Lemgo. Goldgelb kommen die Strohsemmeln aus dem Ofen. Die Hitze ist zu spüren. Es knistert richtig, wenn Bäckermeister Michael Korf die abgekochte Kartoffelstärke auf die frische Backware aufträgt. Rund 1000 Stück verlassen täglich seine Backstube, denn das Lemgoer Traditionsgebäck aus herzhaftem Hefeteig ist beliebt wie eh und je.
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Am Donnerstag, 3. Juni, gibt's die LZ für alle in Lippe frei zu lesen. Das ePaper ist ohne Abo zugänglich und viele Geschichten, die normalerweise als LZ-Plus-Artikel veröffentlicht würden, laden alle zum Schmökern ein.„Strohsemmeln backen wir den ganzen Tag über", berichtet der Inhaber der Bäckerei Strate. Nachts gleich als erstes und zwischendurch auch immer wieder. Die Nachfrage sei groß – nicht nur von der Laufkundschaft an den Standorten in Lemgo und Dörentrup, sondern auch in Form von Bestellungen. Auch nach Detmold, Lage und Bad Salzuflen werde geliefert, weiter aber nicht. Die Strohsemmel bleibt eine Spezialität der Alten Hansestadt und wird von den Handwerksbäckern in Handarbeit hergestellt.
Bäckergeselle Pascal Pohlmann macht sich an den Teig. Zu Beginn des Produktionsprozesses wird als erstes Mehl in den Kneter gegeben. Außerdem gehören Wasser, Milch, Salz, Zucker, Malz, Backhefe und pflanzliches Fett zu den Zutaten. Ist alles vermengt und geknetet, kommt der Teig auf die Arbeitsfläche, wo er einen Augenblick entspannen kann.

Soldaten brachten das Rezept mit aus Russland
„Ursprünglich haben wir Schweine-Schmalz verwendet", erklärt Michael Korf. Auf Wunsch von Kunden mit Migrationshintergrund, die kein Schwein essen, und dem allgemeinen Trend hin zu mehr pflanzlichen statt tierischen Fetten wurde jedoch umgestellt – mittlerweile bei allen Produkten. Der Betrieb versuche zudem, mehr vegane Waren anzubieten, die Nachfrage sei größer geworden.
Langsam nehmen die Strohsemmeln ihre Form an. Der Teig wird in der Abpressmaschine zu kleinen Kugeln verarbeitet, jeweils 68 bis 70 Gramm schwer. Danach drückt Michael Korf sie beim sogenannten Stippen platt und gibt gleichzeitig das typische Muster in die Strohsemmeln hinein. Damit der Stempel nicht klebt, wird er zwischendurch immer wieder in eine Lösung aus Kartoffelstärke getaucht. Auf der anderen Seite der Arbeitsfläche übernimmt Pascal Pohlmann den nächsten Schritt und versenkt die Teiglinge im Wasserbad, damit sich die Poren schließen. Danach werden sie auf langen, eingefetteten Strohhalmen auf einem Backblech platziert.
Die Herstellungsart ist das Besondere an der Strohsemmel. Einer alten Überlieferung zufolge soll das Rezept von einem Bäckergesellen und Soldaten, der am napoleonischen Krieg in Russland beteiligt war, nach Lippe gekommen sein. Nach russischer Sitte wurden die Hefeteigstücke vor dem Backen überbrüht, was die lange Haltbarkeit gewährleistete. Da es kein Backblech gab, wurden sie auf einer Lage Roggenstroh gebacken – und das ist bis heute so geblieben.
Roggenstroh für die richtige Lagerung
„Wir verwenden Roggenstroh, am liebsten Bio", sagt Michael Korf. Einmal im Jahr gehe es dafür nach Voßheide. Auf den Geschmack wirke sich dies nicht aus. Wohl aber rieche man es, wenn das Stroh frisch sei. Und hier und da wandert auch mal ein Stückchen Stroh mit in die Tüte – was daran liege, dass das Stroh nach mehrmaligem Gebrauch porös werde.
Soweit ist es aber noch nicht. Zunächst kommen die fertig geformten Teiglinge in den Gärraum, wo sie unter Zugabe von Luftfeuchtigkeit größer werden. An wärmeren Tagen bleiben sie einfach in der Backstube stehen, bevor es für 12 Minuten in den Ofen geht. Danach erfolgt der Anstrich mit abgekochter Kartoffelstärke, durch den die Strohsemmeln ihren typischen Glanz erhalten und zudem saftiger bleiben. Nach dem Abkühlen werden sie einzeln vom Stroh abgesammelt. Echte Handarbeit eben.