Holocaust-Überlebender spricht zu Lemgoer Schülern

Lemgo. Ivar Buterfas-Frankenthal ist unermüdlich. Der 91-Jährige hat seine Lebensgeschichte an unzählige Jugendliche und junge Erwachsene weitergegeben, über 1500 Mal schon an Schulen und Universitäten gesprochen. Als &bdquo;Halbjude“ wuchs Buterfas-Frankenthal in der Zeit des Nationalsozialismus auf. Am Dienstag sprach der Holocaust-Überlebende im Marianne-Weber-Gymnasiums (MWG) vor rund 450 Lemgoer Schülern, am Tag zuvor hatte er schon in Detmold gesprochen.

Seit mehr als 30 Jahren hat es sich Ivar Buterfas-Frankenthal zur Aufgabe gemacht, die Erinnerungen an die Zeit des Nationalsozialismus aufrechtzuerhalten. Unterstützt wird er dabei stets von seiner Frau Dagmar. Dass er nun nach Lemgo gekommen ist, ist Martin Sczech zu verdanken, Lehrer am Hanse-Berufskolleg.

Von Markus Lanz nach Lemgo Er hat Buterfas-Frankenthal in der Fernseh-Talkshow &bdquo;Markus Lanz“ gesehen. &bdquo;Seine Geschichte hat mich emotional tief berührt“, sagt Sczech im LZ-Gespräch. Er beschäftigte sich tiefergehend mit Buterfas-Frankenthal und fand heraus, dass er auch an Schulen spricht.

&bdquo;Ich habe im Internet nach einem Kontakt gesucht und Ivar Buterfas-Frankenthal eine Nachricht geschickt. Ich hatte keine große Hoffnung, dass sich jemand zurückmeldet, doch direkt am nächsten Tag rief er mich persönlich an, um über seinen Besuch in Lemgo zu sprechen“, erzählt Sczech.

Danach ging die Arbeit erst richtig los, denn der Besuch musste akribisch durchgeplant werden. &bdquo;Ivar Buterfas-Frankenthal hatte genaue Vorstellung, wie der Vortrag ablaufen sollte, sei es die Beleuchtung oder der Ton in der Aula“, sagt Sczech. Unterstützt wurde er bei den Vorbereitungen von Ingrid Krah von der Stadt Lemgo, die die Schulen mit ins Boot holte.

&bdquo;Die Demokratie steht auf dem Prüfstand“ Den Lemgoer Schülern erzählte Buterfas-Frankenthal unter anderem von seiner Kindheit im Dritten Reich. Er ist am 16. Januar 1933 in Hamburg geboren – zwei Wochen vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Sein Vater war Jude, seine Mutter Christin. Er war der Jüngste von insgesamt acht Kindern. Bereits kurz nach der Machtergreifung kam der Vater ins Konzentrationslager Esterwegen im Emsland. Die restliche Familie wurde in einem &bdquo;Judenhaus“ untergebracht. &bdquo;Dort gab es keinen Strom, kein fließendes Wasser“, erinnerte sich Buterfas-Frankenthal.

Besonders eindringlich schilderte er einen Vorfall als Sechsjähriger in der Schule. &bdquo;Ich wurde vom Schulhof gejagt.“ Kinder traten auf ihn ein, bespuckten ihn. &bdquo;Wir rösten die kleine Judensau, haben sie gerufen.“ Nur durch die Hilfe von Passanten sei ihm die Flucht nach Hause gelungen.

Dank eines Freundes der Familie, der bei der Gestapo tätig war, konnte die Familie in die Tucheler Heide fliehen. Als der Aufenthalt dort aufflog, ergriff sie erneut die Flucht. Sie ging nach Hamburg zurück und lebte dort zunächst in einem Kleingartenhäuschen, dann im Keller eines von einem Bombenangriff zerstörten Gebäudes.

All das erzählt Ivar Buterfas-Frankenthal ruhig, fast routiniert - und seine Lebensgeschichte fesselt die Schüler. Obwohl er über eine Stunde redet, folgen sie seinen Erzählungen gebannt.

Der Holocaust-Überlebende spricht auch aktuelle Entwicklungen an, spricht vom Erstarken der &bdquo;Alternative für Deutschland“ (AfD) und den bundesweiten Demos gegen die Partei, wie es sie jüngst auch auf dem Detmolder Marktplatz gegeben hatte. Sie geben ihm Hoffnung, denn die Demokratie in Deutschland stehe auf dem Prüfstand. &bdquo;Deutschland wacht endlich auf“, sagt er mit kräftiger Stimme.

Schüler stellen dem Zeitzeugen viele Fragen Nach seinen Ausführungen bekommen die Schüler die Möglichkeit, Fragen zu stellen. &bdquo;Nutzt die Gelegenheit“, sagt Buterfas-Frankenthal, &bdquo;denn ihr werdet nicht mehr lange die Möglichkeit haben, mit einem Zeitzeugen zu sprechen“. Und so wird die Schlange von Schülern mit Fragen schnell länger und länger. Der 91-Jährige nimmt sich die Zeit und beantwortete jede einzelne Frage.

Vor allem die aktuellen Entwicklungen rund um die AfD interessieren die Lemgoer. So fragt eine Schülerin: &bdquo;Sind Sie für ein Parteiverbot der AfD?“ Buterfas-Frankenthal hält ein Verbot für schwierig. &bdquo;Die Partei würde dann im Untergrund weiter agieren und wäre schwierig zu fassen.“ Wichtiger sei es, die Menschen, die mit der Partei sympathisieren, zurückzugewinnen. &bdquo;Dann verschwindet die AfD genauso schnell, wie sie gekommen ist.“

Ragnar Steven Stahl, Schüler aus der 12. Jahrgangsstufe am MWG, lauscht ebenfalls aufmerksam den Worten Buterfas-Frankenthals. Er sehe seine Generation in der Verantwortung, möglichst viele Eindrücke und Erfahrungen von Zeitzeugen zu sammeln, um diese auch an künftige Generationen weitergeben zu können. Er selbst fuhr schon mit einem Projektkurs des MWG zum Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Besonders berührt habe ihn die Schilderung von Buterfas-Frankenthal auf dem Schulhof. &bdquo;Von Erlebnissen dieser Art in der damaligen Zeit hat man schon gelesen. Es persönlich von einem Zeitzeugen zu hören, der diese Erlebnisse selbst durchmachen musste, ist noch mal ein anderes Kaliber.“

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