Künstler zieht mit Straßenlaterne auf der Schulter durch Lemgo

Lemgo-Brake. Auf einen ungewöhnlichen Rundgang hat der Künstler Jan Philip Scheibe eine kleine Gruppe Lemgoer am Freitagabend mitgenommen. Immer dabei: seine Straßenlaterne und ein Generator, um sie zu betreiben. &bdquo;Shouldered street light" heißt die Performance, die der Lemgoer Künstler schon in Lappland, auf Island oder Lanzarote gezeigt hat – aber bis dato noch nie in seiner Heimat.

Scheibe ist am Spiegelberg aufgewachsen. Eine Laterne stand dort vor seinem Elternhaus. Im Sommer habe sie auf das Feld geschienen, im Winter habe sie den Schnee zum Glitzern gebracht. &bdquo;Die Laterne zeigte mir den Anfang und das Ende meiner Welt", verdeutlicht Scheibe. Für ihn sei sie daher ein Symbol für sein Zuhause, wo alles gut ist. Eines Tages habe er daher die Straßenlaterne in der Hebbelstraße abgeflext. &bdquo;Jetzt habe ich meine Heimat immer dabei", so der Künstler. Wenn er die Leuchte nicht mehr tragen könne, ruhe er darunter. &bdquo;Dort drunter fühle ich mich wohl", sagt er.

Die Lemgoer Landschaft habe seinen Begriff von Natur geprägt und eine wichtige Bedeutung für ihn: 1992 sei ihm hier die Idee dazu gekommen, Licht und Landschaft in der Kunst zu vereinen, als er an den Schienen in Brake entlang ging und ein Sonnenstrahl auf ein gefrorenes Wehr fiel.

Seine Performance startet, wenn die Sonne untergeht, zur sogenannten blauen Stunde im Zwielicht der Dunkelheit. Dieses Mal an der Walkenmühle. Im Gänsemarsch geht es stumm über die Wiese – immer dem Surren des Generators nach. Ganz im schwarzen Anzug gekleidet geht es für Scheibe samt Laterne auf der Schulter durch ein Brennnessel-Feld. Seine Weggefährten bleiben lieber im Gras. Der Anzug hat für den Künstler eine besondere Bedeutung, wie er später erzählt. Er symbolisiere sein altes Ich: den angestellten Designer, der im Büro sitzt und einfach nur raus will und losläuft.

Das alte Ich Weiter geht es durch ein Stück Wald, über eine Steinbrücke und einen schmalen Steg über die Bega. Es fühlt sich an wie früher, als man die Orte in seiner Umgebung mit kindlicher Neugier entdeckte. Scheibe bleibt kurz stehen. Unter ihm rauscht das Wasser das Wehr hinunter. Über ein weites Feld schreitet die Gruppe weiter in die Dämmerung. Ein Angler stapft plötzlich aus dem Gebüsch. Scheibe stellt sich ans Ufer des Bachs und schaut ihm zu. Ab und an lehnt er den Kopf an den Laternenmast. Es ist ruhig.

Jeder hat nun sein eigenes Tempo. Erst vor der nächsten Eisenbrücke findet die Gruppe wieder zusammen. Der schmale Übergang wankt unter der Last. Die Teilnehmer lassen die nächste Wiese hinter sich. Die Augen gewöhnen sich langsam an die Dunkelheit. Scheibe schüttelt sich ab und an die Hand, wechselt die Schulter, auf der die Last liegt.

Der Untergrund verändert sich: die Teilnehmer laufen auf einem Schotterweg entlang einer Baumreihe. Dort ist wieder das Plätschern des Bachs zu hören. Auf den Gleisen kommt Scheibe erneut zur Rast. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn. Nun ist der Weg befestigt. Der Künstler stellt sich an einen Baum und leuchtet ihn mit der Laterne an. Sein Atem ist zu sehen. Die Menschen, die hinter dem wandernden Licht einen gewissen Abstand halten, werfen lange Schatten auf dem Boden.

Der letzte Stopp ist eine Bank, auf die sich Scheibe mit seiner Laterne setzt. Blätter und kleine Zweige säumen anschließend den unebenen Weg. Schon bald sind wieder das Plätschern der Walkenmühle und die Stimmen von Kindern zu hören. Der Generator verstummt, das Licht geht aus und es gibt Applaus. &bdquo;Vielen Dank für die freundliche Begleitung", sagt Jan Philip Scheibe und beantwortet noch einige Fragen.

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