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Kreis Lippe

100 Jahre Wesertal

Interview mit Prof. Dr. Andreas Beaugrand

Erst knapp zwei Jahre später wurde die fürstliche Regierung wieder auf die Problematik einer staatlich gelenkten Elektrizitätsversorgung aufmerksam, als die Preußische Wasserbauverwaltung die Seen und Flüsse im Wesergebiet zu untersuchen begann, um dort Möglichkeiten zur Anlage eines Elektrizitätswerks zu prüfen.

Das Ergebnis dieser Untersuchungen war am 27. Juni 1912 die Gründung des "Electricitätswerks Wesertal" in Hameln und bis Herbst 1913 die Errichtung des Kraftwerks Afferde bei Hameln durch die ELG/AEG, aus dem nach dem Ersten Weltkrieg - am 9. Januar 1920 - die Elektrizitätswerk Wesertal GmbH mit lippischer Beteiligung hervorging.

Für das lippische Staatsministerium schien ein gemeinsames Vorgehen mit der Preußischen Wasserbauverwaltung und dem neuen Kraftwerk Wesertal in Afferde sinnvoll, weil man glaubte, durch die Kooperation mit einem Unternehmen, das bereits ein Elektrizitätswerk in Zusammenarbeit mit den kommunalen Partnern Landkreis Hameln, Landkreis Holzminden, Grafschaft Schaumburg und Stadt Hameln errichtet hatte, das finanzielle Risiko relativ gering zu halten.
 
Die Wesertal-Geschichte ist eng mit Heinrich Drake verbunden. Worin liegt sein wesentliches Verdienst bei der Sicherung der Stromversorgung für Lippe?

Beaugrand: Heinrich Drake, die charismatische Führungsfigur der lippischen SPD und zugleich als "lippischer Adenauer" verehrt, war seit Beginn seiner politischen Tätigkeit - als langjähriger Landespräsident der Länder Lippe und Schaumburg-Lippe und nach deren Auflösung von 1946 bis 1952 als Regierungspräsident des Regierungsbezirks Detmold - davon überzeugt, dass die Bereitstellung ausreichender und vor allem zeitgemäßer Energie nahezu sämtliche wirtschaftspolitischen Probleme "seines" Landes lösen würde, insbesondere durch die "Sesshaftmachung der Wanderarbeiter" und der für Lippe typischen wandernden Ziegler.

Er war der Überzeugung, dass die Anlage eines Kraftwerks mit starken kommunalen, nicht aber Partnern aus der Elektrizitätswirtschaft, die wirtschaftliche Zukunft der Region stabilisieren würde - das aber (und für ihn selbstverständlich!) dominiert vom Land Lippe, das in den Folgejahren immer wieder mit seinem Dominalbesitz für den Fortbestand des Unternehmens gebürgt hat.

Diese sogenannten "Sacheinlagen" Lippes waren seit der Unternehmensgründung 1919 bis 1948 Ursache intensivster juristischer Auseinandersetzungen zwischen der Elektrizitätswerk Wesertal GmbH und Lippe und führten erst nach dem Zweiten Weltkrieg zu der Einigung, dass das Land Lippe 46 %, die Landkreise Hameln-Pyrmont und Schaumburg jeweils 17 % und der Landkreis Holzminden 20 % der Gesellschaftsanteile hielt.

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