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Notfallärzte schränken Praxiszeiten wegen mangelnder Nachfrage ein

Till Brand

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Die Kassenärztliche Vereinigung schränkt die Zeiten ihres Notfalldienstes am Klinikum ab Februar ein. - © Till Brand
Die Kassenärztliche Vereinigung schränkt die Zeiten ihres Notfalldienstes am Klinikum ab Februar ein. (© Till Brand)

Lemgo. Die Notfalldienstpraxis im Klinikum bleibt ab Februar montags, dienstags und donnerstags geschlossen. Patienten, die zwischen 18 und 22 Uhr zu einem Allgemeinmediziner möchten, müssen dann nach Detmold fahren, bestätigt Dr. Hans-Christian Körner als Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung. Die Notaufnahme des Klinikums läuft jedoch ganz normal weiter, stellt ihr Chefarzt Dr. Patrick Dißmann klar.

Im Zuge der Notdienstreform 2011 eingerichtet, krankt die von Allgemeinmedizinern in Rotation besetzte Notfalldienstpraxis an schwacher Nachfrage. Waren es anfangs durchschnittlich drei Patienten, die sich binnen der vierstündigen Öffnung dem Doktor vorstellten, ist man laut Hans-Christian Körner bis heute über dieses Niveau nur unwesentlich hinaus gekommen: Die Praxis liegt bei einem Patienten pro Stunde.

Angesichts des Ärztemangels sei es inzwischen für die Kollegen „unzumutbar", die kaum nachgefragten Schichten zu besetzen. Dazu kommt: Über die Kassenärztliche Vereinigung müssen die Mediziner eine Umlage entrichten, um die Infrastruktur zu finanzieren. „Wir legen also teils Geld drauf", betont Körner. Auch für den einzelnen Arzt sei der Notdienst betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll.

Der Leiter der KV-Bezirksstelle spricht von Einkünften, die mit Glück für die Fahrtkosten reichten. Wenn in einer Schicht mal gar kein Patient komme, gehe der Kollege sogar komplett leer aus. Dafür schließe ein Arzt seine eigene Praxis früher – und sei erst gegen 22.30 Uhr zu Hause.

Dabei hat die Kassenärztliche Vereinigung durchaus für ihren Service im Lemgoer Klinikum getrommelt. Anfangs lag die Praxis im Untergeschoss, zwei Stockwerke unter der Notaufnahme. Doch seit 2015 ist man im Verbunddienst, teilt sich Empfang, Sprech- und Behandlungszimmer mit der Notaufnahme.

An der fehlenden Kontaktaufnahme zu potenziellen Patienten kann es also nicht gelegen haben. Hat doch nach Worten von Chefarzt Patrick Dißmann eine medizinische Fachangestellte die Fälle bislang vorsortiert: die schweren in die Notaufnahme, die leichten in die Praxis. Dazu hatten die Lemgoer Notdienstmediziner in den Praxen für den Service geworben und außerdem die Beschilderung verbessert.

In Detmold, wo auch Lemgoer künftig an drei Tagen in der Woche hinfahren müssen, sei der Trend andersherum, sagt Hans-Christian Körner. Dort steigen die Zahlen, kommen 10 bis 15 Patienten pro Schicht. Erklärungsversuch des KV-Vertreters: Im ländlicher geprägten Einzugsbereich von Lemgo gingen die Leute aufgrund weiterer Anfahrtswege eher zum Arzt. Im städtischen Umfeld dagegen gebe es eine 24-Stunden-Mentalität in der Medizin. Ein Versprechen gibt Körner aber ab: Wenn die Notaufnahme in Lemgo nun zu viel mit Kleinigkeiten zu tun bekommt, werde man den Notfalldienst wiederbeleben.

Etwas Mehrarbeit erwartet Patrick Dißmann als Chefarzt der Zentralen Notaufnahme des Klinikums durchaus. „An die Grenze unserer Leistungsfähigkeit wird uns das aber nicht bringen", sagt er. Für Patienten, bei denen keine Dringlichkeit geboten sei, werde sich in der Notaufnahme wahrscheinlich die Wartezeit erhöhen. Zumal hier in den Randzeiten meist Assistenzärzte seien, die oft noch Rücksprache halten müssten. Auch bei den Untersuchungen – Stichworte: Röntgen, Blutuntersuchungen im Labor – habe das Krankenhaus andere, aber eben auch zeitintensivere Möglichkeiten. Der Appell: Lemgoer, die kein Fall für die Notaufnahme sind, sollten den Weg nach Detmold in Erwägung ziehen.


Kommentar: Kein Beinbruch beim Notdienst

Kommentar von Till Brand

Kein ärztlicher Notdienst mehr in Lemgo an drei Abenden in der Woche. Doch keine Panik. Das klingt schlimmer, als es ist.

Erstens: An den Wochenenden sowie Mittwoch- und Freitagnachmittags, wenn die meisten Hausärzte geschlossen haben, bleibt die Notfallpraxis im Klinikum geöffnet.

Zweitens: Bei der Notaufnahme des Krankenhauses ändert sich nichts. Wer mit Verdacht auf Herzinfarkt oder ähnlich schweren Fällen kommt, erhält auch weiterhin Hilfe und muss nicht, wo es auf Minuten ankommt, erst nach Detmold fahren.

Drittens: Wer was gegen die Nasennebenhöhlenentzündung braucht, seinen Husten abgehorcht oder eine Küchenmesser-Wunde versorgt sehen will – allesamt typische Fälle im Notdienst –, für den sind die Ärzte weiterhin da: nur in Detmold. Die Fahrt dürfte durch die kürzere Wartezeit gegenüber der Notaufnahme in den meisten Fällen locker ausgeglichen werden. Und: Bislang war der lippische Notdienst schlichtweg eine Luxusausführung. Selbst Großstädte wie Bielefeld haben in der Regel nur eine Notfallpraxis.

Viertens und vielleicht entscheidend: Grund für die Kappung der Öffnungszeiten ist schlichtweg die schwache Nachfrage – der beste Beleg, dass die Nordlipper und Lemgoer ihre Gesundheit auch ohne Notdienst im Griff haben. Vermutlich gehen sie mit ihren Wehwehchen einfach tagsüber zum Arzt und warten nicht auf Feierabend.

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