Lage. Die Familie Hamedi hat es geschafft, dem Bombenhagel in ihrer syrischen Heimat zu entfliehen. Ihr Weg führte sie nach Lage, wo sie nicht nur eine neue Bleibe, sondern große Nächstenliebe und eine Chance gefunden hat.
„Eine riesige Granate ist direkt neben meiner Schule eingeschlagen“, erzählt Yazan Hamedi, wenn man ihn nach seinen Erinnerungen fragt. Doch der Neunjährige möchte nicht vom Krieg sprechen, sondern lieber von seinem ersten Gitarren-Konzert oder noch besser: von seiner neuen „Oma“. Die heißt Dr. Barbara Hix. „Sie kam eines Tages ins Asylantenheim und hat uns zu sich eingeladen. Als wir da waren, habe ich nur auf den Boden geschaut, nach zwei Tagen konnte ich Frau Hix in die Augen schauen und habe ,Oma zu ihr gesagt“.
Yazan hat sich das ganz genau gemerkt. Überhaupt kann er sich sehr viel merken, saugt alles an Wissen auf. „Was ist das?“ sei anfangs sein Lieblingssatz gewesen. „Das war schon anstrengend“, schmunzelt Dr. Barbara Hix, die seit einem Jahr die Familie in vielen Dingen unterstützt, vom Papierkram über Ämtergänge bis hin zu der Organisation von Babyausstattung. Denn seit wenigen Wochen gehört Baby Yom zu der Familie um Vater Fadi, Mutter Ebtial sowie den Söhnen Yazan und Yamaan. Der ist sechs Jahre alt, mag keine Süßigkeiten, aber liebt Pommes.
„Ich kann auch schon gut lesen, schreiben und rechnen“, will der Erstklässler seinem älteren Bruder nicht sämtliche Lorbeeren überlassen. Denn der gehört in seiner Klasse zu den Besten in Sachen Mathe und Deutsch. Das ist auch ein Stück weit seiner „Oma“ zu verdanken. Dreimal die Woche lernen die beiden zusammen. Die 72-Jährige hat den Ablauf klar strukturiert, mal ist Lesestunde, mal wird ein Diktat geschrieben. „Wenn ich nicht pünktlich bin, wird sie sauer“, verrät Yazan, der gerne Fußball spielt und an der Musikschule Gitarre lernt. Er ist seinen Eltern sprachlich ein gutes Stück voraus.
„Bei uns dauert das mit der Sprache etwas länger“, erzählt Fadi Hamedi, der mit seiner Frau fleißig Kurse besucht. Beide sind Akademiker, der 37-Jährige ist Tierarzt und die 29-Jährige Lehrerin für Chemie und Physik. „Wir wollen unbedingt so schnell es geht wieder arbeiten“, bestätigen beide ihren sehnlichen Wunsch.
„Die Chancen für einen Tierarzt stehen nicht schlecht, aber leider überwiegend in Bayern oder Schleswig-Holstein“, so Fadi, der die neue Heimat ungerne wieder verlassen möchte, die Misere. „Wir haben hier eine Wohnung gefunden und großes Glück gehabt, Frau Dr. Hix und deren Bekannte zu treffen. Wir fühlen uns hier sehr wohl“, weiß die Familie die Unterstützung zahlreicher Lagenser sehr zu schätzen.
PAULA ERKLÄRTS: In Syrien schneit es fast nie
Syrien liegt im Nahen Osten und die Hauptstadt dieses Landes heißt Damaskus. Dort haben Yazan und Yamaan gewohnt, bis dort vor ein paar Jahren ein Krieg ausgebrochen ist. Viele Menschen wurden getötet, Häuser zerstört. Auch die Schule, die Yazan besucht hat. In Syrien spricht man arabisch und lernt in der Schule - genau wie hier - englisch und französisch. Viele Menschen sprechen aber auch armenisch oder kurdisch.
Im Sommer ist es dort sehr heiß, bis zu 40 Grad. Dafür wird es im Winter nicht so kalt. Yazan hat in Syrien noch nie Schnee gesehen, erst im letzten Winter, als er schon in Deutschland war, habe es in seiner Heimat einmal geschneit. Sein erstes Weihnachtsfest in Lage war eine ganz neue Erfahrung, denn in Syrien habe nicht jede Familie einen eigenen Tannenbaum. „Es gibt nur einen riesigen beleuchteten Baum mitten in der Stadt, und dort versammeln sich an Weihnachten dann alle Menschen“, erzählt der Neunjährige von den Bräuchen und wartet schon gespannt auf sein erstes Osterfest in Lage, das er in wenigen Wochen zusammen mit seiner Familie feiert.