Mit Fotos: Plötzlich Denkmal - was das für die Lemgoer Besitzer bedeutet

Lemgo. &bdquo;Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen“, sagt Markus Stahl - als er erfuhr, dass sein Haus auf die Denkmalliste der Stadt kommen sollte, schwante ihm zunächst eins: Ärger. Gerade hatte er die Doppelhaushälfte seiner verstorbenen Mutter übernommen und wollte sie umbauen, da klopfte das Denkmalamt an. Was würde das für den weiteren Umbau bedeuten?

Mit Martin Kämper vom Denkmalamt steht er im Flur des altes Hauses und kann wieder lachen. In den kommenden Wochen rücken die Handwerker an und gerade haben er und Johanna Schlotthauer aus der benachbarten Doppelhaushälfte ihre Denkmal-Plaketten erhalten. Die Sorgen von Markus Stahl hat Denkmalpfleger Martin Kämper entkräftet und mittlerweile kann der Lemgoer auch die Vorteile der Unterdenkmalstellung sehen: Für Umbauten gibt es zum Teil Fördergelder, abgesprochene Maßnahmen können von der Steuer abgesetzt werden und viele gute Tipps habe er überdies erhalten.

Erbaut 1920 für Kriegsheimkehrer Das Doppelhaus an der Moritz-Kabaker-Straße 18/20 ist eines der jüngsten auf der Denkmalliste der Stadt. Sechs Doppelhäuser ließ die Moritz-Kabaker-Stiftung 1920 bauen, von denen das Haus 18/20 im Wesentlichen noch dem damaligen Bau entspreche, so der Denkmalpfleger und verweist auf originale Bauteile, die volkskundliche Bedeutung als Bau einer jüdischen Stiftung und die Siedlungsentwicklung nach dem Ersten Weltkrieg.

Damals zählte Moritz Luis Kabaker, Sohn russisch-jüdischer Eltern, zu den großen Unternehmern der Stadt. Mit der Produktion von Zigaretten und Zigarren hatte er sein Geld gemacht und beschäftigte in den 1920er Jahren im Betrieb in der Schuhstraße über 500 Mitarbeiter. Es waren seine Söhne Hugo und Hilmar Kabaker, die angesichts des Leidens im Ersten Weltkrieg die Moritz-Kabaker-Stiftung gründeten. Mit dem Ziel, Wohnhäuser für Kriegsrückkehrer zu schaffen.

Im Juni 1918 stellte der Magistrat der Stadt die notwendigen Flächen am Pahnsiek zur Verfügung und nach genau vorgegebenen Entwürfen von Stadtbaumeister E.O. Müller entstanden dort 1919 sechs Doppelhäuser, die 1920 an die Siedler übergeben wurden. Die Doppelhaushälften Nr. 18 und 20 spiegeln noch heute eben diese Vorgaben wider. Die Fassade ist mit Steinbalustrade, Kalkstein und Spritzputz verkleidet und auch die ehemals verandaähnlich angelegten offenen Hauseingänge sind, wenn auch mittlerweile geschlossen, noch erhalten. Wohnküche, Zimmer und Waschküche waren im Erdgeschoss vorgesehen, drei Räume in der oberen Etage. Dazu gab es noch Keller, Heuboden und den Stall für Schwein, Ziege und Hühner.

Alte Bohlen unter vielen Schichten Teppich Johanna Schlotthauer hat ihre Haushälfte Nr. 18 schon 2007 gekauft, der Umbau ist im Wesentlichen abgeschlossen. Wo ehemals der Stall war, ist jetzt die Küche zu finden. Unter Linoleum, Hartfaser und Teppichschichten kamen schöne alte Dielenbohlen zutage. Wände hat sie eingerissen und das Erdgeschoss damit durchlässiger gestaltet. Etwa 90 Quadratmeter Wohnfläche stehen ihr zur Verfügung, jedes Zimmer hat seinen eigenen Charme. Die Wände mitunter etwas dellig, die Böden nicht immer ganz gerade, doch eben &bdquo;das macht den Altbau aus“.

Nebenan in Hausnummer 20 stehen die Renovierungsarbeiten noch an. Die Wände im Erdgeschoss will Markus Stahl belassen, dort, wo ganz früher die Wohnküche war, möchte er Wohnzimmer, im angrenzenden Raum das Esszimmer gestalten. In dem eine Stufe tiefer gelegenen ehemaligen Stall und Wirtschaftsraum will er Küche und Bad einrichten. Noch weiß er nicht, was ihn unter dem Teppich erwartet, wohl aber kann er sich schon an der alten Holztreppe erfreuen, auch die Holztüren im oberen Geschoss sind fast im Original erhalten.

Er kennt die Tücken des Hauses Über Jahrzehnte hat seine Familie in dem Haus gewohnt, er kennt die Tücken, die niedrigen Vorsprünge im Treppenaufgang, die ihn mittlerweile ganz selbstverständlich den Kopf einziehen lassen, ebenso wie bei den niedrigen Türrahmen zum ehemaligen Stall. Wie lange das Haus schon im Familienbesitz ist? Genau weiß es der 53-Jährige nicht, vermutlich aber sei ein Großonkel nach dem Ersten Weltkrieg der erste Besitzer des Hauses gewesen.

Der Blick aus dem Fenster geht hinaus in den großen Garten mit altem Baumbestand: 700 Quadratmeter inklusive Baugrundstück, so sah es die Kabaker-Stiftung vor; zum Selbstversorgen, als Acker für Gemüse und Kartoffeln und als Grünfläche für Ziege, Schweine und Hühner.

Der Grundriss des Doppelhauses war dabei spiegelbildlich angelegt und die ursprüngliche Raumstruktur ist im Wesentlichen noch heute erhalten. Von Denkmalwert, so schreibt die Stadt, sind Außenfassade, Dächer, Fenster- und Türöffnungen als auch die bauzeitlichen Geschossdecken und Grundrisse einschließlich der Treppen, Türen und Fußbodenbeläge.

Zeugnis des Miteinanders Initiiert und errichtet durch die Moritz-Kabaker-Stiftung, einer Stiftung von jüdischen Bürgern, belegen die Häuser, wie gut die jüdischen Mitbürger damals in der Stadtgesellschaft integriert waren und zeugen vom sozialen Engagement für die Not leidende Bevölkerung, so das Denkmalamt. Zudem stünden die Häuser exemplarisch für die Siedlungsentwicklung Anfang der 1920er Jahre.

Und Markus Stahl? Er nimmt die Denkmal-Plakette mittlerweile gerne entgegen. Statt auf Kunststoff-Fenster setzt er beim Umbau auf Holzrahmen, &bdquo;sieht auch besser aus“, ansonsten muss er beim Umbau relativ wenig ändern, auch Dämmung wäre möglich. Bei den neuen Eingangstüren, da ist dann auch seine Nachbarin Johanna Schlotthauer wieder mit im Boot, denn die stehen auch bei ihr noch an. &bdquo;Die Türen sollten sich in der Optik schon entsprechen“, erklärt Denkmalpfleger Martin Kämper. Und Markus Stahl und Johanna Schlotthauer? Die freuen sich drauf.

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