Lippe hatte im 19. Jahrhundert die Industrielle Revolution komplett verschlafen. Bei der Einführung der Elektrizität war man schneller. Wie erklären Sie sich das?

Dr. Andreas Beaugrand: Die Politik der "Fürstlich Lippischen Regierung zu Detmold" war lange Zeit traditionalistisch starr und reagierte in keiner Weise auf die Konsequenzen der beginnenden Industrialisierung in England und auf dem Kontinent; nicht nur die heimarbeitenden Spinner und Weber waren nicht mehr konkurrenzfähig.

Die daraus resultierende "Garnnahrungskrise" führte zu einer sozialen und wirtschaftlichen Krise in Lippe und zum bekannten Problem der Wanderarbeit, das erst im frühen 20. Jahrhundert  ansatzweise gelöst wurde: durch die innovative Politik des Lippischen Landespräsidenten Heinrich Drake, der weitere tragische Folgen der politisch verursachten verspäteten Industrialisierung Lippes unbedingt vermeiden wollte.

Das Bild stammt aus dem Eon Westfalen-Weser-Archiv. Wann es aufgenommen wurde, ist nicht bekannt. - © Foto: privat
Das Bild stammt aus dem Eon Westfalen-Weser-Archiv. Wann es aufgenommen wurde, ist nicht bekannt. (© Foto: privat)

Warum wurde die zentrale Stromversorgung Lippes über Hameln-Afferde organisiert? Man hätte doch eigene Kraftwerke bauen können. Pesag und EMR gab es auch schon.

Beaugrand: Um 1900 existierten in Lippe einige privat betriebene Elektrizitätswerke, das Interesse an der "neuen Energie" war im Allgemeinen größer geworden. 1909 erarbeiteten auch die Siemens-Schuckertwerke, Berlin, eine "Denkschrift über die Errichtung eines Elektrizitätswerkes für das Fürstentum Lippe" an einer bis dahin noch nicht festgelegten Stelle an der Bega, vermutlich zwischen Lemgo und Barntrup, kritisch beäugt aus dem "Eldorado der lippischen Beamten", Detmold.

Hohe Finanzforderungen des Elektrokonzerns und der "tatenlose lippische Staat" (Heinrich Drake) führten zum Scheitern dieses ersten großen Projekts zur Verwirklichung einer zentralen Elektrizitätsversorgung für eine ländlich strukturierte Region, in der die Stromabnehmer weit auseinanderliegen und die Energiebereitstellung auch aus diesem Grunde sehr teuer ist.

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