Nach Rolli-Unfall im Bus: So steht es um die Barrierefreiheit in Lemgo

Lemgo. Vor Kurzem ist es in einem Stadtbus zu einem Vorfall gekommen, bei dem eine Frau aus dem Rollstuhl rutschte und zu Boden fiel. Sie wurde dabei leicht verletzt. Laut Polizeibericht habe der Busfahrer nur &bdquo;wenig Verständnis“ gezeigt.

Handelt es sich dabei um einen Einzelfall? Welche Erfahrungen machen Lemgoer mit Mobilitätseinschränkungen in der Stadt? Und was tut die Stadt für Barrierefreiheit? Die LZ hat mit den Betroffenen gesprochen.

Das sagen die Rollstuhlfahrer Rasalilgam Ellopplai sitzt seit einem Verkehrsunfall vor 22 Jahren im elektrischen Rollstuhl und wohnt schon seit mehr als 40 Jahren in Lemgo. Oft nutze er den Stadtbus, um zwischen der Wohnung in Brake und der Innenstadt zu pendeln. Er habe gute Erfahrungen gemacht, nur ein Busfahrer sei &bdquo;etwas schwierig“. &bdquo;Wenn schon zwei Kinderwagen im Bus sind, nimmt er mich manchmal nicht mit.“ Auch Erwin Böhm sitzt im Rollstuhl. Er meint: &bdquo;Die Busfahrer sind immer sehr freundlich und ich bin freundlich zu ihnen.“ Probleme habe er bislang nicht gehabt.

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Das sagt der Behindertenbeauftragte Werner Wahlers ist seit eineinhalb Jahren ehrenamtlicher Beauftragter der Stadt Lemgo für Senioren und Menschen mit Beeinträchtigungen. Er sehe eine positive Entwicklung in der Stadt und stoße nun auf offene Ohren bei den Verantwortlichen und in der Politik. Das sei zu Beginn seiner Tätigkeit anders gewesen.

Wie Menschen mit Mobilitätseinschränkungen in den Bussen zurechtkommen, hänge oft vom Fahrer ab. Daher schlägt Wahlers ein Training für diese vor. Er meint: &bdquo;Rollstühle und Rollatoren - das klappt schon gut in den Bussen. Aber wenn eine Haltestelle in der Nähe eines Seniorenzentrums angesteuert wird, dann kann der Bus schon mal voll sein - speziell am Samstag. Mehr als drei bis vier Plätze für Rollstühle und Rollatoren sind nicht vorgesehen.“ Dann müssten die Betroffenen ab und an auf den nächsten Bus warten. Der Beauftragte kritisiert, dass sich das Platzangebot auch mit den neuen E-Bussen nicht ändern soll.

Ein weiteres Problem seien E-Mobile für Senioren. Diese hätten einen höheren Schwerpunkt und es gebe derzeit keine Halterung dafür. Außerdem brauche es für sehbeeinträchtigte Menschen Durchsagen an den Haltestellen, an denen mehrere Busse halten, um zu wissen, welche Linie nun gerade vorfährt. Die Türen zu den öffentlichen Toiletten würden manchmal so schwer aufgehen, dass Menschen mit Beeinträchtigungen diese gar nicht nutzen könnten.

&bdquo;Aber eines der größten Probleme ist der Fußgängerüberweg an der Kreuzung Edeka/ Altenzentrum am Schloss in Brake. Die Taktung ist zu kurz für die Bewohner. Die kriegen regelrecht Panik, wenn die Ampel auf der Hälfte der Straße schon auf Rot umspringt“, weiß Wahlers zu berichten.

Das sagen die Stadtwerke Maren Staczan, Pressesprecherin der Stadtwerke, die den Stadtbus betreiben, sagt: &bdquo;Grundsätzlich sind die Fahrer im Stadtbusverkehr angehalten und auch geschult, eine rücksichtsvolle und ruckfreie Fahrweise zu fahren – so weit nicht plötzliche Störungen von anderen Verkehrsteilnehmenden im dichten Stadtverkehr ein schnelles und plötzliches Handeln erforderlich machen.“ Für Fahrgäste bestehe demnach grundsätzlich die Pflicht, sich gemäß den Beförderungsbedingungen stets einen sicheren und festen Halt zu verschaffen.

In den Stadtbussen gebe es je einen Rollstuhlplatz mit entsprechender Ausstattung zum Sichern. E-Mobile oder sogenannte Scooter seien versicherungstechnisch für eine Beförderung im Bus nicht zugelassen, da sie unter anderem ein zu hohes Eigengewicht und einen ungünstigen Schwerpunkt hätten. Die bereits bestellten E-Busse hätten grundsätzlich die gleichen Ausstattungsmerkmale für Menschen mit Beeinträchtigung wie die heutigen Stadtbusse. Dazu zählen eine Klapprampe am mittleren Einstieg, taktile Elemente im Ausstiegsbereich sowie akustische und optische Anzeigen beziehungsweise Ansagen an den Haltestellen.

Einmal im Jahr bieten die Stadtwerke darüber hinaus einen Rollator- und Rollstuhltag an, bei dem es praktische Tipps zum sicheren und komfortablen Ein- und Ausstieg gibt. &bdquo;Bei der letzten Veranstaltung hatten wir rund 70 Interessierte“, weiß Staczan. Auf Wunsch gebe es aber auch unabhängig von der Aktion eine individuelle Beratung für Ungeübte.

Das sagt die Stadt &bdquo;Dass wir mit Herrn Wahlers einen ehrenamtlichen Beauftragten für Senioren und Menschen mit Beeinträchtigungen haben, ist ja schon ein tolles und niedrigschwelliges Angebot für mehr Behindertenfreundlichkeit“, teilt Stadt-Sprecherin Tanja Schröder mit. Aber auch bei allen Bauprojekten sei Barrierefreiheit ein relevantes Thema. Im Vordergrund stehe dabei der Aus- und Umbau der Bushaltestellen. Auch an Querungsbereichen von Straßen werde darauf geachtet, dass der Bordstein abgesenkt und die Straße niveaugleich sei

So seien nach einem Termin vor Ort mit Wahlers und dem Verkehrsbeauftragten, Gerhard Reineke, an der Seniorenwohnstätte am Steinmüllerweg alle Gehwege abgesenkt und die Rampe am Entruper Weg installiert worden. Barrierefreiheit sei ein elementarer Punkt im Mobilitätskonzept und im Verkehrsentwicklungsplan. Das Schrägstellen der Umlaufsperren habe ebenfalls dazu gedient, nicht nur die Nutzung für Radfahrer, sondern auch für Menschen mit Rollstühlen oder Rollatoren einfacher zu machen. Ein weiteres positives Beispiel sei der Innovation-Spin: &bdquo;Bei der Planung hat die Verwaltung darauf geachtet, dass das Gebäude an der westlichen Seite über eine Rampe ohne Stufen erreichbar ist.“

Auf der städtischen Internetseite gibt es darüber hinaus Angebote in Leichter Sprache und in Form von Gebärden-Videos. Auch als Arbeitgeberin kümmere sich die Stadt um Barrierefreiheit. &bdquo;Aus Rücksicht auf die Höreinschränkung einer Mitarbeiterin werden beispielsweise in Kürze zwei Besprechungsräume im Rathaus akustisch optimiert“, so Schröder. Außerdem gelte es aus Sicht der Stadt, die Sichtbarkeit der Vielfältigkeit der Stadtgesellschaft zu erhöhen. Dazu habe es mehrmals Ausstellungen der Kunst-Werkstatt Eben-Ezer im Rathaus gegeben.

Künftig sollen alle Poller dahin gehend überprüft werden, ob Menschen mit Rollstühlen, Rollatoren oder auch Lastenrädern an und zwischen ihnen gut vorbeikommen. Außerdem ist geplant, barrierefreie Spielgeräte auf einem Spielplatz zu installieren. Darüber hinaus sei die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe für alle Menschen ein wichtiger Punkt der Nachhaltigkeitsstrategie, die Ende März auf der Tagesordnung des Rats stehen werde.

Das sagt Straßen.NRW Für die Ampelsteuerung an der &bdquo;Problem-Kreuzung“ in Brake ist der Straßenbaulastträger Straßen.NRW zuständig. Aus der Pressestelle in Bielefeld heißt es: &bdquo;D ie Grün-Zeit für die Überquerung eines Ampelbereiches wird gemäß der Grundlage der Richtlinie für Lichtsignalanlagen berechnet. Laut diesem Regelwerk soll gewährleistet sein, dass Fußgänger während der Grünphase mindestens die halbe Furtlänge beziehungsweise Strecke zurücklegen können. Bei Furten mit akustischen Zusatzeinrichtungen für Personen mit Seheinschränkungen, wie es bei diesen Ampeln der Fall ist, muss der Fußverkehr sogar die Möglichkeit haben, die gesamte Straße passieren zu können.“

Im Regelwerk seien dafür 1 bis 1,5 Meter pro Sekunde angesetzt. Die Kreuzung Lemgoer Straße/Schloßstraße weise eine Breite von neun bis elf Metern zwischen den einzelnen Ampeln auf. Dementsprechend betrage die derzeitige Grün-Zeit neun bis 15 Sekunden. Außerdem würde die Grünphase für Autos erst ein paar Sekunden später beginnen. Somit hätten die Fußgänger zusätzliche drei bis fünf Sekunden Zeit. Beschwerden über die genannte Kreuzung würden Straßen NRW nicht vorliegen.

Die verletzte Rollstuhlfahrerin wollte sich nicht zu dem Fall äußern.

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