Nach der Gesamtschule stoßen auch MWG und Realschule an Grenzen

Lemgo. Die zumindest von den Eltern jedes Jahr mit Spannung erwarteten Anmeldezahlen für die weiterführenden Schulen, aus denen sich Klassengrößen herauslesen lassen, liegen der LZ vor: Das Marianne-Weber-Gymnasium (MWG), die Karla-Raveh-Gesamtschule und die Realschule Lemgo präsentieren sich gewohnt bärenstark. Auch das Engelbert-Kaempfer-Gymnasium (EKG) schafft 2023 die Trendwende und steigt bei den Fünftklässlern wieder dreizügig ein. Die Heinrich-Drake-Hauptschule startet mit einer Klasse.

Die Zahlen im Einzelnen hat Thomas Portong, städtischer Geschäftsbereichsleiter Jugend und Schule: MWG 125 (plus 10), EKG 64 (plus 15), Realschule 136 (plus 25), Gesamtschule 210 (plus 31), Hauptschule 18 (minus 10). Wie immer können an der Karla-Raveh-Gesamtschule nur 174 Schüler aufgenommen werden.

"Wir stoßen an Grenzen" Über alle Schulformen gerechnet, ergibt sich für Lemgo ein Anmeldeplus von etwa 70 Schülerinnen und Schülern gegenüber 2022. Ein Zuspruch, der auch von außerhalb kommt, wie Thomas Portong als Chef des Schulamts weiß. Ein Zuspruch aber auch, der inzwischen hier und dort an Grenzen stößt. Vor allem, was die Räume angeht.

So ist am MWG, das zum zweiten Mal in Folge deutlich über 100 Anmeldungen den Strich zieht, das "räumliche Potenzial erschöpft", wie Portong sagt. 125 Schüler sind dieses Jahr neuer Rekord und fünf mittelvolle Klassen. 30er-Klassen hätten die Räume gar nicht hergegeben, bestätigt Direktor Markus Herrmuth. Zeitnah sollen daher die Klassen im Südtrakt durch einen Anbau vergrößert werden: Lemgos Antwort auf den starken Andrang am MWG, sagt Thomas Portong. "Aber auch das bauliche Ende der Fahnenstange".

MWG seit langem wieder fünfzügig Immerhin darf sich MWG-Leiter Markus Herrmuth auf die Ausschreibung einer festen, neuen Lehrerstelle freuen. Während der Markt für Vertretungskräfte, die beispielsweise bei Kolleginnen und Kollegen in Schwangerschaft oder Elternzeit einspringen, nicht nur im Kreis Lippe absolut leer gefegt sei, könne das Kollegium so die zusätzliche Klasse gut aufnehmen. So wird das MWG im Sommer 2023 zum ersten Mal seit etwa zehn Jahren fünfzügig starten.

Der Zuwachs kommt laut Markus Herrmuth gleichmäßig aus allen Lemgoer Grundschulen, aber auch gleichmäßig aus den Nachbarkommunen. "Das neue Schüler-Westfalenticket hat sich nicht stärker ausgewirkt", hätte der Direktor durchaus mit anteilig noch mehr auswärtigen Jungen und Mädchen gerechnet. Gezogen hat auch die bilinguale Profilklasse, in der am MWG mehr Englisch unterrichtet wird. Das Gymnasium hat hier 40 Anmeldungen, sodass eineinhalb "Bili-Klassen" zustande kommen, dazu eine "halbe" Sportklasse.

Dem EKG gelingt die Trendwende Für das EKG freut sich Vize-Direktor Thorsten Lüngen über immerhin 64 Anmeldungen. Eine Rückkehr zu den früher durchaus üblichen 80 wäre noch besser gewesen, meint er. Aber nach dem Tiefpunkt mit nur 49 Schülern 2022 lautet der Trend an Lemgos ältestem Gymnasium &bdquo;aufwärts“. So können nun im kommenden Schuljahr wieder drei Klassen eingerichtet werden, die jeweils wieder das MINT- und Bläserklassenprofil sowie unser Offenes Profil berücksichtigen, sagt Lüngen.

Mit Blick auf MWG und EKG, die in der Oberstufe zusammenarbeiten, spricht auch Schulamtschef Portong von einem "Trend zugunsten des MWG, der sich verstetigt hat". Noch vor einem Jahrzehnt schwankte die Spitzenposition zwischen beiden Gymnasien traditionell eigentlich immer hin und her, doch das scheint vorbei. "Wenn sich die Disbalance verstärkt, müssen wir uns sicher irgendwann etwas überlegen", deutet Portong an, dass dann das MWG entweder Schüler ans EKG abweisen oder Schüler von außerhalb gar nicht aufgenommen werden könnten. Letzteres würde zuvorderst Kommunen betreffen, die ebenfalls ein Gymnasium haben, etwa die Stadt Lage.

Realschule ist "OP am offenen Herzen" Apropos Nachbarkommunen: Für die ebenfalls pickepackevolle Realschule gibt es eine solche Ablehnungsregel bereits, dass Auswärtige zuvorderst abgewiesen werden müssen, wenn mehr als fünf Klassen zustande kommen. Mit 136 Anmeldungen, nicht wenige davon aus Kommunen ohne Realschule, ist die Schule von Rektorin Dorit Meier nicht weit davon entfernt. "Eine höchst erfreuliche, gute Zahl", sagt Meier. Dies bestärke die Realschule in ihrem Kurs, durch Um- und Neubau mehr Platz zu bekommen.

Zunächst einmal ist ein weiterer fünfzügiger Jahrgang - im Sommer verlässt der letzte mit "nur" vier Zügen die Schule - aber auch eine Herausforderung. Dazu kommt seit dem verstärkten Flüchtlingszuzug eine internationale Klasse. Für den laufenden Umbau im Verwaltungstrakt sind bereits provisorische Modulklassen aufgestellt worden. "Da werden wir sicher irgendwann eine zweite Etage draufsetzen", sagt Dorit Meier. Spätestens wenn an der Stelle der Fahrradständer-Anlage der Neubau stehe und mit der Sanierung des denkmalgeschützten Altbaus begonnen werde. Geschäftsbereichsleiter Portong spricht bei der Realschule von einer "OP am offenen Herzen".

Gesamtschule kann nicht alle nehmen An der Gesamtschule werden einmal mehr 174 Schüler aufgenommen, aber 210 wollten hin. Das bedeutet: Ablehnungsgespräche, die weh tun und Eltern enttäuschen. Lediglich ein Mal (2021/22) war das in der gesamten Geschichte der Karla-Raveh-Gesamtschule nicht der Fall, da waren es "nur" 167 Anmeldungen. Die Kinder kommen aus dem Kreisgebiet, mit einem Schwerpunkt allerdings auf Lemgo (80 Schüler), wie Schulleiter Bernd Hendig weiß. Weiter stark vertreten sind auch Blomberg, Dörentrup, Extertal und Barntrup.

Als Gründe für den insgesamt hohen Zuspruch sieht Hendig den "guten Ruf der Schule", aber auch den räumlichen Charakter als Campus-Schule mit einer "erstklassigen Struktur". Allerdings komme diese bei den hohen Schülerzahlen inzwischen auch an Kapazitätsgrenzen. Hendig: "Die Klassen sind weiterhin voll." Vor allem in der Oberstufe kneift es. Geplant ist die Gesamtschule in der Oberstufe, die mit dem Abitur abgeschlossen werden kann, dreizügig. Diesen Weg gehen dieses Jahr aber 93 Schüler weiter - das sei "insgesamt stabil".

Hendig freut sich, dass der Anmeldeüberhang nicht weiter wächst, weil dies immer Nachzügler und zusätzlichen Druck auf die anderen Schulformen in Lemgo bedeute. Mit rein spielt, dass die Alleinstellungsmerkmale der Gesamtschule (G9, also das Abitur nach 13 Jahren, und der Ganztag) mittlerweile auch anderswo (wieder) geboten werden.

Hauptschule steht schwächer da Mit etwas weniger Anmeldungen muss sich schließlich die Hauptschule einrichten, bestätigt Vizerektor Klaus Naber. Hier stehen aktuell 18 Anmeldungen in den Büchern, deutlich weniger als im Vorjahr. "Die Hauptschule wird einzügig starten, so viel steht fest", sagt denn auch Thomas Portong. Gleichwohl wächst die Zahl der Schüler hier traditionell noch, wenn Eltern etwa die versäumte Anmeldung nachholen. Zudem bekommt die Hauptschule nach der Erprobungsstufe mehr als andere Wechsler von höheren Schulformen ab.

Thomas Portong ist überzeugt: "Wir haben eine tolle Hauptschule mit einer tollen Berufsorientierung". Leider bilde das Anmeldeverhalten der Eltern und Schüler das in den vergangenen Jahren nicht immer ab. Andere Städte haben ihre Hauptschulen mangels Nachfrage bereits komplett geschlossen. In Lemgo dagegen reichte es in den vergangenen Jahren eigentlich immer noch für rund 30 Anmeldungen an der Hauptschule, die nächstes Jahr zeigen muss, ob 2023 als Ausreißer in die Geschichte eingehen wird.

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