Alte Tankstelle am Lemgoer Regenstor geht vor dem Abrissbagger in die Knie

Lemgo. Das Votum zum Abriss der alten Tankstelle am Regenstor war gerade einmal zwei Nächte alt, da rückte am Mittwochmorgen bereits der Bagger an. Baudirektor Karl Wessel ließ angesichts der von einem Gutachter diagnostizierten akuten Einsturzgefahr keine Zeit mehr verstreichen. Schon am Jahresende hatte ein Abrisstermin festgestanden – wegen Protesten, unter anderem seitens eines Kaufinteressenten und des Vereins &bdquo;Alt Lemgo", war er zunächst verschoben worden.

Am Mittwoch, nachdem sich die Politiker zum Wochenstart hinter die Verwaltung gestellt und den Daumen über der &bdquo;Tanke" gesenkt hatten, gab es dann kein Halten mehr. Zumindest nicht fürs Schwingendach, nachdem der Abrissunternehmer Martin Stölting mehrfach dran gezerrt und gezogen hatte – die Stützen knickten Richtung Gebäude ein. Das Zerlegen in kleinere Bruchstücke war danach nur noch Formsache.

Als nächstes kommt die Altlasten-Analyse Nach Angaben von Wessel bleiben im Boden vorerst noch die Fundamente sitzen, so steht noch die Altlasten-Untersuchung wegen des früheren Tankstellenbetriebes an.

Schon Ende 2021 hatte das Bauamt den Bereich unter dem nicht denkmalgeschützten Dach absperren lassen und mit akuter Einsturzgefahr argumentiert. Sanierungskosten, die in keinem Verhältnis zum Gewinn stünden, wurden angeführt. &bdquo;Das Dach zerfällt einem quasi unter den Fingern", warnte Geschäftsbereichsleiter Karl Wessel.

Niederlage für Oldtimer-Freund Sven-Eric Bierhenke Widerstand kam vom Lemgoer Immobilienmakler und Oldtimer-Freund Sven-Eric Bierhenke, der die Tankstelle kaufen, sanieren und als Bildungsstandort unter anderem für die TH OWL betreiben wollte. Auch eine Kooperation mit dem künftigen Betreiber des Campingplatzes hielt Bierhenke für möglich. In einem Schreiben an Bürgermeister, Bau- und Immobilienverwaltung, Stadtrat und den Arbeitskreis Campingplatz versprach er eine &bdquo;Sanierung des Schwingendaches in einer vorgegebenen Zeit", etwa zwei Jahre.

Zum Zustand verwies Bierhenke seinerzeit auf das Angebot eines Bauunternehmens aus Detmold, das ihm die Sanierung unter anderem durch Flüssigkunststoff-Abdichtung für insgesamt 50.000 Euro anbiete.

Da war das öffentliche Interesse an dem Gebäude schon so groß, dass sich auch der Verein "Alt Lemgo" einschaltete. Er beantragte, ebenso wie später der Automobil-Club, den Erhalt des Tankstellendaches. Thomas Menking von "Alt Lemgo": "Viele Bürger können sich noch an die Frühzeit der breiten Automobilisierung in unserer Stadt erinnern. Das ehemalige Tankstellenensemble ist ideal als Ort lebendiger Erinnerung geeignet, es hat Potenzial für Ausstellungen, Feiern, Treffs und andere kleine Events."

Heimatbund springt mit neunseitigem Gutachten bei Auch der Lippische Heimatbund sprang mit einem neunseitigen Gutachten bei. Er stellte eine Einschätzung des zuständigen Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Frage, der der Tankstelle Denkmalpotenzial abgesprochen habe, da diese zu oft umgebaut und nicht mehr original genug erhalten sei. Wer zu diesem Ergebnis komme, dem fehle an offensichtlich an Detailwissen, so die Kritik des Heimatbundes. Das Dach sei Wiedererkennungsmerkmal aller in der BRD gebauten BP-Tankstellen der 60er gewesen, das würdigten auch Veröffentlichungen in vielen Architekturzeitschriften, so der Heimatbund.

Mit seiner geharnischten Kritik konnte aber auch der Dachverband der lippischen Heimatvereine die Entscheidung nicht mehr abwenden oder umbiegen. Wie vom Bauamt gewollt und von der Politik abgenickt, schlug am Mittwoch die letzte Stunde des Schwingendaches. Beinahe hätte dieses beim Abriss noch einen Teil der alten Tankstelle selbst erwischt.

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