Hunderte wollen Lemgos Bürgermeisterkandidaten sehen

Lemgo. Mittwoch Abend, und damit zweieinhalb Wochen vorm Wahltermin, haben die drei Bürgermeisterkandidaten vor etwa 150 Lemgoern in der Nicolai-Kirche teils Einigkeit demonstriert, teils aber auch gestritten und ihre Duftmarken gesetzt. Auf Einladung des Stadtkonvents der Kirchen, und wegen Corona erstmals live ins Internet gestreamt, erfuhren die Lemgoer, welche Wahl sie am 13. September haben. Dass sie sie haben, sei ein Verdienst der drei Kandidaten, betonte der lutherische Superintendent Dr. Andreas Lange. &bdquo;Sie leisten einen großen Dienst an der Bürgerschaft", wandte sich der Gastgeber an die Aspiranten.

Dennoch: Eine lange Schonzeit räumte Lange den Anwärtern auf den Chefsessel im Rathaus nicht ein. Hatte er doch zuvor aufgerufen, Fragen zu schicken. Und dabei nutzten Lange zufolge viele Lemgoer die Chance, Verkehr sowie Klimaschutz in den Fokus zu rücken – Streitthemen.

Streitpunkt Klima: Gut geplant oder zu wenig? Pochte doch der parteilose, von der CDU nominierte Markus Baier als Geschäftsbereichsleiter Stadtplanung und Bauen darauf: Lemgo stehe beim Klimaschutz schon gut da. Sagte es, und zog hierzu eine mehr als mannshohe Liste aus der Tasche, mit Themen, die Lemgo auf der Pfanne habe.

Für Dr. Katharina Kleine Vennekate (Grüne) hingegen sind die hier offenen Punkte beim Klima der Grund, &bdquo;warum ich in die Politik gehe". &bdquo;Ich habe bei den jungen Menschen auf dem Marktplatz gestanden", bezog sie sich auf ihre politische Erweckung bei den Fridays-for-Future-Protesten. &bdquo;Wir müssen jetzt die Weichen stellen, dass wir eine Zukunft haben."

Auch Arne Brand (SPD) vermag Lemgos Klimaschutzbemühungen lediglich &bdquo;nett" zu finden. Denn die Umsetzung stehe auf einem anderen Blatt Papier. Etwa: der Stadtwald. &bdquo;Der gibt wirklich ein trauriges Bild ab", so Brand.Dabei allerdings auf das sogenannte &bdquo;Wäldchen" abzuheben, das die Erweiterung des Industriegebiets Lieme hemmt, sei eine &bdquo;Phantomdiskussion", betonte Brand. Zustimmung Baier: Die Ansiedlung einer 500 Jobs starken und klimaneutral arbeitenden Firma einem Gehölzstreifen zu opfern, der andernorts drei Mal auszugleichen wäre, sei nichts anderes als Wahlkampf. Und verantwortungslos, wenn man die Ankündigung eines Lemgoer Unternehmens (Isringhausen, Anmerkung d. Red.) bedenke, Hunderte zu entlassen.

Innenstadt versus Ortsteile &bdquo;Wir müssen all unsere Energie in die Innenstadt stecken", nahm Markus Baier die Corona-getriebene Sorge um die City auf. Und lieferte damit Arne Brand eine Steilvorlage, der in den Ortsteilen das Gefühl wahrgenommen haben will, &bdquo;abgehängt" zu werden. Das Dach an der Bushaltestelle Bredaerbruch, der Bolzplatz und eine bessere Anbindung per Stadtbus – alles in Kirchheide verhindert, griff Brand Baudirektor Baier direkt an. Der entgegnete: &bdquo;Purer Populismus." Dem Bus fehlten die entscheidenden Minuten und neben einem Wohnhaus sei Bolzen lärmtechnisch undenkbar.

Wenn es um das Stadtleben geht, will Kleine Vennekate sich hinter die Gastronomen und Kulturschaffenden stellen. &bdquo;Kultur bedeutet Schönheit – und die ist systemrelevant." Vor allem für die Jugend müsse mehr getan werden. Hinter dem Slogan &bdquo;Weniger Bürokratie, mehr Entfaltung" sortieren sich sowohl die Grüne als auch Arne Brand ein. Markus Baier hält dem entgegen, erst dank gewisser Regeln Qualität zu sehen: &bdquo;Wir brauchen schließlich keine Ein-Euro-Ramsch-Läden."

Beim Radverkehr sind sie sich einig Verkehr – geht in Lemgo immer. Nicht so sehr die &bdquo;Nordumgehung", die Andreas Lange wegmoderierte, sondern vielmehr ÖPNV und die vielen Pkw in der City. Kostenloser Stadtbus? Kleine Vennekate würde die Idee prüfen lassen, während sowohl Baier als auch Brand die Realisten gaben und – mit fetten Corona-Vorzeichen – Finanzierungsbedenken geltend machten. Für eine Förderung von Radverkehr & Co. sind alle.

Steht Baier für den Status quo, versprechen sowohl Kleine Vennekate als auch Brand den Freibetrag bei den Kita-Beiträgen anzuheben. Baier hingegen stellt die Gerechtigkeitsfrage, wenn diese auf immer weniger Schultern lasteten. Außerdem könne Lemgo jeden Euro nur einmal ausgeben – und werde dies mit gewaltigen Investitionen im Bildungsbereich tun.

Viel Applaus gabs für alle drei. Und virtuellen Zuspruch auch. 200 Zuschauer schalteten sich per Livestream in die Kirche.

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