Ein Hahn sorgt in Lemgo für Nachbarschaftsstreit

Lemgo-Laubke. Jennifer Bierhenke hat Ärger am Hals, den sie dadurch loswerden könnte, indem sie denselben umdreht – und zwar ihrem Hahn. Denn der kräht. Das sollen Hähne zwar so an sich haben. Doch wenn es in den frühen Morgenstunden der Fall ist, schwillt den Nachbarn in der Laubke offensichtlich der Kamm. Zumindest gingen Beschwerden beim Lemgoer Ordnungsamt ein, das der Tierhalterin mit 5000 Euro Geldbuße drohte. Sowie Stallpflicht empfahl, oder – Stichwort umgedrehter Hals – Not-Schlachtung.

Kopf ab, Hahn still: Das kommt für die 40-Jährige keinesfalls in Frage. Die selbstständige Diplom-Sozialpädagogin, Heilerziehungspflegerin und Deeskalationstrainerin suchte Hilfe bei der LZ, um den Kastanienhof am Rand der Laubker Siedlung weiterbetreiben zu können. Denn: In der Einrichtung im Lemgoer Süden gehören die Tiere fest zum Programm.

Heile Welt Gäste kommen, da hier mit Blick auf Gänse, Hühner und Pferde einfach heile Welt ist, bestätigt Bierhenke. Auch Kindergarten- und Schülergruppen gehören zu den Besuchern, mit denen die Betreiberin ihr Auskommen findet.

Als die alleinerziehende Mutter von vier Mädchen aber den dünnen Brief des Ordnungsamtes öffnet, fällt sie aus allen Wolken: Um ihre Hühner so artgerecht – sprich: in Freiheit – zu halten, wie bislang, gehe es schlicht nicht ohne Hahn, sagt sie. Er sei quasi der Beschützer der Hennen, wenn der Fuchs alle paar Jahre hungrig vorbeikommt. Im Zweifelsfall opfere sich der Gockel für seine Weibchen. &bdquo;Wenn ein Greifvogel kommt, treibt er seine Hühner zusammen", weiß Bierhenke.

In der Tat bestätigt Dennis Ortmeier, als Geschäftsbereichsleiter bei der Stadt auch für das Ordnungsamt zuständig, dass Bierhenke aufgefordert wurde, den Hahn zwischen 22 und 6 Uhr ruhigzustellen. Von wegen Landesimmissionsschutzgesetz, genauer Paragraf 22. Dass auf telefonische Nachfrage der Kastanienhof-Betreiberin wohl auch das Wort &bdquo;Notschlachtung" gefallen sei, bedauere er. &bdquo;Das sollte nicht sein", sagt Ortmeier.

Abends geht's in den Bauwagen Ein schalldichter Stall hingegen könne tatsächlich eine Lösung sein, pocht der Geschäftsbereichsleiter in der Sache auf geltendes Recht, nach dem Nachbarn durch Tiere maximal &bdquo;geringfügige Belästigungen" hinnehmen müssen. Jennifer Bierhenke hat nun mit Lockmitteln (Futter) den Gockel dazu gebracht, abends in den Bauwagen zu gehen. Nicht schalldicht, aber besser als nichts. Die Türen macht Bierhenke erst um 8 Uhr auf, wenn ihre Kinder in Kindergarten und Schule sind.

Zumindest gegenüber dem Ordnungsamt ist damit Ruhe eingekehrt, bestätigt Dennis Ortmeier. Die Stadt werde von Amtswegen aus nichts weiter unternehmen. Auch das Bußgeld müsse die Kastanienhof-Betreiberin nicht fürchten: Erstens handele es sich dabei um einen Textbaustein, der in einen solchen Brief gehöre, zweitens werde das Ordnungsamt die Situation mit Stall & Co. neu beurteilen, sofern es wieder Beschwerden gibt. Keine Option sei, sofort die 5000-Euro-Rechnung auszustellen.

Für Bierhenke, die tatsächlich schon mal schweren Herzens einen zu lauten Esel abgeben musste, spielt auch noch der Bestandsschutz rein. &bdquo;Der Hof war doch schon immer hier", sagt die 40-Jährige. Dazu komme der Umgebungslärm. Bläst der Wind von Westen ist die Umgehung klar zu hören. &bdquo;Wie auf der Autobahn", sagt Bierhenke. &bdquo;Wie kann ein Hahn da stören?"

Lösung für beide Seiten Das Argument kennt auch Christopher Imig vom Verein &bdquo;Tierschutz der Tat", der das Detmolder Tierheim betreibt. Der Oberstaatsanwalt hat zwei Perspektiven auf den Fall. Die rechtliche: Im Mischgebiet wie der Laubke müssten Tiergeräusche im Zweifelsfall, wenn es zu einem juristischen Streit käme, anders beurteilt werden, als in einem absolut ruhigen Wohngebiet und wiederum anders als in bäuerlicher Umgebung, wo Kühe, Hühner und Wachhunde zum Alltag gehören. &bdquo;Grundsätzlich kann man sagen: Je näher ich der Innenstadt komme, desto kritischer ist es zu sehen", sagt Imig.

Auch als Tierschützer kennt der Vereinsvorsitzende beide Seiten der Medaille. &bdquo;Natürlich freuen wir uns über Geruch und Geräusche von Landwirtschaft", sagt er. Aber alles im Rahmen, dass Nachbarn tatsächlich damit leben könnten. &bdquo;Im konkreten Fall hoffe ich auf eine gute Lösung für beide Seiten, die es dem Hahn erlaubt, weiterzuleben."

Öfter kommt bei Imig, der auch Hundetrainer fortbildet, übrigens das Thema Gebell auf den Tisch. Das sei unter Nachbarn ein größerer Streitpunkt als das Krähen der Hähne, bestätigt denn auch Geschäftsbereichsleiter Dennis Ortmeier. Allein schon wegen der größeren Verbreitung von Hunden. Zwei, drei Fälle kommen mit &bdquo;Problemhunden" in Lemgo im Jahr zusammen, schätzt Ortmeier. An Ärger um ein Nutztier wie den Laubker Hahn kann er sich hingegen nicht erinnern. Das hat sich hiermit nun geändert.

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