Vorsitzender des Lügde-Ausschusses: „Befragungen sind hart, aber fair“

Kreis Höxter . Martin Börschel ist Vorsitzender des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses beim Landtag, der die Ereignisse rund um den Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz bei Lügde aufarbeiten soll.

Seit mehr als 60 Sitzungen und zwei Jahren arbeitet und arbeitete das Gremium um den Landtagsabgeordneten der SPD die Fälle auf, sucht weiter Hinweise und Details, befragt Zeugen, darunter auch den aktuellen und den vorherigen Landrat des Kreises Höxter, Michael Stickeln und Friedhelm Spieker, sowie die Jugendamtsleiter Klaus Brune (aktuelle) und Gerhard Handermann (Vorgänger) sowie Mitarbeiter. Ein Rückblick auf die Befragungen.

Herr Börschel, was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Zeugenbefragung rund um das Jugendamt Höxter?

Martin Börschel: Vor Abschluss der Beweisaufnahme möchte ich in eine Beweiswürdigung nicht eintreten. Aber ohne dieser vorgreifen zu wollen, lässt sich sicher festhalten, dass es in Verantwortung des Jugendamts Höxter zahlreiche Mängel gegeben hat. Diese zu benennen und für die Zukunft abzustellen, muss die Aufgabe aller Beteiligten sein.

Muss es Konsequenzen geben? Welche?

Im Bericht des Untersuchungsausschusses wird es unter anderem um die Ausstattung des Jugendamtes in Höxter gehen und auch die sinnvolle Verknüpfung von Informationen, die es innerhalb und außerhalb der Behörde gab. Ich bedauere, dass der amtierende Landrat Stickeln sich für systematische Konsequenzen so viel Zeit gelassen hat und erst jetzt ein Gutachten in Auftrag geben will. Ursprünglich hatte er sogar vor, erst unseren Bericht im nächsten Jahr abzuwarten. So vergeht unnötig viel Zeit für eine Verbesserung der Situation schutzbedürftiger Kinder.

Einige Mitarbeiter sagten, sie hatten Angst, in den Ausschuss zu kommen. Gehen Sie zu hart mit den Zeugen um?

Der Kreis Höxter hat seinen Mitarbeitenden auf Steuerzahlerkosten einen renommierten Anwalt zur Seite gestellt, der die Aufgabe hat, die Interessen der Zeugen zu wahren. Die Befragungen waren nach meiner Einschätzung fair, wenn auch manchmal hart. Bei Bedarf habe ich interveniert.

Es ging dem gesamten Ausschuss stets darum, strukturelle Mängel aufzuspüren, damit diese für die Zukunft abgestellt werden können, und nicht um individuelles Fehlverhalten. Wir sind ja kein Gericht. Wir erwarten aber konstruktive Mitwirkung. Wer bei der Aufklärung mauerte, wurde von den Abgeordneten schon mal intensiver befragt. Immerhin ist eine wahrheitswidrige oder unvollständige Aussage vor dem Ausschuss sogar eine Straftat. Ich hatte aber auch den Eindruck, dass die Verwaltungsspitze ganz bewusst eine Wagenburg gegenüber dem Untersuchungsausschuss bilden wollte. Dies diente aber vor allem dem Ziel von eigenen Versäumnissen abzulenken. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat man damit gewiss keinen Gefallen getan.

Vor allem der Auftritt von Ex-Landrat Spieker hat für Aufsehen gesorgt. Haben Sie manche Zeugenauftritte

geärgert oder zumindest verwundert?

Ach ja, Herr Spieker. . . Er hat wohl gedacht, mit ein paar lockeren Sprüchen durchzukommen. Aber er war nun mal als oberster Dienstherr verantwortlich für die Personalausstattung des Jugendamtes, das dortige Arbeitsklima und die Maßstäbe, nach denen dort gearbeitet wird. Da kann man sich als jemand, der sonst gerne alles in der Hand hatte, nicht mit der Eigenverantwortung der Mitarbeitenden rausreden. Das habe ich gegenüber den vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Jugendamtes als unfair empfunden.

Das Thema Höxter hatte in der Intensität niemand so richtig auf dem Schirm, es hat letztlich viel länger gedauert als erwartet. Können Sie dem auch etwas Positives abgewinnen?

Es hat ja unter anderem deshalb so lange gedauert, weil der Kreis dem Ausschuss so spät verwertbare und dem Datenschutz entsprechende Akten geliefert hat. Der intensive Blick auf Höxter hat noch mal bestätigt, dass wir es mit einem strukturellen Thema zu tun haben, das an vielen Orten ähnlich auftreten könnte. Dass es in Höxter zusätzlich deutliche interne Probleme gab und möglicherweise noch gibt, hat die Sache dann noch schlimmer gemacht. Wenn unsere Arbeit aber dabei hilft, die Situation schutzbedürftiger Kinder als Schwächsten unserer Gesellschaft zu verbessern, hätten wir schon was erreicht.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir werden uns in den nächsten Wochen nochmals mit der Arbeit der Polizei beschäftigen, mit der wir unsere Arbeit auch begonnen hatten. Die Beweisaufnahme soll im Dezember mit einem Sachverständigengespräch zu verschiedenen Themenkomplexen, die wir gerne vertiefen wollen, enden. Dann beginnt die Phase der Beweiswürdigung und die Formulierung von Handlungsempfehlungen. Ich strebe an, dass wir unsere Ergebnisse im März dem Landtag vorlegen können. CDU, SPD, FDP und Grüne haben sich außerdem darauf verständigt, die Arbeit des Untersuchungsausschusses nach der Landtagswahl im kommenden Jahr fortzusetzen. Es ist wahrscheinlich, dass dann auch Höxter noch mal Thema sein wird.

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