Lage. Der Schulausschuss spricht sich gegen die Gründung eines weiteren Schulzentrums in der Zuckerstadt aus. Damit soll die bestehende Schullandschaft langfristig gesichert werden. Mit dieser von den Politikern als „wertfrei" bezeichneten Position wenden sie sich gegen den Wunsch des Christlichen Schulvereins Lippe, in Lage eine Gesamtschule, eine Grundschule und einen Kindergarten zu errichten.
Vor der Abstimmung bat Michael Biermann von der CDU um Absetzung dieses Tagesordnungspunktes, weil sich das Thema erledigt habe. Bekanntlich hat sich gegen die Pläne eine Front aus SPD, Grünen, FDP, FWG und einigen CDU-Politikern gebildet, während BBL und „Aufbruch C" sich weiterhin für die Schaffung einer weiteren Dependance der August-Hermann-Francke-Schule in Lage einsetzen.
Ein freies Gelände steht bereit
Der Christliche Schulverein Lippe möchte auf einer 28.000 Quadratmeter großen Fläche zwischen Weißer Breede und Stadenhauser Berg ein Schulzentrum errichten. Dazu plant er, das Grundstück von der Stadt, die für das Projekt einen Bebauungsplan aufstellen muss, zu kaufen. Falls das Projekt nicht zustande kommt, will die Stadt das Areal einer Wohnbebauung zur Verfügung stellen.„Wir haben eine ausgewogene Schullandschaft. Unsere öffentlichen Schulen erfüllen die Aufgaben der Integration und Inklusion", erklärte SPD-Fraktionsvorsitzender Hans Hofste. Es sei gefährlich, dem jetzt etwas entgegenzusetzen, das diese Werte gefährde. Die Diskussion sei weiter aktuell, warf Titus Donhauser von Bündnis 90/Die Grünen ein. Im Haushalt seien Erlöse aus Grundstücksverkäufen eingeplant. Die erforderlichen Grundstücke befänden sich in Richtung Bielefeld.
„Sobald hier in Lage ein weiteres Schulzentrum entsteht, bricht die bestehende Schullandschaft zusammen", so seine Prognose. Verschiedene Systeme würden dem sozialen Konsens entgegenwirken. Fast vier Millionen Euro würden über das Programm „Gute Schule" in die Sanierung der vorhandenen Einrichtungen gesteckt, die eventuell später nicht mehr gebraucht würden. Das mache keinen Sinn.
„Wir können diese Schule nicht verhindern", konterte BBL-Fraktionsvorsitzender Heinz Walter. Dies zu glauben, sei blanke Illusion. Sobald ein Grundstück auserkoren sei, werde gebaut. Wenn nicht in Lage, dann anderswo in Westlippe.
Allerdings gingen dann mögliche finanzielle Vorteile für Lage verloren. Dies rief Ausschussvorsitzende Martina Hannen (FDP) auf den Plan. Hätte ein politisches Gremium wie dieses keinen Einfluss, dann wäre Demokratie eine Farce. Schule habe nichts mit Bekenntnis zu tun. Auch sei es bedenklich, wenn Eltern überlegen müssten, ob sie sich diese Schule leisten könnten.
„Kinder in Lage sollen Schulen besuchen können, ohne Gefahr zu laufen, aus religiösen, ethnischen oder anderen Gründen abgelehnt zu werden." Den Sorgen der Schulleiter um den Erhalt der Schullandschaft schloss sich Michael Biermann (CDU) an. Die Politiker könnten den Grundstücksverkauf verhindern, mehr aber nicht.
Kommentar: "Mehr Toleranz ist angebracht"
von Wolfgang Becker
Wertfrei sollte er sein, der Beschluss oder die Empfehlung, die der Schulausschuss zur geplanten Gesamtschule des Christlichen Schulvereins in Lage fasste. Aber dieser Beschluss enthält gleich zwei Fehler: einen moralischen und einen rechtlichen.
Eine Beurteilung dieser Schulform kann nicht wertfrei sein, wenn man ihr die Differenzierung nach ethnischen oder religiösen Motiven unterstellt. Auch rechtlich ist das Votum des Gremiums nicht haltbar. Denn wäre die Stadt gegen ein „weiteres Schulzentrum in Lage", könnte keine staatliche oder städtische Schule je auf dem Boden der Kommune errichtet werden. Und dies kategorisch auszuschließen, wäre im Hinblick der weiteren demografischen Entwicklung mehr als kurzsichtig.
Die Kritiker dieser jetzt vom Schulausschuss gefällten Entscheidung haben Recht: Die geplante Schule kommt, egal wo. Aber dann stellt sie auch eine Chance, meinetwegen auch Konkurrenz, für die bestehenden Systeme dar. Wer liberal denkt, wählt das eine, wer eher konservativ ausgerichtet ist, das andere. Beides geht.