Lemgo. Unscheinbar wirken die zwei Eichenfässer, die im Labor in Lemgo auf einer Arbeitsfläche stehen. Der Schriftzug "King's County Distillery, January 2014" ziert sie. Doch der Schein trügt. Der Whisky, der in ihnen reift, kommt nicht aus einer Brennerei in New York, sondern aus Lemgo. "Im Moment schmeckt das aber noch wie ein schlechter rauchiger Korn", sagt Braumeister Christian Schulze lachend.
Vor ein paar Tagen ist hier im Institut für Lebensmitteltechnologie (ILT-NRW) an der Hochschule OWL zum zweiten Mal das Projekt Whisky-Produktion gestartet. Einen ersten Feldversuch gab es bereits 2015. Drei Jahre musste er reifen, bis das Ergebnis im vergangenen Oktober präsentiert wurde. Und wie war es? "Exzellent", sagt Christian Schulze. Grund genug, um das Experiment erneut anzugehen. Dieses Mal bekommt Schulze Unterstützung durch den Bachelor-Studenten Michael Neumaier. Er wird während der Reifezeit Proben des Whiskys nehmen und analytisch festhalten, wie sich die Flüssigkeit verändert. "Dabei geht es um die Veränderung der Alkohole, wie etwa Ethanol, aber auch um die Fassinhaltsstoffe und die Entwicklung der einzelnen Aromakomponenten", erklärt der Student. Doch schon vor der langen Reifezeit ist schon reichlich Arbeit in den Whisky geflossen.
Die Herstellung ist aufwendig
Aus verschiedenen Gerstenmalzen wird eine Maische angesetzt. Denn das Ergebnis soll ein Single Malt Whisky werden - damit bezeichnet man einen Whisky, der aus einer einzigen Brennerei stammt und zu 100 Prozent aus Gerstenmalz destilliert wird. Das Gemisch wird dann auf verschiedene Temperaturen gebracht, bei denen die enthaltenen Enzyme zu arbeiten beginnen und Stärke zu Zucker umwandeln. Damit kann dann eine alkoholische Gärung entstehen. Danach geht die Masse in einen Läuterbottich, den man sich als großes Sieb vorstellen kann. Dabei entsteht eine sogenannte Würze, die abgekühlt und mit Hefe versetzt wird. Die Hefe zehrt von dem Zucker und vergärt. Diese Maische ist dann die Grundlage für die nachfolgende Destillation - und das Brennen.
"Wir haben dieses Mal zwei verschiedene Methoden der Destillation angewendet", sagt Christian Schulze. Die eine gleiche der traditionellen Herstellung, ähnlich der Zweifach-Destillation, die für klassische schottische Whiskys verwendet wird. "Bei der anderen Methode verwenden wir eine ähnliche Technik wie beim Obstbrand." Durch die unterschiedlichen Techniken entstehe ein unterschiedlicher Alkoholgehalt - und möglicherweise auch ein unterschiedlicher Geschmack. Das wollen die Lebensmitteltechnologen zumindest mit ihrem Versuch testen. "Am Ende geht es darum zu sehen: Können wir auch solch einen Whisky herstellen, wie in den schottischen Highlands? Nur eben mit unseren einfacheren Mitteln", sagt Michael Neumaier.
Das Fass spielt eine große Rolle
Nach der Destillation geht es für den Whisky in die Eichenfässer. Zu diesem Zeitpunkt ist die Flüssigkeit noch völlig klar - die Farbe kommt erst beim Reifen im Fass. Und auch die Aromastoffe entwickeln sich erst im Laufe der Zeit. Ein Faktor sei dabei, was sich zuvor in den Fässern befunden hat. "Cognac- oder Bourbonfässer werden häufig verwendet, aber auch Sherry- oder Portwein-Fässer", sagt Christian Schulze. Im Lemgoer "Batch No. 2" wissen die Technologen nur, dass zuvor bereits Whisky darin gelagert wurde.
Der finale Geschmack wird also eine Überraschung sein. Ebenso wie der Alkoholgehalt. Denn beim Abfüllen in die Fässer habe der Whisky etwa 50 Volumenprozent Alkohol gehabt, "aber während der Reifung verdunstet Wasser durch die Fässer. Am Ende kann es gut sein, dass wir 70 Volumenprozent erreichen", sagt Schulze. Um den Whisky dann auf Trinkstärke zu bringen, werde dieser mit Wasser vermischt. In Schottland schwöre jede Destille auf ihre speziellen Wasserquellen. Und hier in Lemgo? "Könnte man ja auch mal zur nächstgelegenen Thermalquelle fahren, um die heilende Wirkung zu fördern", sagt Michael Neumaier und lacht. Zu kaufen wird es den Whisky aus "Batch No. 2" ebenso wenig wie seinen Vorgänger geben. Der gute Tropfen bleibt für besondere Anlässe reserviert.
Für den guten Zweck
Das Fachgebiet Getränketechnologie ist in NRW einzigartig. Aus der ersten Whisky-Produktion, die 2015 an der Hochschule OWL angesetzt wurde, ist im vergangenen Jahr eine Flasche versteigert worden. 666,66 Euro brachte der "Innovation Campus Lemgo Whisky Batch NO. 1" ein. Und alles für den guten Zweck: Das Geld ging an die Kita Paulinchen auf dem Kreativ-Campus in Detmold.
Whisky wird in Deutschland immer beliebter
Nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure (BSI) in Bonn trinken inzwischen rund sechs Millionen Bundesbürger regelmäßig Whisky: Den Anteil des Getreidebrands am deutschen Spirituosenmarkt gibt der BSI mit etwa einem Zehntel an. Wie viel Umsatz deutsche Produzenten mit der hochprozentigen Spirituose erzielen, wird laut dem Verband Deutscher Whiskybrenner bislang nicht erfasst.