Lagenser in Bad Neuenahr-Ahrweiler: „Wir haben alles verloren“

Lage/Bad Neuenahr-Ahrweiler. Es ist die Nacht auf den 15. Juli, die das Leben vieler Menschen in Deutschland zerstört. Die Flut, die besonders Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz trifft, vernichtet innerhalb von nur wenigen Stunden Existenzen, mehr als 180 Menschen sterben, darunter auch Feuerwehrleute beim Versuch, den Betroffenen zu Hilfe zu kommen. Viele der Menschen haben keine entsprechende Versicherung, bleiben jetzt auf den Kosten für ihr zerstörtes Hab und Gut sitzen.

Einer, der all das am eigenen Leib erlebt hat, ist Andy van der Straeten. Der gebürtige Lagenser hat vor vier Jahren sein Eigenheim in Bad Neuenahr-Ahrweiler gekauft, wollte sich damit einen Lebenstraum erfüllen. Es sollte das Zuhause für ihn und seine kleine Familie sein. Jetzt steht der 35-Jährige vor den Scherben seiner Existenz und weiß nicht, wie es weitergehen soll. Fest steht für ihn aber auch: &bdquo;Hätte ich in dieser Nacht arbeiten müssen, wäre meine Familie im Schlaf ertrunken." Der LZ schildert er die Ereignisse.

Plötzlich kam ein Rauschen

&bdquo;Es hat den ganzen Tag über geregnet", beginnt Andy van der Straeten. &bdquo;Aber es war ein Regen wie jeder andere, ich habe mir darüber keine Sorgen gemacht. Erst als am Abend die Warnung der Feuerwehr kam, nicht in Kellern zu übernachten, sei er etwas unruhiger geworden. Immerhin befinden sich die Schlafzimmer der Familie genau dort. &bdquo;Wir haben den Keller damals ausgebaut", sagt der 35-Jährige, der an diesem Abend glücklicherweise frei hatte. &bdquo;Normalerweise arbeite ich als Drucker in der Nachtschicht", sagt Andy van der Straeten. Seine Frau und seine fünfjährige Tochter hätten bereits geschlafen als gegen 23 Uhr der Strom ausfiel. Mit einer Vorahnung sei er dann in den Keller gegangen. &bdquo;In der Waschküche stand bereits eine kleine Pfütze. Mit einem Eimer habe ich dann das Wasser rausgebracht." Irgendwann sei ihm draußen ein beißender Geruch aufgefallen, mutmaßlich von Benzin.

&bdquo;Realisiert habe ich die Situation aber erst, als ich plötzlich ein Rauschen hörte", sagt der Familienvater. &bdquo;Normalerweise ist es hier nachts absolut ruhig." Daraufhin habe er seine Frau geweckt. Nur Minuten später sei dann bereits das Wasser die Straße herunter gelaufen. &bdquo;Es hat nicht lange gedauert bis es im Keller an den Steckdosen herunter tropfte. &bdquo;Dann ist auch schon eines der Fenster eingebrochen", erzählt Andy van der Straeten. Also habe er nur noch seine Tochter gepackt und überlegt, wie sie gemeinsam fliehen könnten. &bdquo;Das Auto war schon keine Option mehr, die Reifen waren bereits im Wasser verschwunden. Es ging alles so schnell." Der erste Gedanke: bei den Nachbarn klingeln. &bdquo;Weil der Strom ausgefallen war, ging das aber nicht", erzählt er weiter. Schließlich seien sie in ein gegenüberliegendes Hochhaus geflüchtet, hätten dort schließlich die Nacht verbracht.

Am nächsten Morgen wurde dann das ganze Ausmaß der Zerstörung sichtbar. &bdquo;Gegen 7 Uhr konnte man zwar sehen, dass das Wasser zurückgeht, aber sogar mittags war es noch wadenhoch", sagt Andy van der Straeten. Erst am Nachmittag sei die Familie dann von der Feuerwehr abgeholt und in eine Notunterkunft gebracht worden. Inzwischen habe der Familienvater selbst eine vorübergehende Bleibe in Sinzig organisiert. Wie es weitergehen soll, weiß er nicht. &bdquo;Wir haben alles verloren", resümiert er. &bdquo;Ich habe mein Leben lang für ein Eigenheim gespart, wir haben das Dach vorher gemacht, eine neue Küche bekommen, das Bad und den Heizungsverteiler erneuert. Jetzt ist alles kaputt."

Eine entsprechende Versicherung habe die Familie nicht. &bdquo;Ich habe damals beim Kauf die Versicherung der Vorbesitzerin übernommen, ohne groß darüber nachzudenken", sagt Andy van der Straeten. Als die ersten Berichte zu diesem Thema in den Nachrichten aufgetaucht seien, habe er bereits ein mulmiges Gefühl gehabt. Auf rund 250.000 Euro schätzt er den Schaden. Denn auch sein Auto ist von den Fluten mitgerissen worden. &bdquo;Das habe ich nicht mehr wiedergefunden", sagt der 35-Jährige. &bdquo;Vermutlich liegt es schon im Rhein."

Ein Kuscheltier im Schutt

Andy van der Straeten überlegt jetzt, Privatinsolvenz anzumelden. &bdquo;Ansonsten müssen wir auf staatliche Hilfe hoffen." Was ihn in all der Not aber immer wieder beeindruckt, sei die Hilfe untereinander. &bdquo;Die Leute sitzen weinend und dreckig vor ihren zerstörten Häusern, sind übermüdet und erschöpft. Sie können sich nicht duschen, nicht waschen. Aber es gibt immer wieder die, die helfen." So sei er in den vergangenen Tagen auch mehrmals von Fremden von seiner Unterkunft zu seinem zerstörten Haus gefahren worden. Den Anblick könne er allerdings kaum ertragen.

Eine erfreuliche Geschichte kann der 35-Jährige dann aber doch noch erzählen: &bdquo;Meine Tochter hat bei der nächtlichen Flucht ihr Kuscheltier im Haus vergessen und die ganze Nacht deswegen geweint. Als ich später zurückgekommen bin, habe ich den Hasen unter all dem Schutt wiedergefunden. Er war fast unversehrt."

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