Lemgoer Fahrlehrer berichtet über den Irrsinn auf den Straßen

Lemgo . Sommer, Hitze, genervte Autofahrer auf den Straßen. Verkehrsregeln scheinen da nur noch wenige zu interessieren. Ein Eindruck? Die LZ fragte bei Sven Bothe nach. Der Fahrlehrer aus Lemgo ist seit Jahrzehnten im Geschäft.

Herr Bothe, täuscht mein Eindruck oder regiert immer öfter der Wahnsinn auf den Straßen?

Sven Bothe : Absolut. Das muss ich mittlerweile auch in den Fahrstunden beachten. Rechts vor links etwa – das gilt für viele offensichtlich nicht mehr. Meinen Fahrschülern sage ich, bremst ab, guckt, ob von rechts einer kommt, aber habt im Außenspiegel auch die linke Seite im Blick. Denn wenn wir vor einer vorfahrtberechtigten Straße abbremsen, überholen uns immer wieder Autofahrer links und knallen im hohen Tempo an uns vorbei. Da kann ich mittlerweile die Uhr nach stellen.

Blinken scheint auch aus der Mode gekommen.

Bothe: Ja, egal ob beim Abbiegen oder auch beim Halten. Überhaupt, viele halten an, wo sie wollen. Vorm Krankenhaus heute in der zweiten Reihe ließ jemand seinen Mitfahrer raus. Wenig weiter wäre eine Busbucht gewesen... Auch im Kreisverkehr wird einfach mal so gehalten. Meinen Fahrschülern sag ich nur noch: ,Gewöhn dich schon mal dran und pass auf.

Hupen, Stinkefinger, Aufblenden – Autofahrer werden auch immer aggressiver...

Bothe: Sie hängen hinten mit ihrem Pkw auf dem Auto, wenn wir die vorgegebene Geschwindigkeit einhalten. Oder überholen halsbrecherisch, um nicht hinter dem Fahrschul-auto zu bleiben. Total gefährlich. Eine Radfahrerin hat erst neulich gegen unser Auto gehauen, weil wir im Kreisel angehalten haben, um Fußgänger am Bruchweg über die Straße zu lassen. Die Passanten bedanken sich mittlerweile, wenn wir sie an einem Zebrastreifen queren lassen. Das ist doch verkehrte Welt.

Woher kommt das Fehlverhalten? Wissen es die Verkehrsteilnehmer nicht besser oder ist es schlicht Ignoranz?

Bothe: Ignoranz. Viele Fahrschüler reagieren auch erstaunt auf die Verkehrsregeln: ,Das macht doch keiner so. Und von manchen Eltern kommen dann Kommentare nach der Prüfung wie: ,Da guckt doch eh keiner nach.

Ist es da Zufall, dass immer mehr Schüler durch die Prüfung fallen?

Bothe: An der Vorbereitung in einer guten Fahrschule liegt das sicherlich nicht. Doch viele wollen einfach schnell durch und sehen nicht, wo sie in Theorie und Praxis stehen. Mit den vorgegebenen Mindeststunden in der Theorie ist es da oft einfach nicht getan. In der Theorie geben wir Lern-Software mit Buch aus. Da kommen schon so Sprüche: ,Was soll ich denn mit dem Buch. Lieber arbeiten viele mit der App auf dem Smartphone, doch da ist die Ablenkung einfach immer groß. Auch die Ansicht ist völlig anders: Stehen dann die Prüfungen auf dem großen Computer-Bildschirm an, sind einige einfach überfordert.

Und in der Praxis?

Bothe: Da mangelt es dann oft an der Konzentration. Was auch viele Eltern einfach nicht wahrhaben wollen: Es braucht Übung und Routine. 30 Fahrstunden sind da im Durchschnitt nötig, aber danach sind die Fahrschüler auch meist sicher unterwegs.

Also Vorsicht bei den Billig-Angeboten?

Bothe: Um die 3000 Euro muss man heute für einen Führerschein rechnen. Bei Anbietern, die es deutlich günstiger versprechen, sollte man meines Erachtens vorsichtig sein.

Herr Bothe, Sie als Fahrlehrer müssen es wissen. Warum fahren auf der Autobahn so viele in der Mitte?

Bothe: Weil alle denken, die rechte Spur ist für die Lkw reserviert. Dabei gilt Rechtsfahrgebot. Das heißt, soweit frei, rechts fahren. Wer permanent in der Mitte unterwegs ist, blockiert letztlich zwei Spuren, weil rechts nicht überholt werden darf. Warum das so viele machen? Vielleicht auch, weil in manchen Fahrschulen die Autobahnstunden nicht ausreichend angeboten werden.

Wer fährt besser, Mann oder Frau?

Bothe: Das kann ich nicht sagen. Keine Ahnung (grinst) – Ausfälle gibt es zumindest auf beiden Seiten.

Mal ehrlich, Sie sind Fahrlehrer, traut sich überhaupt noch jemand, Sie privat im Auto mitzunehmen?

Bothe (lacht) : Ach, da schalte ich ab, bin dann ja nicht im Dienst. Am liebsten sitze ich hinten, vorne hocke ich oft genug. Und wenn mich dann jemand fragt. ,Sag schon, wie bin ich gefahren? – dann sag ich nur: ,Das willst du gar nicht wissen, wenn doch, komm mal bei mir in der Fahrschule vorbei.

Das Interview führte LZ-Redakteurin Katrin Kantelberg.

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