Angriff auf Lemgoer Jugendamt: Mutter muss in Haft

Lemgo. Hasserfüllt blickt die 32-jährige Angeklagte zur Richterbank, während das ihr zustehende letzte Wort wie in Rage aus ihr herausbricht. &bdquo;Wie lange wollen Sie mich in Haft stecken?", fragt sie: &bdquo;Und wenn ich wieder rauskomme, bezahlen Sie für das Elend, das sie mir angetan haben." Genau diese unbändige Wut und ihre teils wahnhaften Fantasien sind es, die der Kammer unter dem Vorsitz von Richter Karsten Niemeyer keine Wahl lassen, als die Haftstrafe gegen die dreifache Mutter von einem Jahr und neun Monaten nicht zur Bewährung auszusetzen.

Der Vater dagegen kommt für den vom Paar begangenen Angriff auf das Lemgoer Jugendamt im vergangenen Sommer wegen gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe davon. Den Vorwurf der versuchten Brandstiftung sieht das Gericht, anders als die Staatsanwaltschaft, nicht bestätigt. &bdquo;Sie wollten Terror machen und ein Fanal setzen", sagt Richter Karsten Niemeyer in der Urteilsbegründung. Doch das Paar hätte nicht vorsätzlich das Gebäude betreten, um das Jugendamt in Brand zu setzen, davon ist die Kammer überzeugt. Rein rechtlich reiche auch das im Gebäude verschüttete Benzin als Vorsatz nicht aus. &bdquo;Sie hatten ja nicht einmal ein Feuerzeug griffbereit", sagt Niemeyer.

Gezielt angegangen und geschlagen Doch die brutale Gewalt gegen die Mitarbeitenden des Jugendamts müsse eine empfindliche Strafe nach sich ziehen, sagt der Richter, auch wenn diese Tat aus Verzweiflung über die ein Jahr zurückliegende Inobhutnahme der drei Kinder erfolgt sei. &bdquo;Meine Mandantin kommt noch immer nicht mit dem Gefühl zurecht, dass ihr jemand nach dem Leben trachten wollte", sagt Rechtsanwältin Anke Reese als Nebenklagevertreterin in ihrem Plädoyer. Sie vertritt die langjährige Sozialarbeiterin, die als Sachbearbeiterin vom Paar gezielt angegangen und mehrfach geschlagen wurde.

Nur der Ehemann, der die Ausraster seiner Frau vor Gericht stillschweigend hinnimmt, entschuldigt sich noch einmal für die Taten, verstrickt sich dann aber auch wieder in Erklärungsnot. &bdquo;Alles, was ich mir erarbeitet habe, ist an einem Tag kaputt gegangen", sagt der 35-Jährige. Staatsanwalt Alexander Görlitz nimmt ihm das nicht ab. Er fordert in seinem Plädoyer sogar vier Jahre Haft für den Angeklagten. &bdquo;Dass er nur drohen wollte, ist eine reine Schutzbehauptung." Für die Frau seien drei Jahre Haft angemessen.

Schuldfähigkeit in Frage Die eigentlich zentrale Frage nach dem aufbrausenden und teils wahnhaften Auftreten der Mutter ist zum Abschluss, inwieweit diese überhaupt schuldfähig sein kann. Der Sachverständige Psychiater Dr. Gerhard Dankwarth attestiert der Angeklagten – nach der Aktenlage – eine Psychose, hält auch eine paranoide Schizophrenie für möglich. &bdquo;Wir haben hier schon gesehen, dass sie an einer wahnhaften Realitätsverkennung leidet", sagt Dankwarth.

Er könne nicht ausschließen, dass die Frau zur Tatzeit in einem Zustand verminderter Schuldfähigkeit gehandelt habe. Doch genauso deute die Tatsache, dass die Tat geplant und gemeinschaftlich begangen wurde, daraufhin, dass die Angeklagte nicht in einer akuten Psychose gehandelt haben könnte. Eine Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung komme daher nach formellen Kriterien nicht infrage. &bdquo;Ich glaube auch nicht, dass es ihr etwas bringen würde", sagt der Gutachter. Die 32-Jährige wolle sich nicht behandeln lassen.

Wieder auf das Wohle der Kinder konzentrieren Da die Mutter nach Auffassung des Gerichts noch immer eine Gefahr darstellt, komme keine Bewährung infrage. &bdquo;Ihre Gedankenwelt kreist nur um den Verlust der Kinder", sagt Richter Karsten Niemeyer. Es sei nicht auszuschließen, dass sich die Angeklagte erneut auf den Weg zum Jugendamt mache und wieder eine Straftat begehe. Ihre Verteidigerin Deborah Weinert hatte zuvor eine Bewährungsstrafe gefordert. Ihr Kollege Martin Mauntel hatte für seinen Mandanten sechs Monate auf Bewährung als angemessen erachtet.

Die Mitarbeitenden des Lemgoer Jugendamts scheinen nach dem Urteil für einen kurzen Moment aufzuatmen, so lässt es zumindest ein Blick durch den Zuschauerraum vermuten. &bdquo;Es wär schwer gewesen, zu erklären, dass die Mutter nicht mehr in Haft sitzt", sagt Thomas Portong, Geschäftsbereichsleiter für Jugend und Schule. Eine Zusammenarbeit mit der Mutter wäre nach allem, was passiert sei, kaum vorstellbar. Doch nun müsse man sich wieder auf das Wichtigste konzentrieren: &bdquo;Wie es zum Wohle der Kinder am besten weitergeht."

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