Hameln (dpa/lni). Der Vaters eines Opfers im Missbrauchsskandal von Lügde ist nach Darstellung des Landkreises Hameln-Pyrmont nicht über die Vorfälle informiert worden, weil er kein Sorgerecht hat. Der Mann habe deshalb kein Auskunftsrecht, sagte eine Sprecherin am Montag. Der Mann, der zum Schutz seiner Tochter in der Öffentlichkeit anonym bleiben wollte, hatte seine Vorwürfe im NDR erhoben. Der Landkreis habe nicht auf seine wiederholten telefonischen Proteste gegen den verwahrlosten Aufenthaltsort seiner Tochter reagiert, nachdem er zufällig erfahren hatte, dass das Mädchen im Jahr 2016 in die Obhut des Hauptverdächtigen gegeben worden war. Dieser Vorwurf werde noch überprüft, sagte die Sprecherin.
Die FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag kritisierte am Montag die Kreisverwaltung. Es sei nicht nachvollziehbar, warum das Jugendamt auf die Hinweise des Vaters nicht reagiert habe, sagte die sozialpolitische Sprecherin Sylvia Bruns. «Dass der Vater weder kontaktiert, noch über den sexuellen Missbrauch seiner Tochter informiert wurde, ist eine Bankrotterklärung.»
«Es ist unglaublich und nicht nachvollziehbar, was im Jugendamt von Hameln-Pyrmont vorgeht», kritisierte auch Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Dirk Toepffer. Er machte sich weiterhin für die Einsetzung eines unabhängigen Sonderermittlers stark.
Die Grünen warfen der Landesregierung vor, den Fall bisher nur «als Versagen einer einzelnen Jugendbehörde» anzusehen. «Notwendig ist ein Konzept, wie sich in Zukunft Jugendämter, Polizei und Beratungsstellen - auch über Ländergrenzen hinweg - im Interesse der Kinder besser koordinieren», sagte Fraktionschefin Anja Piel. «Ein Runder Tisch Kinderschutz wäre dazu ein notwendiger erster Schritt.»
Die Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag wollen nach der AfD-Fraktion den Missbrauchsfall in einem Untersuchungsausschuss aufarbeiten. «Es reicht im Fall Lügde nicht aus, auf die Berichte des Ministers zu vertrauen», sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Verena Schäffer, am Montag in Düsseldorf.
Nach den bisherigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Detmold wurden in Lügde 41 Mädchen und Jungen zum Opfer schweren sexuellen Missbrauchs. Ein 56-jähriger Dauercamper soll die Kinder auf dem Platz an der Landesgrenze zu Niedersachsen zusammen mit einem Komplizen (34) über Jahre hinweg missbraucht und dabei gefilmt haben. Die beiden Männer sowie ein 48-Jähriger aus Stade sitzen in Untersuchungshaft.
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