„Schöne Aussicht“ in Lemgo: Der Ruhm von Tante Auguste klingt bis heute nach

Lemgo. Die Stadt ist um ein Denkmal reicher. Das Gast- und Pensionshaus &bdquo;Schöne Aussicht“ ist als schützenswert anerkannt. 1906 als Ausflugsgaststätte erbaut, ist das Haus bis heute bei den Lemgoern beliebt. Legendär sind die gut zwei Jahrzehnte, die drei Schwestern die Gastwirtschaft bis 1982 betrieben. Tante Auguste, Tante Hanna und Tante Emmy, wie sie die Gäste liebevoll nannten, drückten dem Lokal ihren ganz eigenen Stempel auf.

Auguste Brakhage hatte 1961 die Gastwirtschaft übernommen, nachdem sie die Jahre zuvor mit ihrem Schwager den Aussichtsturm im Forst bewirtschaftet hatte. Schon 1932 bis 1945 war sie in der &bdquo;Schöne Aussicht“ tätig und wagte 1961 den Sprung in die Selbstständigkeit. Die ersten Jahre führte die resolute Frau das Lokal allein, holte sich dann aber mit ihren Schwestern Hanna und Emmy Hilfe an die Seite. Als Ehefrau und Kriegerwitwe waren beide hinreichend versorgt und auf weitere Einnahmen nicht angewiesen. Denn viel Lohn konnten sie trotz ihres unermüdlichen Einsatzes nicht erwarten, wie Ingrid Schäfer in ihrem Buch &bdquo;Weiberwirtschaft haben die Leute immer gesagt - Frauen im Lemgoer Gastgewerbe“ (erschienen 1990) berichtet.

Die Schwestern waren stadtweit bekannt Die drei Schwestern waren schnell stadtweit bekannt. Drei Räume im Haus, dazu Veranda und Garten, über 100 Sitzplätze hatten sie zu bewirtschaften und konnten bald viele Stammgäste begrüßen, die nur zu gerne im Garten im Schatten der alten Linde saßen. 21 Jahre betrieben die Schwestern die &bdquo;Schöne Aussicht“, bevor Auguste Brakhage 1982 mit 69 Jahren gesundheitlich stark angeschlagen den Betrieb aufgeben musste.

Unter einfachsten Bedingungen hatten sie gewirtschaftet, mit einer kleinen Küche mit Holzofen und Gasherd. Sechs Fremdenzimmer gab es im Haus, doch der Komfort reichte nicht, &bdquo;Gäste konnten wir dort nicht empfangen“, erzählen Hanna und Emmy Brakhage der Autorin in dem Buch &bdquo;Weiberwirtschaft“.

Mit Hausmannskosten, emsiger Arbeit, günstigen Preisen und besonderer Herzlichkeit wussten die Schwestern ihre Gäste zu überzeugen. Und überliefert ist der Spruch von Auguste Brakhage: Gekocht wird &bdquo;das, was weg muss“. Die Arbeitsteilung der drei Frauen war dabei gesetzt: Die resolute Auguste stand in der Küche, ihre aufgeschlossene Schwester Hanna übernahm den Gastraum, während die stillere Emmy hinter der Theke stand.

Nachdem die Frauen aufgegeben hatten, stand die Gastwirtschaft über zehn Jahre leer. 1992 dann kaufte Andreas Niehage das Ausflugslokal und passte es mit Renovierungen den modernen Bedürfnissen an. Mit guter Küche und Kuchen war er weit über die Region bekannt. Im Anschluss übernahm Susanne Weege das Gast- und Pensionshaus &bdquo;Schöne Aussicht“ als Pächterin. Aktuell ist die Lokalität auf Anfrage für Veranstaltungen und geschlossene Gesellschaften zu mieten.

Magistrat lehnte erste Pläne ab Zur Historie der &bdquo;Schöne Aussicht“ ist dem Denkmalamt der Stadt einiges bekannt: So wurde das Haus 1906 erbaut, nachdem Land- und Gastwirt Heinrich Steinmeier die bereits bestehende Gastwirtschaft am Langenfelder Weg 80 von Grund auf erneuern wollte. Die ersten Planungen fielen durch, erst nachdem Steinmeier nachgebessert hatte, genehmigte der Magistrat die Pläne. Der Rohbau war bereits im Sommer 1906 errichtet, wenig später folgt eine &bdquo;Außenabortanlage“, mittig an der nördlichen Giebelseite.

In den folgenden Jahrzehnten gab es immer wieder Umbauarbeiten, Anfang der 1950er Jahre und dann vor 1992. Dennoch, so schreibt es das Denkmalamt, sei vieles im Gebäude noch im Originalzustand erhalten. So sei die Treppenanlage vom Erd- ins Dachgeschoss noch komplett vorhanden und entspreche größtenteils in seiner Farbfassung noch dem Originalzustand, ebenso alte Türen. Auch das Obergeschoss sei in seiner ursprünglichen Aufteilung erhalten. &bdquo;Insgesamt sind die Eingriffe der neuzeitlichen Grundsanierung behutsam geschehen, so dass alle Grundrisse weiterhin erkennbar sind und das ursprüngliche Gebäude nicht verfremdet oder überformt wurde“, lobt das Denkmalamt.

Die Denkmalschützer sehen in der &bdquo;Schönen Aussicht“ vor allem auch ein Beispiel für die gesellschaftliche Veränderung im Zuge der Industrialisierung im späten 19., beziehungsweise frühen 20. Jahrhundert.

&bdquo;Schöne Aussicht“ repräsentiert Umbruch Die Bürger kamen damals zu mehr Wohlstand, die Infrastruktur wurde ausgebaut und der Tourismus entwickelte sich als neuer Wirtschaftszweig. Der Wald wurde zunehmend auch als Erholungsfläche genutzt. So sei die &bdquo;Schöne Aussicht“ im Gegensatz zu anderen Lemgoer Gaststätten als Pension durchaus auch für Besucher von auswärts gedacht gewesen. Das sei vor allem an den Zimmern im Obergeschoss mit weitem Blick über Lemgo und das Lipperland abzulesen.

Das Haus Langenfelder Weg 80a zeuge von diesen Umbrüchen und repräsentiere damit eine neue Gebäudekategorie, die erst durch diese gesellschaftlichen Umbrüche möglich wurde. Zum Denkmalumfang gehöre das historische Gebäude vom Erdgeschoss bis zum First des Gasthauses mit Erscheinungsbild, Bausubstanz und Gestaltung. Auch die hölzerne Veranda, die Treppenanlage und der Dachstuhl sind geschützt, ebenso wie Innenwände und Geschossdecken im Inneren sowie Treppen, Türen und Böden im Obergeschoss.

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