Lippes Klinik-Chef: „Müssen an unserem Image arbeiten“

Kreis Lippe. Seit Mitte März ist Dr. Niklas Cruse (51) Interims-Geschäftsführer am Klinikum Lippe. Er kam über die Hospital Management Group (HMG) und löste Dr. Johannes Hütte ab, dem die Gesellschafter das Vertrauen entzogen hatten. Die LZ sprach mit ihm über seinen Führungsstil, über Herausforderungen und über Fehler der Vergangenheit.

Herr Dr. Cruse, sind Sie angekommen?

Dr. Niklas Cruse: Ja, ich bin gut angekommen. Und ich freue mich, hier zu sein.

Haben Sie bereits entschieden, ob Sie Interims-Geschäftsführer bleiben oder für länger in Lippe arbeiten möchten?

Dr. Niklas Cruse: Als ich mich vorgestellt habe, wurde ich ja gefragt, ob ich mir das auch langfristig vorstellen könnte. Das habe ich bejaht, und in diesem Fall müsste nun vonseiten des Auftraggebers irgendwann die Frage an mich herangetragen werden, ob ich auch über die interimistische Geschäftsführung hinaus bleiben möchte. Der aktuelle Vertrag läuft bis zum Ende des Jahres und über eine Verlängerung wird gewiss rechtzeitig entschieden.

Ihre Familie wohnt nicht hier. Wie organisieren Sie Ihren Alltag?

Dr. Niklas Cruse: Ich bin verheiratet, meine Frau ist Radiologin und hat eine Praxis in Wuppertal. Meine Familie wohnt in Düsseldorf, wir haben zwei Kinder, und ich bin während der Woche hier und habe mir hier eine kleine Wohnung genommen. So kann ich mich während der Woche sehr auf meine Arbeit in Lippe konzentrieren. Und das ist sehr effizient, wenn man das so strukturiert. Außerdem habe ich die Erfahrung, unter der Woche an anderen Orten zu arbeiten.

Hatten Sie eine Vorahnung, was Sie hier in Lippe erwarten würde?

Dr. Niklas Cruse: Ja, ich hatte mich ja umfangreich informiert, über die Kolleginnen und Kollegen habe ich auch verschiedene Informationen bekommen. Auch der Landrat und einige Politiker haben mit mir ausführlich gesprochen. Und das war sehr interessant, wirklich sinnvoll und informativ.

&bdquo;Kommunikativer Führungsstil“ Wie beschreiben Sie Ihren Führungsstil?

Dr. Niklas Cruse: Partizipativ, auf Augenhöhe, kommunikativ. Wertschätzend würde ich sagen.

Jetzt sind Sie zwei Monate hier, was hat Ihnen bislang gut gefallen in diesem Haus?

Dr. Niklas Cruse: Was mir sehr gut gefallen hat, sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie sind unheimlich freundlich und sehr motiviert, und ich empfinde alle auch als sehr leistungsstark. Das macht richtig Freude. Und ich habe auch den Eindruck, dass die Menschen im Klinikum durchaus nicht nur mit Freude ihre Arbeit verrichten und zum Wohle der Patienten tätig sind, sondern auch teilweise wirklich stolz sind darauf. Auch auf dieses Haus.

Das Klinikum Lippe ist ja in seinem Leistungsspektrum unheimlich groß als Maximalversorger über die drei Standorte Detmold, Lemgo und Bad Salzuflen und daher so vielschichtig und sehr attraktiv. Auch die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat gefällt mir sehr gut, sie ist sehr vertrauensvoll. Ich spüre im Haus und in Gesprächen mit vielen Menschen in Lippe, dass es einen allgemeinen Willen gibt, dass sich dieses Haus gut entwickelt. Und bin fest davon überzeugt, dass es sich positiv entwickeln wird.

Gibt es denn etwas, das Sie in den ersten zwei Monaten erschreckt hat?

Dr. Niklas Cruse: Also ehrlich gesagt: Erschreckt hat mich nichts. Die Probleme der Krankenhäuser sind eigentlich allenthalben überall die gleichen. Wir befinden uns im Krankenhausmarkt eigentlich seit etwa zwei, drei Jahren in der größten Krise. Es wird wahrscheinlich auch noch drei, vier Jahre andauern, dass Krankenhäuser systematisch in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Hier bin ich dankbar und habe auch allen Respekt, dass der Gesellschafter, der Aufsichtsrat und der Landrat so eineindeutig positiv hinter diesem Haus stehen und uns da unterstützen. Denn wenn man bedenkt, dass etwa 80 Prozent aller Krankenhäuser in Deutschland rote Zahlen schreiben, ist es immer entscheidend, dass der Träger auch Rückendeckung gibt. Und das gibt der Kreis hier in Lippe und das ist sehr, sehr gut.

Ist das Ihr erstes Haus, das gleichzeitig Standort für eine Uniklinik ist?

Dr. Niklas Cruse: Nein. Ich war schon im Universitätsklinikum Wuppertal.

Wo sehen Sie die Vorteile künftig für das Klinikum Lippe als Uniklinikstandort?

Dr. Niklas Cruse: Also auf der einen Seite ist es für uns ein Riesenvorteil, Universitätsklinikum zu sein, weil wir auf diese Art und Weise leichter gutes Personal rekrutieren können. Die Attraktivität als Arbeitgeber steigt durch den Status Universitätsklinikum. Das gilt für Ärzte, Pflegekräfte, medizinisch-technische Angestellte in allen Bereichen und in der Verwaltung.

Der zweite Strang ist ein Riesenvorteil für die Patienten. Dadurch, dass wir sehr gute Ärzte und Pflegekräfte für das Haus gewinnen können, ist garantiert, dass auch die Patientenversorgung auf allerhöchstem Niveau gewährleistet und Innovativität erreicht wird, weil ja unsere Professoren auch forschen und lehren. Zudem kenne ich die beiden Geschäftsführerkollegen, die mit uns gemeinsam in Bielefeld das Universitätsklinikum OWL formieren. Und das Verhältnis zu den beiden ist wirklich sehr gut. Und ich glaube, dass wir den Transformationsprozess gemeinsam gut vorantreiben können.

Gibt es auch Risiken als Uniklinik?

Dr. Niklas Cruse: Also ich sehe keine Risiken, nein.

Sehen Sie nicht die Gefahr, zu wenig qualifiziertes Personal in eine ländliche Region locken zu können?

Dr. Niklas Cruse: Das ist eine Grundherausforderung für alle Kliniken und wir bemühen uns eben, indem wir wertschätzend mit den Mitarbeitern umgehen. Ich halte das auch für eine Führungsaufgabe, den wertschätzenden und respektvollen Umgang zu pflegen.

&bdquo;Müssen in Fläche gute Grundversorgung anbieten“ Stichwort &bdquo;Standortdiskussion Lemgo und Detmold“. Unterstützen Sie das Standortkonzept, das die Politik verabschiedet hat oder haben Sie da noch Alternativen, noch ergänzende Ideen, wie das zukünftig aussehen kann?

Dr. Niklas Cruse: Hinsichtlich des Standortkonzeptes ist vor allem letztentscheidend, welches Zielbild das Ministerium in Düsseldorf hat. Das Zielbild Düsseldorfs ist, und diese Auffassung teile ich, dass wir als Klinikum nicht nur einen Standort benötigen, in dem eine Maximalversorgung angeboten wird, sondern dass wir auch in der Fläche eine gute medizinische Grundversorgung anbieten müssen.

Und deshalb brauchen wir auch den zweiten Standort Lemgo. Dieser Standort wird ein sogenannter Grund- und Regelversorgerstandort sein, also mit einer allgemeinen Inneren, mit einer allgemeinen Chirurgie, mit einer Intensivmedizin und einer 24-7-Notfallambulanz. Das heißt also: Rund um die Uhr soll eine Notfallversorgung möglich sein. Ich glaube, das ist für die lippische Gesundheitsversorgung und die Versorgung für die Bevölkerung ein gut austariertes System. Wir haben jetzt ein Grobkonzept entwickelt, das befindet sich in Abstimmung mit dem Ministerium.

Also Herr Dr. Hütte als Ihr Vorgänger hatte da ja eigentlich eine andere Idee. Hat es Sie überrascht, dass das Ministerium das doch recht rigoros abgelehnt hat am Ende?

Dr. Niklas Cruse: Nein, das hat mich nicht überrascht. Wichtig ist, dass man mit dem Ministerium regelmäßig und im ständigen Austausch ist. Und das versuchen wir auch.

Kommen wir zum Aktionsbündnis Klinikum Lippe. Wir haben gehört, dass einer der Sprecher, Herr Brinkmann, bereits bei Ihnen zum Antrittsbesuch war.

Dr. Niklas Cruse: Ja, ich habe ihn kennengelernt. Er hat uns neulich mal besucht, und dann haben wir auch über verschiedene Themenfelder gesprochen.

Fürchten Sie den Ausgang des Bürgerbegehrens, das das Aktionsbündnis will?

Dr. Niklas Cruse: Im Grunde ist es doch so, dass das Bürgerbegehren in vielen Dingen eigentlich die gleiche Zielrichtung hat, wie wir sie auch haben. Nur mit einem kleinen Unterschied, dass es für Lemgo aus unserer Sicht nicht erforderlich ist, eine zentrale Notaufnahme im Sinne der Basis-Notfallstufe 1 anzubieten, sondern es ausreicht, eine 24-7-Notfallambulanz anzubieten. Ansonsten sind wir uns im Grunde einig. Und deshalb fürchte ich das alles auch nicht.

&bdquo;Außenwahrnehmung war unschön“ Es gab in den vergangenen Jahren viel Kritik. Wie schätzen Sie die Situation in Lippe ein? Ist das jetzt hoher Wellengang, ist das mäßiger Wellengang oder ist es seichte See?

Dr. Niklas Cruse: Insgesamt ist die Außenwahrnehmung im Jahr 2024 und auch Anfang 2025 doch ziemlich unschön gewesen für das Klinikum. Und sie war auch teilweise gepaart mit unwahren Behauptungen und einer rufschädigenden Art und Weise. Das tut mir vor allem für die Mitarbeitenden leid, weil ich genau weiß, dass sie jeden Tag ihr Bestes geben und es auch nicht verdient haben, dass man schlecht über sie redet. Wo Menschen handeln, da gibt es auch Fehler. Das ist auch in Ordnung, über die kann man dann auch sachlich sprechen.

Wenn man die öffentliche Diskussion über das Klinikum verfolgt hat, entsteht der Eindruck, dass viel Porzellan zerschlagen worden ist. Wie möchten Sie das kitten?

Dr. Niklas Cruse: Ja, das ist auch meine Einschätzung, dass einiges am Image gekratzt hat. Da müssen wir aus uns heraus an diesem Image und an unserem Außenauftritt arbeiten. Das tun wir auf mehreren Ebenen. Nach innen, glaube ich, sind wir gut beraten, wenn wir Führungskräfte mehr zuhören, mehr kommunizieren. Das machen wir zum Beispiel, indem ich gleich am Anfang eine sogenannte offene Sprechstunde für die Mitarbeitenden eingeführt habe. An allen drei Standorten, die auch sehr positiv wahrgenommen wird. Wir haben regelmäßige Betriebsversammlungen oder Klinikkonferenzen, in denen wir über unsere Neuigkeiten berichten. Auch die Gremien hier im Haus werden nach meiner Wahrnehmung offen geführt und das soll auch so sein.

Und nach außen?

Dr. Niklas Cruse: Nach außen hin verfolgen wir die Strategie des Mitmischens, so nenne ich das. Also dabei sein, kommunizieren, zuhören. Da geht es darum, dass wir uns aktiv öffnen, um das Gespräch zu suchen mit den Niedergelassenen, mit der Ärztekammer, mit der Kassenärztlichen Vereinigung, mit der Bezirksregierung, mit dem Ministerium, mit der Politik, mit den verschiedenen Entscheidungsträgern. Und auch mit Religionsgemeinschaften oder auch mit Selbsthilfegruppen, alles wichtige Partner. Denn entscheidend ist, dass wir als Partner wieder anerkannt werden. Deshalb finde ich auch, dass dazu die Teilnahme an der kommunalen Gesundheitskonferenz gehört.

Es laufen ja noch einige gerichtliche Auseinandersetzungen, zum Beispiel gegen Herrn Brinkmann. Werden Sie das Berufungsverfahren fortführen?

Dr. Niklas Cruse: In solch großen Unternehmen ist es ja überhaupt kein Wunder, dass es immer wieder mal Konflikte gibt. Und manche führen zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung und manche Dinge werden außergerichtlich gelöst. Ich schaue mir diese einzelnen Konfliktherde oder die Streitereien derzeit einzeln an und bewerte sie. Ich habe auch schon in den letzten Wochen einige von diesen Rechtsstreitereien im beiderseitigen Einvernehmen beendet. Über den Konflikt mit dem Aktionsbündnis bin ich mit Herrn Brinkmann im Austausch. Das Verfahren läuft.

&bdquo;Müssen uns mehr Vertrauen erarbeiten“ Uns liegen Aussagen von niedergelassenen Ärzten vor, dass sie nicht ins Klinikum Lippe einweisen wollen und auch viele Patienten das Haus ablehnen. Besorgt Sie das und wie wollen Sie das ändern?

Dr. Niklas Cruse: Ja, das besorgt mich, weil wir schon den Anspruch haben, für die niedergelassenen Ärzte guter Gesprächspartner und Austauschpartner zu sein. Ich finde es höchst bedauerlich, wenn Patienten sich aktiv gegen uns entscheiden. Wir müssen uns offenbar wieder mehr Vertrauen erarbeiten. Und das ist eben echte Arbeit. Dieses Vertrauen erarbeiten wir uns, indem wir rausgehen, indem wir Patientenveranstaltungen durchführen und die Niedergelassenen zu einem von mir genannten Format des kollegialen Dialogs einladen. Wir wollen im besten Sinne des Wortes zu den Kolleginnen und Kollegen gehen und mit ihnen in den Austausch gehen. Wenn wir dann dort erfahren, was gut läuft oder was verbesserungsbedürftig ist, dann werden wir uns auch danach richten und schauen, dass wir uns wieder aufeinander zubewegen. Dieses Format habe ich an mehreren Standorten schon sehr erfolgreich durchgeführt. Ich bin mir sicher, dass das hier auch funktionieren wird.

Kommen wir zum Thema Bauen. 17 Millionen für eine Privatstation, während in anderen Bereichen noch Dreibettzimmer mit Duschen auf dem Flur sind. Hätten Sie damals auch so entschieden?

Dr. Niklas Cruse: Es ist üblich, dass Krankenhäuser Wahlleistungsstationen bauen, und die haben auch einen sehr hohen baulichen, aber auch einen hohen Servicestandard. Das wird vonseiten der Privaten Krankenversicherungen auch so erwartet. Ich bin stolz darauf, dass unsere Wahlleistungsstation sogar Referenzstation des PKV ist. Bedauerlich ist, dass auf der anderen Seite, und da haben Sie vollkommen Recht, Normalstationen noch nicht dem Standard entsprechen, den wir sonst eigentlich anbieten wollten. Da hoffen wir auf Fördermittel durch das Land, dass wir dann auch diese Baumaßnahmen nachziehen können.

Mehr Kontrolle ins Haus holen Es wurde ja viel in Beton investiert in der Vergangenheit, dabei wurden bei Planung und Kontrolle zahlreiche Aufgaben extern vergeben. Bleibt das so oder haben Sie bereits einige Veränderungen eingeführt?

Dr. Niklas Cruse: Ja, ich habe einige Veränderungen herbeigeführt und dieser Prozess wird sich auch in der Zukunft fortsetzen. Wir haben das Team der Architekturabteilung personell verstärkt und werden es aller Voraussicht nach noch weiter verstärken. Wir haben unsere Kontroll- und Rechnungsfreigabemechanismen auch geändert, sodass wir künftig genauer den Bauverlauf und auch die Abrechnungssystematiken kontrollieren können.

Sie meinen, dass Sie die Kontrolle selbst in der Hand haben?

Dr. Niklas Cruse: Ja, genau.

Ist das jetzt eine Reaktion auf irgendetwas oder war das einfach ein Strukturfehler, den Sie entdeckt haben?

Dr. Niklas Cruse: Also: Ein Haus dieser Größenordnung und vor allem eines mit einer eigenen Architekturabteilung sollte Leistung nicht unbedingt nach extern vergeben, wenn man es auch intern leisten kann. Ich habe die Kollegen als sehr kompetent erlebt. Und deshalb glaube ich, dass wir auch solche Dinge ins Haus holen können. Bei größeren Planungsvorhaben, da benötigt man eventuell wieder einen externen Partner. Und das wird dann ausgeschrieben. Aber die Kontrolle der Baufortschritte, das ist etwas, was wir hier hausintern auch regeln können.

Eine Frage zum Schluss noch. Sie sind gebürtiger Ostwestfale, leben im Rheinland und arbeiten jetzt in Lippe. Welche charakterliche Eigenschaft dieser drei Menschenschläge hilft Ihnen gerade am meisten?

Dr. Niklas Cruse: Dadurch, dass ich halt hier in der Ecke groß geworden bin, kann ich die Mentalität der Menschen hier gut verstehen. Ich bin aber auch froh, dass ich die rheinländische Leichtigkeit mitbringe, die man in so herausfordernden Aufgaben auch manchmal benötigt.

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