Lemgo. Zum regionalen Azubi-Tag des Johanneswerks hat dieses mehr als 50 Auszubildende aus den unterschiedlichen Häusern zusammengetrommelt. Es kamen angehende Pflegerinnen und Pfleger aus dem Altenzentrum Bethesda in Bad Salzuflen, dem Philipp-Melanchthon-Haus in Bad Driburg, dem Albert-Schweitzer-Haus in Marienmünster, dem Helene-Schweitzer-Zentrum in Steinheim, dem Altenzentrum am Schloss in Lemgo-Brake sowie dem St. Loyen Stift und dem St. Loyen Zentrum in Lemgo. Neben einem fachlichen Input wurden die Azubis auch aktiv - in Form von Teamerlebnissen an unterschiedlichen Stationen ähnlich einer Schnitzeljagd oder Olympiade. Und dann trafen neun von ihnen auch die Presse und berichteten in sehr persönlichen Statements, warum sie einen Beruf ergreifen, der von vielen verteufelt wird. Ich wollte schon immer Krankenschwester werden, aber mit 17 wurde ich erst mal Mutter. Plötzlich war ich für die Arbeitgeber unattraktiv, hatte viele Hilfsjobs als Kellnerin oder bei McDonalds. Nach zwei weiteren Kindern ist die Jüngste jetzt in der Schule. Dann habe ich die Stellenanzeige gesehen, tagsdrauf saß ich im Vorstellungsgespräch. Die Ausbildung ist natürlich finanziell attraktiv, da man beispielsweise das Pflegehelfer-Gehalt weiter bekommt, und nicht nur ein Azubi-Gehalt. Was aber hauptsächlich zählt: Leidenschaft. Wer sie mitbringt, um zu helfen, erlebt ganz viel Dankbarkeit. Wer den Job mit Freude macht, geht abends manchmal zwar erschöpft, aber glücklich und erfüllt nach Hause. Als ich nach Lemgo gezogen bin, wollte ich etwas mit Menschen machen, ihnen irgendwie helfen. Das Betüddeln, das war schon immer meins. Meine Mutter hat den Stiefvater zu Hause gepflegt, das war Alltagsthema und ich wusste, was das heißt. Als ich die Pflegefachassistenz im Klinikum gemacht habe, war klar: Das ist es. Auch wenn ich noch ein Jahr die Arbeit im Kindergarten ausprobiert habe ... Respekt hatte ich schon. Aber Berührungsängste? Nein, die nicht. Und in den drei Jahren Ausbildung taucht man echt tief in unterschiedliche Bereiche ein, arbeitet mit Kindern und in der Psychiatrie. Das breite Spektrum gefällt mir, es macht flexibel. Ich habe einen Beruf mit Sinn, helfe Menschen, die in einer schwierigen Situation sind, im Alltag. Es macht mich immer froh, wenn die Leute sich bedanken. Und das Feedback kommt sofort. Gerade im Demenzbereich, da sagen die Menschen direkt, ob ihnen etwas gefällt oder nicht. Ich selbst komme aus der Medizin, doch meinen Abschluss als Arzt aus der Ukraine, wo ich wegen des Krieges weg bin, bekomme ich hier nicht anerkannt. Mir fehlen Unterlagen. Vielleicht hole ich die irgendwann noch mal – aber momentan ist es zu gefährlich in Saporischschja. Der Pflegeberuf ist auch ein toller Beruf. Gut ist: Ich muss jeden Tag Deutsch sprechen, so lerne ich schnell. Meine Mutter hat im Krankenhaus gearbeitet, da konnte ich als Kind am Wochenende mit. Da hat es klick gemacht: Ich will Menschen helfen. Durch Praktika konnte ich reinschnuppern ... Krankenhaus, Behindertenhilfe, Kindergarten. Aber ins Herz geschlossen habe ich die älteren Menschen. Klar gibt es Personalmangel, aber private Momente machen es wett. Etwa, wenn jemand Besuch im Heim bekommt und die anderen traurig sind, dass zu ihnen keiner kommt. Wenn sie dir sagen: „Aber du bist ja für mich da!“ Das ist schön. Wertvoll finde ich Geschichten der Kriegs- und Nachkriegsgeneration, die Berichte der Zeitzeugen. Dann denke ich darüber nach, dass es die Kleinigkeiten sind, die uns glücklich machen. Mich fasziniert, wie die Menschen in der Langzeitpflege in ihrem neuen Zuhause leben. Sie von einer Wohnung in nur noch ein Zimmer zu begleiten, wo sie nicht alles mitnehmen können, ist eine echt emotionale Angelegenheit. Ich genieße es, wenn Zeit für besondere Dinge bleibt – für intensive Gespräche, für Spaziergänge oder gemeinsames Eisessen. Da kriegt man so viel zurück, ein Lächeln sagt manchmal mehr als tausend Worte. Ich lerne die älteren Menschen gerne näher kennen, höre mir an, was sie früher gemacht, was sie gerne gegessen und getrunken haben. Jede Biografie ist spannend. Meine Ausbildung in der Zahntechnik habe ich nach drei Monaten abgebrochen, da fehlte mir der menschliche Kontakt. Was wir tun, tun wir für die Menschen und deren Angehörige. Von beiden kommt viel zurück. Gerade der Aspekt mit den Angehörigen ist mir persönlich wichtig, denn auch für die ist es nicht einfach, wenn Eltern ihre Selbstständigkeit verlieren. Klar, die Arbeitszeiten sind auch mal unbequem, aber man weiß ja, worauf man sich einlässt. Natürlich kann man nicht mehr jedes Schützenfest mitnehmen. Wenn jedes zweite Wochenende Dienst ist, gibt es dafür unter der Woche frei – Zeit für Familie oder Erledigungen. Vorher war ich Verkäuferin, aber mir war klar: Wenn die Kinder groß sind, mache ich noch mal die Ausbildung. Das ist schon anstrengend, viel zu lernen, aber gebraucht zu werden, ist der Lohn. Ich bin Quereinsteigerin. Gelernt hatte ich Hotelfachfrau, aber dann keine Lust mehr, oft bis 5 Uhr morgens im Service zu arbeiten, bis die letzten Gäste raus sind und der Frühstückstisch wieder eingedeckt ist. Klar, das hat auch Spaß gemacht, aber irgendwann geht das nicht mehr. Im Stationsservice, also der Essensversorgung, am Klinikum Lemgo habe ich die Lust auf Pflege entwickelt. Jetzt bekomme ich in der Ausbildung mein Gehalt weiter. Das ist für ältere Quereinsteigerinnen wichtig, um sich eine dreijährige Ausbildung leisten zu können. Wir in der Pflege verdienen schon gut und brauchen nicht mehr Geld, wir brauchen mehr personelle Unterstützung. Nach 30 Jahren im Einzelhandel habe ich mich ausgeknockt gefühlt. Aufgrund der Konkurrenz durchs Internet zählte am Ende nur noch der Umsatz, es ging nur über den Preis – da konnte ich nicht mehr mit Leib und Seele dabei sein. Also habe ich mich neu sortiert, als in Steinheim das Helene-Schweitzer-Haus eröffnet wurde. Erst war ich skeptisch, ob die Arbeit am Menschen, die bis in die Intimsphäre geht, etwas für mich ist. Aber schon in den ersten drei Tagen auf der Demenzstation habe ich so viel Dankbarkeit erfahren, dass für mich klar war: Ich bleibe. Die älteren Menschen, auch wenn einige verbal nicht mehr dazu in der Lage sind, geben einem so viel Glück zurück. Ich habe mir gesagt: Genau da bist du richtig. Für mich war ein Schwesternhelferkurs der Anstoß, die Pflege näher kennenzulernen. Was ich in dem unbezahlten Kurs erlebt habe, hat mich bewegt ... so direkt mit Menschen zu arbeiten, hat mir gefallen. Die Ausbildung jetzt ist so umfangreich – im Krankenhaus, in der Psychiatrie und in der ambulanten Pflege: Man kann so viele Blicke hinter die Kulissen werfen. Damit ist man nach dem Abschluss natürlich umso flexibler, um sich auf einen bestimmten Bereich zu konzentrieren. Es öffnet einem sogar Türen bis hin zu einem Studium. Diese Vielfalt auf einen Schlag kennen zu lernen, ist wirklich optimal – und insbesondere auch für die Jüngeren unter uns eine gute Perspektive fürs Berufsleben.