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Oerlinghauser Traditionsgeschäft Schuh-Solle blickt auf 90 Jahre zurück

Seine Spezialität sind Sondergrößen – auch Menschen mit sehr großen oder kleinen Füßen werden hier fündig

Karin Prignitz

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In dritter Generation: Susanne Solle (links) hat das Schuhgeschäft an der Holter Straße 45 im Jahr 2004 von ihren Eltern Heinrich und Trude Solle übernommen. Gegründet worden ist es 1926 von Heinrich Solles Vater, der ebenfalls Heinrich hieß. - © Karin Prignitz
In dritter Generation: Susanne Solle (links) hat das Schuhgeschäft an der Holter Straße 45 im Jahr 2004 von ihren Eltern Heinrich und Trude Solle übernommen. Gegründet worden ist es 1926 von Heinrich Solles Vater, der ebenfalls Heinrich hieß. (© Karin Prignitz)

Oerlinghausen. Im auffällig dekorierten Schaufenster von Schuh-Solle steht eine alte Registrierkasse. Neben ihr liegt eine Bestellliste aus dem Jahr 1941. Schuhe, die den Namen München, Garmisch, Boston, Club oder Schuhhilfe tragen, sind dort als Zeichnung abgebildet. Erinnerungen an eine Zeit, als Schuhe noch zu den wertvollen Anschaffungen des Alltags zählten.

Seniorchef Heinrich Solle verdeutlicht den einstigen Stellenwert: „Wenn man sich ein Paar leistete, wurde das bis zu 20 Mal repariert." Heute seien Schuhe vermehrt auch modisches Accessoire.

1926 fasste Heinrich Solle Senior den Entschluss, sich selbstständig zu machen und eine eigene Werkstatt zu gründen. 50 bis 60 Paar Lederschuhe fertigte der damals 21-Jährige pro Jahr, zunächst noch auf dem elterlichen Hof im Bokelfenn. Schon kurze Zeit später suchte der junge Schuhmachermeister die Nähe zum Zentrum.

1929 bezog Solle das schmucke Haus mit den roten Ziegeln. Auf überschaubaren 14 Quadratmetern befand sich die Ladenfläche, denn damals war die Auswahl längst nicht so groß, wie heute. Schuhwerk wurde maßgefertigt. „Ein Paar gute Schuhe, ein Paar Arbeitsschuhe, ein Paar Holzschuhe, in die im Winter Stroh gestopft wurde", so habe die Ausstattung der meisten Bürger ausgesehen.

„Gummistiefel hat es damals kaum gegeben, weil Gummi knapp war", erinnert sich Heinrich Solle (77). Autoreifen seien zu Sohlen geschnitten worden. „Für Jäger wurden Stiefel mit eingenähter Schweineblase angefertigt – zur Wasserdichtigkeit." Pferdegeschirr, während des Krieges Ledermäntel, Kappen und Wehrmachtsschuhwerk, auch sie brachten die Bürger zum „Scheusker" (Schuster). Lippisches Platt gehörte zum vertrauten Umgangston, wenn man sich in der Werkstatt traf – auch sonntags, denn viele Kirchgänger kamen nach dem Gottesdienst.

„Hennerken" wurde er selbst gerufen. Im Gedächtnis geblieben ist Heinrich Solle, dass sein Vater zeitweise sieben Gesellen beschäftigte und in Kriegszeiten seine Mutter Martha im Geschäft stand. „Mein Vater hat noch mit 75 Jahren in der Werkstatt Schuhe repariert, meine Mutter mit 80 noch im Laden geholfen." Diesen Zusammenhalt gibt es noch heute.

Mehrmals wurde umgebaut, die Ladenfläche erweitert, die einst so wichtige Werkstatt mit zunehmender Industrialisierung nach und nach verkleinert. 1972 übernahm Heinrich Solle das Geschäft von den Eltern und führte es gemeinsam mit seiner Frau Trude. Kennengelernt haben sie sich in der ehemaligen Bielefelder Schuhfabrik Gehring & Sudbrack „Wir waren ein gutes Team", sagt die heute 74-Jährige.

Das machte sich vor allem einen Namen mit dem Angebot von Übergrößen. Herren haben die Chance, Schuhe bis Größe 54 zu finden, Damen bis Größe 46,5. Das andere Extrem sind Damenschuhe ab Größe 34 abwärts. Um sie zu bekommen, nehmen Kunden weite Wege in Kauf. „Denn welche Frau mit sehr kleinen Füßen", fragt Heinrich Solle, „möchte schon Kinderschuhe tragen?"

„Früher gab es sogar Damenschuhe in Größe 32", erzählt Susanne Solle, die das Geschäft im Jahr 2004 von den Eltern übernommen hat. „Die Industrie hat sich aber darauf eingestellt, dass die Menschen und damit auch die Füße größer werden." Und auch der Laden wurde größer: Mit 140 Quadratmetern Verkaufsfläche ist er heute zehnmal so groß wie zur Zeit des Gründers.

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