Autos und Willy Brandt qualmen bei Bienenschmidt in Hörste

Lage-Hörste. Waldgaststätte? Und Bienen-Schmidt oder Bienenschmidt? Angefangen hat alles ganz anders. Es gab keinen Wald, sondern einen Kartoffelacker, und der Name ist so ein Fall von &bdquo;kommt darauf an“.

Die Geschichte der Kult-Kneipe am Hermannsweg hat Herwig Schmidt immer sehr interessiert. Denn letztlich hat seine Familie ihr zu dem Status verholfen, sie hat 55 Jahre an der Geschichte mitgeschrieben. Doch vor diesem Kapitel sah es anders aus. Es gab zwei Gebäude, die zum Gut Stapelage gehörten. Das liegt unten an der Hauptstraße, weiter oberhalb standen das schlichte Kötterhaus und ein Fachwerkhaus. &bdquo;Ein Landarbeiter hatte hier gewohnt und auf einem Feld Kartoffeln angepflanzt. Zumindest hat er das versucht, es hat nämlich nicht so richtig geklappt“, erzählt Schmidt.

Auf alten Fotos ist auch kein richtiger Wald um die Gaststätte herum zu sehen. Das größere Gebäude wiederum sei von einer Unternehmerfamilie aus dem Ruhrgebiet gekauft und hergerichtet worden.

Die Schmidtsche’ Ära beginnt 1957, als Herbert und Ursula Schmidt aus Hiddesen anfangen, Ortsgeschichte in der Nachbarschaft zu schreiben - mit Bindestrich. In Hiddesen gab es drei Schmidts, die auch noch Herbert hießen. Und weil damit der ein oder andere schon mal &bdquo;in tödder kam“, bekam Herwigs Vater Herbert einen Zusatz, der sich auf seine große Leidenschaft bezog: die Bienenzucht.

Bienen werden nicht heimisch &bdquo;Er hatte so 80 bis 90 Völker. Und darum hieß er Bienen-Schmidt“, sagt sein Sohn. Als das Ehepaar mit seinen drei Kindern - Herwig ist sechs Jahre alt - nach Hörste umzieht, wird das der Name ihrer kleinen Station für Wanderer. 630 Mark investiert das Paar, es gibt eigentlich nur Erfrischungen, denn anfangs ist das mit der Konzession so eine Sache. Aber Kronen-Bier aus dem Ruhrgebiet ist ein Begriff.

Der Anfang ist bescheiden, aber der Bedarf ist da. Deutschland erlebt das Wirtschaftswunder, es wird wieder gefeiert, getrunken und geraucht. Ursula Schmidt, die im Wedding groß geworden war, verkauft Alkohol und wie ihr Sohn heute lachend sagt, &bdquo;wohl erst nicht so ganz legal, die Konzession bekam sie erst später.“

Die Zeit ist eine andere, man gönnt sich was, Fremdenverkehr wird zum Begriff, heute würde man sagen: Der Tourismus ist ein Wirtschaftsfaktor. In Hörste gibt es zu der Zeit im Haus Wiemann 70 Betten. Schmidt: &bdquo;Die Fremdenzimmer sind bescheiden gewesen, aber für die damalige Zeit war es toll. Heute ist Mallorca näher.“

Mit der Bienenzucht klappt es im Wald allerdings nicht, und die Gaststätte ist erst einmal ein Ausflugslokal. Es wird angebaut, abgerissen, umgebaut. Der erste &bdquo;Biergarten“ ist eher ein Bier im Garten - es ist ein einfacher Tisch draußen mit Stühlen drumherum. Es spricht sich herum, dass es dort oben einfach schön ist, mittlerweile nimmt der Wald deutlich mehr Platz ein. Und so gibt es Fotos, die dokumentieren, dass 1968 ein ADAC-Crossrennen dort oben das Start und Ziel hatte. &bdquo;Es wurde halt mit allem gequalmt, was man hatte. Gesundheit und Umweltschutz waren da noch kein Thema“, sagt Herwig Schmidt lachend.

Willy Brandt kommt vorbei Und aufs Stichwort zeigt er eine Tischgesellschaft, die zum Teil in dichtem Rauch verschwindet. Den hatte Willy Brandt gerade genussvoll verteilt - einer der prominenten Gäste, die der Kult-Kneipe einen Besuch abstatteten. &bdquo;1976 war das, da war er Parteivorsitzender der SPD und am Hermannsdenkmal.“

Es lief zu der Zeit, aber es bahnten sich Veränderungen an. 1973 hatten die Eltern ihrem Sohn das Grundstück überschrieben - und 1977 macht Herwig Schmidt erst einmal zu. &bdquo;Ich wollte es anders machen als meine Eltern, auch ein anderes Publikum haben. Nicht die typischen Kneipenbesucher, die vor allem viel Alkohol trinken wollen.“ Vier Wochen dauert die Pause, die Preise tun ihr Übriges. &bdquo;Ein 0,3-Liter-Bier für 2 Mark - da sind einige fast umgefallen. Aber ich bekam anderes Publikum“, erinnert sich Schmidt.

Er erlaubt, dass Speisen mitgebracht werden, es gibt Pit-Pat, eine Mischung aus Billard und Minigolf. Und aus Bienen-Schmidt wird irgendwann Bienenschmidt. 55 Jahre hat Herwig Schmidt oberhalb des Ortes gelebt und erlebt, wie sich die Gesellschaft verändert hat.

Himmelfahrt wird zum Problem Himmelfahrt, erst der umsatzstärkste Tag im Jahr, entwickelt sich im Laufe der Jahre in genau die andere Richtung. &bdquo;Ich habe Bierflaschen rundherum aufgesammelt und 80 Kisten kamen zusammen - alles mitgebracht. Die Kosten für mich sind immer höher geworden, die Auflagen auch. Das ging so einfach nicht mehr.“

Dann gibt es die Mallorca-Partys, meterlange Strohhalme und Sangria aus Eimern - Feiern, die tagelang Dorfgespräch sind. Auch sie ein Kapitel, das abgehakt ist. Schließlich Rave-Partys frühmorgens im Wald. Alles Versuche, die mal besser, mal schlechter funktionieren. Und letztlich ist das alles auch Geschichte. Für Herwig Schmidt ist es beides: Erinnerung an sehr schöne Zeiten und an persönlichen Verlust. &bdquo;Ich habe dafür gelebt, aber es ist heute eine andere Zeit. Und es soll ja weiter gehen. Da ist viel möglich, davon bin ich überzeugt.“

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