Lemgo. „Lemgo, meine Geburtsstadt, ist schön, für mich war es ein Paradies, bis ja, bis ich merkte, ich sei etwas ANDERES!", schreibt Karla Raveh in ihrem Manuskript über ihr Leben. Die gebürtige Lemgoerin hat den Holocaust überlebt, während beinahe ihre gesamte Familie in den Konzentrationslagern der Nazis ums Leben kam. Ein Video-Porträt zeigt jetzt einen Blick zurück auf das Leben einer Frau, deren Geschichte ganze Generationen berührt hat und immer noch berührt.
1927 geboren wird Karla Frenkel Zeugin des aufkeimenden Judenhasses im Land. Während sie aufwächst, erschweren immer neue Gesetze das jüdische Leben. „Es war für mich furchtbar schwer zu begreifen, dass ich nicht mehr auf der Straße sein konnte. Aus der Schule wurde ich rausgeschmissen, nach der Kristallnacht sofort. Ich war wirklich ein fröhliches wildes Mädchen, aber dann war das vorbei", erzählt Karla Raveh in einem Interview 2015.
Ihr Vater und dessen Bruder werden an diesem 9. November 1938 von der Polizei abgeholt, die kleine Synagoge brennt nieder. Heute erinnert nur noch eine Gedenkstätte daran. Verbote und Schikanen prägen fortan das Leben der jüdischen Familien. Schließlich müssen die Juden ihre Häuser aufgeben. Nur noch drei Häuser in der Hansestadt sollen für alle jüdischen Familien bleiben. Eines der sogenannten Judenhäuser wird das Wohnhaus der Familie Frenkel.
Abtransport ins Lager
1942 ändert sich dann plötzlich alles. Die Bewohner des Hauses werden aufgefordert, sich am folgenden Tag bei der Polizei zu stellen. In der Wache am Marktplatz, dem ehemaligen Ballhaus, werden Karla Frenkel und ihre Familie gefilzt und in Autobusse verladen. Von dort aus geht es in ein Zwischenlager in Brackwede und schließlich nach Theresienstadt bei Prag, ins Ghetto.Zwei Jahre verbringt Karla Frenkel dort, arbeitet auf den Feldern und sieht ihrer Familie beim Abtransport nach Auschwitz zu. Schließlich wird auch Karla nach Auschwitz geschickt, wo sie auf einen Teil ihrer Familie trifft.

Insgesamt vier Konzentrationslager und drei Jahre liegen hinter ihr, als Karla im April 1945 in Salzwedel befreit wird. Nur ihre Großmutter Helene Rosenberg und Karla selbst überleben als einzige Familienmitglieder den Holocaust. Alle anderen zehn Familienangehörigen sterben im Warschauer Getto, in Theresienstadt oder im Vernichtungslager Auschwitz. Nach der Befreiung kommt Karla Frenkel zurück nach Lemgo, lernt hier ihren späteren Mann Szmuel Rubi/Raveh kennen. Mit ihm zieht sie 1949 nach Israel und bekommt zwei Söhne. Seit den späten 80ern kommt sie regelmäßig zurück nach Lemgo, 1988 wird sie zur Ehrenbürgerin ernannt.
Um ihren 90. Geburtstag hier zu feiern, kommt Karla Raveh 2017 nach Lemgo. Nur knapp zwei Wochen später stirbt sie nach kurzer Krankheit im Klinikum Lemgo.
Beerdigt wird Karla Raveh in Israel, an der Seite ihres 1987 verstorbenen Mannes. Hier in Lemgo erinnert eine Gedenkstele an die beeindruckende Frau, die bei denen, die das Glück hatten, sie zu treffen, für ihr brillantes Gedächtnis, ihre hohe Intelligenz, ihren Humor und ihre Authentizität unvergessen bleiben wird.