Herwig Schmidt hat mit Bienenschmidt 55 Jahre lang Ortsgeschichte in Hörste geschrieben

Lage/Lügde-Rischenau. Die Laterne am Hauseingang in Rischenau ist ein Import - sie kommt aus Hörste, genauer gesagt stand sie vor der Gaststätte Bienenschmidt. Das Wildschwein? Die großen Steinbrocken? Sie alle haben Herwig Schmidt begleitet. Es sind Andenken an 55 Jahre, die untrennbar verknüpft sind mit der Kult-Kneipe, ihrem Erfolg und ihrem Niedergang.

Derzeit wird die Gaststätte kernsaniert. Sich dort zu treffen, das gibt Herwig Schmidt unumwunden zu, wäre ihm schwergefallen. Denn die Gaststätte war sein Leben, in ihr hat er unzählige Stunden verbracht, er hat dort gebaut, eingerissen, gesammelt, was man vielleicht mal gebrauchen könnte. Das Bau-Gen hat er von seinen Eltern Herbert und Ursula Schmidt geerbt. Auf alten Fotos zeigt er, dass diese zum Beispiel einen offenen Vorbau angebaut hatten. Weil man dort aber alles hörte, was nebenan gesprochen wurde, rissen sie alles wieder ein.

Lehm schippen fürs Fundament Oder die Sache mit dem Fundament. Ein altes Foto zeigt den Jugendlichen Herwig, der mit langen Haaren mitten im Boden der Gaststätte steht und Lehm schippt. &bdquo;Meine Eltern wollten umbauen, dann war ihnen aufgefallen, dass das Fundament das gar nicht tragen konnte. Ich musste alles unterfangen.“

Anpacken - das hat er immer gekonnt, aber auch gewollt. Aber es so zu machen wie seine Eltern, das wäre ihm nicht in den Sinn gekommen. Ursula Schmidt war im Wedding groß geworden, im Zweiten Weltkrieg hatte sie Schlimmes erlebt. Der Neuanfang in Hörste, die Heirat mit Herbert Schmidt, der sich immer eigentlich mehr Detmold verbunden fühlte - wenn Herwig Schmidt erzählt, hört man heraus, dass es keineswegs einfach war. &bdquo;Zu der Zeit wollten die Leute Alkohol trinken, und meine Mutter hat ihn auch ausgeschenkt. Ihre Berliner-Art kam nicht so gut an.“

Ort zum Treffen Ihr Sohn wollte es anders machen. &bdquo;Ich finde, dass das Wort Kneipe nichts Schlechtes ist.“ Für ihn habe im Vordergrund gestanden, einen Ort zu bieten, an dem man sich treffen kann. Und Alkohol? &bdquo;Auf meiner Karte gab es nicht-alkoholische Getränke, die günstiger waren. Ich habe auch nie jemanden zu Alkohol überredet.“

Was es heißt, Gastwirt zu sein, kannte er aus seinen Kindertagen. Früh aufstehen, vor dem Öffnen einkaufen, sich um Personalfragen kümmern, die Küche - &bdquo;das muss man wollen und Spaß daran haben, sonst geht es nicht“. In seinem Fall heißt es, dass seine Ehe auf der Strecke geblieben ist, und als es immer schlechter in seiner Gaststätte lief, hatte er einen Schlaganfall. &bdquo;Ich war ganz unten“, sagt er unumwunden, auch finanziell. Zwölf Jahre ist das her.

Doch das Leben schreibt immer wieder neue Kapitel. Im Internet lernte er Brigitte Lehmann kennen. Auch diese hatte schwere Zeiten hinter sich und sagt rückblickend: &bdquo;Es hat sofort gepasst. Was wir beide zuvor erlebt hatten, schweißt uns zusammen.“

Und wenn Herwig Schmidt beim Erzählen mal ein Detail aus der Geschichte der Gaststätte vergisst, dann springt seine Brigitte ein, die die vielen Fotos aus dem Schmidtschen’ Archiv bereits in- und auswendig kennt. Die Gaststätte kennt sie auch. Herwigs Tochter hatte versucht, noch einmal an die Glanzzeiten anzuknüpfen, doch das Ganze währte nur kurz. Also versuchte es das Paar noch einmal. &bdquo;Das hat mir Spaß gemacht, die Leute waren unheimlich nett“, sagt Brigitte Lehmann. Doch letztlich, sagt ihr Lebenspartner, der bald 74 wird, habe seine Kraft nicht mehr gereicht.

Schwieriger Start in ein neues Leben Was tun? &bdquo;Wir standen beide vor der Situation, uns ein neues Zuhause suchen zu müssen. Aber wir hatten begrenzte Mittel, und dann ist die Auswahl nicht sehr groß“, sagt Brigitte Lehmann. So ganz deckungsgleich waren die Vorstellungen auch nicht: Ihr Herwig hätte am liebsten ganz für sich gewohnt, sie hingegen war fürs Praktische. Wer sich durchgesetzt hat? Das Angebot. In Rischenau stand ein Haus zum Verkauf, das ins Budget passte.

&bdquo;Dieses Haus ist keine Villa, aber hier leben Menschen, die zufrieden sind“ - dieser Spruch passt hundertprozentig. In Rischenau hatte etwas Neues eine Chance, es ist ein Ort, in dem man Abstand gewinnen kann.

Das Herz des älteren Gebäudes ist die Küche, in der ein Holzofen bullert. Rudi, der Hund des Paares, scheint das Gen der Gastfreundschaft adaptiert zu haben: Der Schwanz dreht sich wie ein Propeller - mehr Freundschaftsangebot für die Besucherin geht nicht. Der Wald ist zumindest in Sichtweite. Mittlerweile hat sich Herwig Schmidt auch bestens mit der Siedlungslage arrangiert. Es klingelt, und schwupp ist er erst einmal im Garten. Denn dort steht eine Abordnung der Feuerwehr, um Dachlatten abzuholen. Woher die sind? &bdquo;Da wurde ein Dachüberstand abgebaut. Ich habe das Holz bekommen, die Nägel rausgezogen und gebe das weiter, wenn es einer braucht. Den Rest kann ich in unserem Ofen verheizen“, sagt Schmidt.

Dass er ein Sammler ist, kann der ehemalige Gastwirt nicht verbergen. Seine Straßenwalzen - &bdquo;ich hatte eine mit 6 und eine mit 12 Tonnen“ und vor allem den Radlader vermisst er schon. &bdquo;Da habe ich mein Veto eingelegt“, sagt Brigitte Lehmann lachend. Herwig könne ja vieles gebrauchen und er sei generell ein hilfsbereiter Mensch.

Großer Freund des schweren Geräts Um Anschluss zu finden, sind beide in den Heimatverein Rischenau eingetreten. &bdquo;Wenn er da gefragt wird, etwas zu machen, kennt er Nein nicht. Aber schweres Gerät wollen und können wir hier nicht unterstellen“, sagt Lehmann. Ein kleines Fünkchen Bedauern ist von der anderen Seite des Tisches spürbar. Denn da sind sie wieder, die Erinnerungen an die 55 Jahre, als er nicht nur Bienenschmidt am Leben hielt, sondern auch das Drumherum pflegte. Und fast scheint es, als seien die Wege lebendig. &bdquo;Man musste den Zeitpunkt genau abpassen, man sah das an den Steinen auf den Wegen. Wenn sich die Spitzen nach oben zogen, dann musste ich da ran. Es durfte dann nicht zu trocken oder zu nass sein, aber wenn man vor Ort war, dann war das eigentlich kein Problem.“

Zuletzt war es das doch, und Herwig Schmidt sagt, dass er oft an die Gaststätte denkt, an das, was gut lief, aber auch an die letzten Jahre, die ihm persönlich sehr nahegegangen waren. Sie haben ihm gefehlt, die Gespräche, die Menschen, die zu Bienenschmidt kamen, weil es einfach ein Ort war, wo man sich gut treffen konnte. Er fragt nach Hörsterinnen und Hörstern, die mittlerweile alle im Rentenalter sind. Und nicht selten kommt: &bdquo;Hat bei mir gekellnert.“

Dass es jetzt eine Neuauflage gibt, freut ihn sehr. Und klar, es müsse vieles geändert werden. Ob er es sehen möchte? &bdquo;Auf jeden Fall! Aber ehrlich gesagt, ich glaube, es fällt mir leichter, wenn es fertig ist. In vielem dort steckt mein Herzblut, ich meine, steckte mein Herzblut.“

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