Lemgo. Auf Einladung des Vereins „An die Arbeit“ und der Stiftung Eben-Ezer ist der Wirtschaftspsychologe Prof. Dr. Jürgen Deller von der Leuphana Universität Lüneburg in Lemgo zu Gast gewesen. Im Rahmen der Reihe „Nah am Menschen – Job mit Sinn“, die unter der Schirmherrschaft von Arbeitsminister Karl-Josef Laumann steht, sprach er vor rund 40 Gästen im kirchlichen Zentrum von Eben-Ezer über Selbstverwirklichung im Beruf, wie die Stiftung mitteilt.
Eben-Ezer-Geschäftsführer Falko Heise erinnerte zu Beginn der Veranstaltung an den kurz zuvor verstorbenen Walter Kern, der Vorsitzender von „An die Arbeit“ war. Der Verein hat sich der unbürokratischen Hilfe für junge Menschen auf dem Weg ins Erwerbsleben verschrieben. Kern habe sich nicht nur über viele Jahre für die jungen Menschen, sondern auch in den Einrichtungen Eben-Ezers engagiert. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin habe die Veranstaltung stattgefunden. Eine Schweigeminute würdigte sein Wirken.
Nach einer Vorstellung durch Geschäftsführerin Maike Krüger begann Prof. Dr. Deller seinen Vortrag, den er als „Liebeserklärung an die Arbeit“ beschrieb. Arbeit sei weit mehr als Broterwerb, betonte er: Sie gebe dem Alltag Struktur, stifte Identität, ermögliche soziale Teilhabe und biete Menschen die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten einzusetzen und Wirkung zu entfalten. Gerade junge Erwachsene am Beginn ihres Berufslebens profitierten besonders von dieser identitätsstiftenden Funktion.
Folgen der Arbeitslosigkeit
Ausführlich sei Deller auf die Marienthal-Studie von 1933 eingegangen, die die Folgen massiver Arbeitslosigkeit untersuchte. In dem kleinen österreichischen Dorf habe die Schließung der örtlichen Textilfabrik dazu geführt, dass nahezu die gesamte Bevölkerung arbeitslos geworden sei. Statt sozialer Unruhen fanden die Forschenden damals vor allem Resignation, Vereinsamung und Apathie. Diese Erkenntnisse seien bis heute gültig, so Deller – nicht nur für Erwerbslose, sondern auch für Menschen am Übergang in den Ruhestand. Der Verlust von Struktur und sozialer Einbindung könne zu erheblichen Anpassungsschwierigkeiten führen. Umso wichtiger sei eine bewusste Vorbereitung auf diese Lebensphase, für die es bislang weltweit erstaunlich wenig Forschung gebe.
Mit Blick auf die moderne Arbeitswelt habe Deller die Bedeutung einer gesunden Balance zwischen beruflichen Anforderungen und privatem Leben hervorgehoben. Klare Grenzen, Erholungsphasen und bewusste Freizeitgestaltung seien zentrale Voraussetzungen, um langfristig leistungsfähig und zufrieden zu bleiben. Arbeit müsse neu gedacht werden – sowohl im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Bedeutung als auch auf die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten. Im Anschluss an den Vortrag sei eine lebendige Diskussion entstanden. Krüger moderierte die Fragerunde und dankte Deller für seine Impulse.