Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Senior-Chef des Köterberghauses berichtet vom Krieg

Michaela Weiße

  • 1
Rudi Brand zeigt Helmut Eichmann die Stelle auf dem Köterberg, an der die SS-Männer ihr eigenes Grab schaufeln mussten, wie sie glaubten.  - © Michaela Weiße
Rudi Brand zeigt Helmut Eichmann die Stelle auf dem Köterberg, an der die SS-Männer ihr eigenes Grab schaufeln mussten, wie sie glaubten.  (© Michaela Weiße)

Lügde-Köterberg. „Es ist wichtig, Lehren aus der Geschichte zu ziehen", sagt Helmut Eichmann. Als Vorsitzender der Deutschen Kriegsgräberfürsorge in Bad Pyrmont ist es dem 71-Jährigen ein Anliegen, die Erinnerungen an die Opfer des Zweiten Weltkrieges wachzuhalten. Auf Spurensuche war er jetzt auch auf dem Köterberg.

Immer wieder spricht er mit Zeitzeugen und hält die Gespräche für die Nachwelt mit der Kamera fest. Die Videos sind auf dem YouTube-Kanal „Bad Pyrmont Active" zu finden. Jüngst traf er sich mit Rudi Brand, dessen Familie seit Generationen das Restaurant auf dem Köterberg betreibt. Der 86-Jährige hat den Krieg als Kind erlebt. Doch viele der Bilder habe er bis heute noch ganz genau vor Augen.

Grausiges an einem Sonnentag

Kennengelernt haben sich Rudi Brand und Helmut Eichmann vor einigen Jahren zufällig während einer Zugfahrt. „Damals erzählte er mir von dem Soldatengrab im Wald bei Biesterfeld", berichtet Eichmann, der seither versucht, die Identität des vermutlich russischen Soldaten zu klären. Aktuell gibt es in diesem Fall keine neuen Erkenntnisse. Jedoch erfuhr Eichmann bei seinem Treffen mit Brand auf dem Köterberg viele neue Details zu dem Kriegsgeschehen im Weserbergland.

„Es war ein wunderschöner Tag, die Sonne schien", erinnert sich Rudi Brand an jenen Tag im April 1944. Ein Jeep, besetzt mit zwei amerikanischen Soldaten und zwei deutschen SS-Männern, kam auf den Köterberg gefahren. Der damals Neunjährige beobachtete mit seinem Bruder das Geschehen. „Hier an dieser Stelle mussten die beiden SS-Männer ein Loch schaufeln", sagt Brand und deutet ins hohe Gras unter einen Baum. Noch heute könne man die Stelle an den Unebenheiten im Boden erkennen. Es sei vermeintlich das eigene Grab gewesen, das die Männer haben schaufeln müssen, erzählt der Zeitzeuge. „Kämpft ihr immer noch für Adolf Hitler", habe der eine Amerikaner gefragt, während der andere mit einer Maschinenpistole daneben gestanden habe. Die jungen Männer hätten das bejaht – für Führer und Vaterland, habe Brand damals aus der Entfernung hören können.

Probeliegen im Loch

„Die Deutschen sollten sich dann in das Loch legen, um zu schauen, ob sie hineinpassten", erinnert er sich. Schließlich seien sie aber unverrichteter Dinge wieder gefahren. „Wohl, weil wir Kinder nicht mitanschauen sollten, wie sie die Männer erschießen."

Auch an das Feuer kann sich Brand noch sehr gut erinnern. „Von hier oben konnten wir sehen, wie die Städte brannten." Phosphor habe es vom Himmel geregnet. Öfter habe er auch gesehen, wie sich die Flugzeuge im Himmel beschossen. „Blechteile schaukelten in der Luft, wenn eine Maschine getroffen wurde", erzählt der Senior. Mal hätten die Flugzeuge noch weiterfliegen können, mal seien sie vom Himmel gefallen.

„Nachdem die Amerikaner hier waren, versuchten die Polen öfter, in unser Haus einzubrechen", erinnert sich Brand an das Jahr 1945 zurück. Er war mit seiner Mutter und den drei Geschwistern allein im Köterberghaus. Der Vater war in französischer Gefangenschaft und kehrte erst 1948 zurück. Eine Wache vor dem Haus habe Schlimmeres verhindern können. „Bei einem Überfall habe ich aus dem Fenster mit einem Horn geblasen, um die anderen zu warnen", weiß Brand noch ganz genau. Es sind diese und noch viele weitere Bilder, die sich bis heute in seine Erinnerung gebrannt haben.

Weitere Details zu den Erlebnissen von Rudi Brand gibt es im Video auf dem YouTube-Kanal „Bad Pyrmont Active".

Copyright © Lippische Landes-Zeitung 2025
Inhalte von lz.de sind urheberrechtlich geschützt.
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.

Kommunalwahl-Abo

Angebot zur Kommunalwahl

5 Wochen Lippische Landes-Zeitung lesen -
gedruckt UND digital!

Jetzt bestellen
Kommunalwahl-Abo