Der Zufall und die Denkmäler: Wie Thorsten Sagner in Lemgo zu seinen alten Häusern kam

Lemgo. Fünf Häuser besitzt Thorsten Sagner, davon vier Denkmäler gemeinsam mit seinem Kollegen Tobias Heinze. Und eigentlich war es eher Zufall, dass er zu den alten Gebäuden fand und damit auch der Wunsch in ihm reifte, diese steinernen Zeitzeugen der Lemgoer Geschichte zu erhalten.

Mit der alten Post am Ostertor fing alles an. Als das Areal am Bruchweg inklusive der alten Post 2013 an die Investorengruppe Almandla ging, war schnell klar, dass sie kein Interesse an dem unter Denkmal stehenden Gebäude hatte. 2014 konnten Thorsten Sagner und Tobias Heinze die alte Post für die Werbeagentur kaufen. Sagner übernahm das Projekt, ließ das aus dem Jahr 1891 stammende Gebäude sanieren, den nicht unter Denkmalschutz stehenden Anbau aus 1950er-Jahren abreißen und den Eingang den historischen Ursprüngen entsprechend wieder mittig zum Ostertor gestalten.

Im Inneren, dort, wo ehemals die Dame vom Amt die Anrufer per Kabelstecken verband, übernahmen sie große leere Räume, die die Agentur heute in der ersten Etage fast in Gänze nutzt. 2016 zogen der Ankermieter Volksbank und die Werbeagentur ein und eigentlich erzählt Thorsten Sagner, &bdquo;hatten wir hier im Sinne des Denkmalschutzes wenig Probleme, zumal im Wesentlichen nur die Fassade unter Denkmalschutz steht“. Und doch gibt es das unausgebaute Dach und damit Potenzial, das die Agentur nicht nutzen kann. &bdquo;Der Brandschutz machte da nicht mit.“

Win-win-Situation für Käufer und Stadt Und natürlich, ganz uneigennützig ist dieses Engagement des Geschäftsführers der Marketingagentur Kaeding Anderson nicht. &bdquo;Das muss sich rechnen, ein Verlustgeschäft sollte ich nicht machen.“ Über den Denkmalschutz oder auch Sanierungsprojekte der Stadt kann der selbstständige Agenturinhaber die Häuser bestmöglich als Abschreibungsobjekte nutzen. Eine Art Win-win-Situation, die in diesem Fall auch der Stadt Lemgo zugutekommt.

2021 kam dann mit der Mittelstraße 12 das zweite Denkmal dazu. Der Eigentümer wollte es damals verkaufen und hatte bereits Verträge für Wohngruppen mit Eben-Ezer abgeschlossen. Per Zufall kam Sagner mit dem Immobilienbesitzer ins Gespräch, um wenig später das Haus zu kaufen und mit dem bewährten Handwerker-Team umzubauen. Ein Denkmal, vermutlich im 17. Jahrhundert erbaut, das ehemals der Kramerfamilie Böndel gehörte und später von Konditormeister Heinrich Krull als Backstube und Café genutzt wurde. Heute sind die beiden unteren Ladenlokale vermietet, in den oberen Räumen Wohngruppen von Eben-Ezer eingezogen.

Vom Schneidersitz zum Feriendomizil Und als der Eigentümer ihm dann noch die rückwärtige Immobilie an der Echternstraße anbot, ließ sich Sagner nicht lange bitten. Ebenfalls ein eingetragenes Denkmal, das ursprünglich zum Anwesen an der Mitttelstraße gehörte und später zum Wohnhaus ausgebaut wurde. Im 19. Jahrhundert residierte dort wohl der Hofschneider, wie Thorsten Sagner erzählt. In den 1980er-Jahren sei es zuletzt saniert worden. &bdquo;Da mussten wir nicht an die Substanz“, berichtet er von den Sanierungsarbeiten, während er durch die hellen Räume des praktisch eingerichteten Hauses führt, das er mittlerweile als Feriendomizil vermietet.

Und damit nicht genug, ging es mit den Zufällen weiter. Ein Freund hatte ein Haus am Veilchental geerbt, für das er einen Käufer suchte. Und Thorsten Sagner, der sich von Projekt zu Projekt mehr in den Denkmalschutz eingearbeitet hatte, wusste gleich, dass das was werden könnte, zwischen ihm und dem alten Arbeiterhaus. &bdquo;Und ohne diese Affinität geht es wohl nicht.“ Denn bei alten Häusern wisse man nie genau, was einen erwartet, eine Art &bdquo;agiler Prozess“, der sich dynamisch entwickele - und ganz klar, wer maximale Rendite und viel Wohnraum schaffen wolle, der sei bei anderen Projekten besser aufgehoben.

Häuser für Gerber Der Lederfabrikant Carl Potthoff ließ die Reihenhäuser am Veilchental in den 1880er-Jahren bauen, um Wohnraum für seine Arbeiter zu schaffen. Zwei Hausreihen mit jeweils vier Wohnhäusern, unweit gelegen der ehemaligen Lederfabrik an der Breiten Straße sind damals entstanden. Die hatte das geruchsintensive Beizen und Kälken der Tierhaut in den 1870er-Jahren an den Verbindungsgang zwischen Beguinenstraße und Breite Straße verlegt. Bald schon zirkulierte der Spottname Veilchental in der Stadt - den beißenden Gerüchen der Lederbearbeitung geschuldet.

Acht Gerber wohnten in den Häusern, die Fabrikant Potthoff 1912 in Teilen an die Arbeiter verkaufte. Einfache Reihenhäuser auf zwei Etagen mit angegliedertem kleinem Stall, die vor und hinter dem Haus noch heute nur über eine schmale Zuwegung zu erreichen sind. Und während die übrigen Reihenhäuser in der Vergangenheit stark umgebaut wurden, hat das Haus von Thorsten Sagner die Jahrhunderte in den wesentlichen Strukturen gut überstanden und es damit auf seinen Wunsch hin auch auf die Denkmalliste der Stadt Lemgo geschafft.

Ganz eigener Charme Derzeit präsentiert sich die ehemalige Werkswohnung noch als Baustelle und wird behutsam umgebaut. Die schmale Treppe im Flur wird erhalten, ebenso wie wie die Putzfassade und einige der alten Fenster und Türen. Und trotz des Baustellencharakters besticht das Arbeiterhaus bereits mit ganz eigenem Charme, der Thorsten Sagner von Anfang an eingenommen hat: mit dem kleinen Balkon über der Haustür, der gemütlichen Raumaufteilung, mit dem länglichen verwilderten Garten, der sich erst hinter der schmalen Zuwegung vor dem Haus hin zur Bega erstreckt, mit dem kleinen Hof auf der Rückseite des schmalen Hauses und der Bruchsteinmauer, die unmittelbar an den hinteren Fußweg grenzt.

Thorsten Sagner plant, das Veilchental zu vermieten. Noch ist zwar unklar, wann das junge Denkmal bezugsfertig ist. Doch eines ist klar: &bdquo;Da muss ich Leute finden, die Lust auf Denkmal haben.“

Der Zufall und die Denkmäler: Wie Thorsten Sagner in Lemgo zu seinen alten Häusern kam

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