Betrunkener Dieb wird 1962 mit sechs klingelnden Weckern erwischt

Lage. Er sei ein "seltener Vogel", ein Psychopath, willensschwach und willensarm - all das wird dem 46-jährigen Karl F. ( Name von der Redaktion geändert ) im Januar 1963 am Detmolder Landgericht attestiert. Kein Wunder, denn der Mehrfachtäter und Dauertrinker ist hier kein seltener Gast. Von den vergangenen 13 Jahren hatte F. neun im Gefängnis verbracht - jedes Mal wegen Diebstählen. Aber dieser Fall ist unter all den Straftaten und all seinen Begegnungen mit der Justiz der kurioseste.

Karl F. ist nach einer zweieinhalb jährigen Haftstrafe erst seit kurzem wieder auf freiem Fuß. Trotz der vielen Vorstrafen hat der 46-Jährige keine Probleme, schnell einen Job in Osnabrück zu finden. Am 25. Februar 1962 wird F. dann dort von einer Polizeistreife vor einer Kneipe dabei beobachtet, wie er sich auf verdächtige Art ein Fahrrad vor dem Laden schnappt und damit, sichtlich angetrunken, munter wegradeln möchte. Als die Polizisten den Mann ansprechen, sagt dieser, dass Rad gehöre einem Saufkumpan von ihm. Dieser habe ihn darum gebeten, den Drahtesel netterweise zu einer anderen Kneipe zu bringen. Weil die Beamten F.s Geschichte nicht widerlegen können, lassen sie ihn weiterziehen - doch lange hält seine Zeit in Freiheit nicht an.

Einige Monate später: Karl F. arbeitet jetzt in einem Betrieb in Müssen. Am 31. August 1962 trinkt er nach der Arbeit mit Kollegen dutzende Flaschen Bier. Gegen Mitternacht lässt er sich von einem seiner Kumpanen bis kurz vor Lage mitnehmen. Dort will er sich in der ein oder anderen Kneipe noch ein paar weitere alkoholische Getränke genehmigen. Sei Vorhaben kommt zum Erliegen, weil keiner der Läden noch geöffnet hat. Bis vier Uhr Morgens ist F. auf den Straßen Lages unterwegs. Dann hören seine Zimmernachbarn, wie er durch die Haustür trampelt. Hellwach werden die Mitbewohner aber erst einige Zeit später - durch ohrenbetäubenden Krach, direkt aus dem Zimmer von F..

Sechs Wecker sind fünf zu viel

Insgesamt sechs Wecker klingeln plötzlich los. Als die Polizei am nächsten Tag einen Einbrecher sucht, der in der vergangenen Nacht ein Uhrengeschäft in Lage ausgeraubt hatte, fällt der Verdacht sofort auf den Trunkenbold. Er habe die Wecker schon ein paar Tage zuvor für 50 D-Mark von einem Bekannten abgekauft, gibt F. bei einer Befragung durch die ermittelnden Polizisten an. Es dauert nicht lange, bis die Beamten ihm die Aussage widerlegen. In Erklärungsnot denkt sich F. blitzschnell eine neue Geschichte aus.

Diese Version versucht Karl F. schließlich auch vor dem Detmolder Landgericht glaubhaft rüberzubringen: Als er in der besagten Nacht durch Lage torkelte, hätte er ein lautes Klirren vernommen und daraufhin einen Mann gesehen, der mit seinem Auto vor der zertrümmerten Schaufensterscheibe eines Lagenser Radiogeschäft gestanden hätte. "Mensch wie lange willst du noch vor diesem Loch stehen?", habe er den Mann gefragt. Darauf habe der Unbekannte geantwortet: "Habe Pech gehabt, komm mit", dann sei er in den Wagen gestiegen und mit dem Unbekannten nach Detmold gefahren, wo er ihm die sechs Wecker geschenkt habe. Anschließend sei er von dem Unbekannten nach Lage gebracht worden, wo er zuhause die Wecker ausprobiert habe.

Der "große Unbekannte"

Der "große Unbekannte" stand an diesem Tag am Detmolder Landgericht nicht zum ersten Mal bei einem Prozess von Karl F. im Raum. Er hatte in der Vergangenheit bei den meisten Verfahren gegen ihn mit diesem operiert. Ständig sei, immer passend zum Zeitpunkt der Verbrechen, ein fremder Mensch aufgetaucht, der ihn in die missliche Lage brachte. Seine Schilderungen werden vom Gericht deshalb als äußerst unglaubwürdig verbucht.

Auch die Große Strafkammer des Landgerichts in Detmold nimmt ihm diesen Unbekannten nicht ab und verurteilt den Angeklagten wegen eines schweren Einbruchdiebstahls zu einer Gefängnissstrafe von drei Jahren, auf der die Untersuchungshaft angerechnet wird. Darüber hinaus ordnet das Gericht eine anschließende Sicherungsverwahrung an. Damit kommt das Gericht dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß von dreieinhalb Jahren Haftstrafe und einer daran anknüpfenden Sicherungsverwahrung fast nach.

In der Urteilsverkündung gibt der zuständige Richter an, man könne Karl F. die Sicherheitsverwahrung nicht ersparen, weil damit zu rechnen sei, dass er nach seiner Freilassung sofort wieder straffällig würde. Die Öffentlichkeit hätte ein Recht darauf, vor Karl F. - dem Dieb mit den sechs klingelnden Weckern - beschützt zu werden.

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