Widerstand gegen Nazis – Oerlinghauser auf Spurensuche

Oerlinghausen. &bdquo;Für mich war es besonders bedrückend, als wir in Terezín das Gefängnis für politische Gefangene besucht haben“, berichtet Lina Kindsgrab. &bdquo;Zu sehen, dass in diesem ehemaligen Konzentrationslager alles noch da ist, zum Beispiel die Duschen und die Betten.“ Die 17-Jährige aus Oerlinghausen hat an einer Fahrt nach Tschechien zu den Gedenkstätten der Nazi-Verbrechen teilgenommen.

Auf Einladung des Soziokulturellen Zentrums Knup begaben sich mehrere junge Menschen aus der Bergstadt auf die Spurensuche zum Thema &bdquo;Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ in Tschechien. Zwei Historikerinnen mit langjähriger Erfahrung in der Organisation von Gedenkstättenfahrten haben die 25-köpfige Gruppe begleitet.

Die Reise beginnt in Prag

Die fünftägige Reise begann in der Hauptstadt Prag mit Besuch der &bdquo;Nationalen Gedenkstätte für die Helden der Heydrichiade“. Sie erinnert an die tschechoslowakischen Fallschirmspringer, die 1942 einen Anschlag auf den SS-Mann Reinhard Heydrich verübten. Er war einer der nationalsozialistischen Verwaltungsleiter auf tschechoslowakischem Gebiet und zählte zu den Hauptorganisatoren des Holocaust. Die Gedenkstätte befindet sich in einer Kirche. Die Widerstandskämpfer nutzten sie als zeitweiliges Versteck und fanden dort nach einem Verrat den Tod. Am folgenden Tag fuhr die Gruppe zum Konzentrationslager Lety, 80 Kilometer von Prag entfernt. Es bestand von 1940 bis 1945. Eine Großzahl von Sinti und Roma-Häftlingen, die zumeist von den Nazis als &bdquo;asozial“ eingestuft waren, überlebten die Lagerbedingungen nicht oder wurden weiter nach Auschwitz deportiert.

Die Gruppe aus Oerlinghausen erfuhr, dass sich auf dem Gelände noch lange Zeit eine Schweinemastanlage befand. In den neunziger Jahren führte dies zu einem öffentlichen Skandal, jedoch erst 2017 wurde die Anlage geschlossen. Lange kämpften Nachfahren für eine angemessene Erinnerungskultur. 2023 konnte dann endlich eine moderne Ge denkstätte eröffnet werden.

Nächster Stopp das Dorf Lidice

Nächster Stopp der Rundreise war das 100 Kilometer entfernte ehemalige Dorf Lidice. Als Vergeltung für das Attentat auf Heydrich, nach dem er wenige Tage später im Krankenhaus gestorben war, wurden hier im Juni 1942 alle Männer und Kinder ermordet, Frauen wurden in Konzentrationslager deportiert. Anschließend steckten die Nazis das Dorf in Brand, sprengten die Gebäude und ebneten sie ein. Das belastend wirkende Gelände löste bei der Gruppe beklemmende Gefühle aus. Insbesondere das Schicksal der in SS-Wagen vergasten 81 Kinder bewegte die Teilnehmenden.

Mit Terezín (deutsch Theresienstadt) erreichte die Gruppe ihr Reiseziel in Nordböhmen. Die im 18. Jahrhundert als Garnisonsstadt errichtete Festung diente den deutschen Besatzern nicht nur als Gestapo-Gefängnis (seit 1940). Das Konzentrationslager war ebenfalls ein Transitlager auf dem Weg in die großen Vernichtungslager. Auch in der NS-Propaganda wurde Theresienstadt als angebliches &bdquo;Altersghetto“ verklärt. &bdquo;Vor allem die Inschrift Arbeit macht frei über dem Torbogen am Eingang hat mich sehr berührt“, sagte Lina Kindsgrab. &bdquo;Der SS-Kommandant hat denselben Schriftzug verwendet wie in Auschwitz.“

Ein Gespräch mit Zeitzeugen

Ein Gespräch mit Zeitzeuginnen der zweiten Generation gehörte zum Programm. Die Eltern von Zuzanna Peterová haben verschiedene Konzentrationslager überlebt. Die heute 74-Jährige sprach per Onlinekonferenz zu den Teilnehmenden über die Weitergabe von Traumata, die Kindheit mit Holocaust-Überlebenden und über die aktuelle Situation von Jüdinnen und Juden.

In Terezin wird auf die dort ermordeten 33.500 Menschen sowie an die rund 88.000 Menschen hingewiesen, die in Vernichtungslager deportiert worden sind. Die Gruppe aus Oerlinghausen beendete die Fahrt mit einem individuellen, stillen Gedenken am Fluss Eger. Es ist jener Ort, an dem die Nazis im November 1944 die Asche von mehr als 20.000 zumeist jüdischen Opfern in den Fluss warfen, um Spuren zu vernichten.

&bdquo;Die Gedenkstättenfahrt war für mich sehr wichtig, zumal das Thema in Schulen nicht behandelt wird“, sagte Lina Kindsgrab. &bdquo;Auch die abendlichen Gespräche in der Gruppe haben allen sehr geholfen, das Gefühl von Machtlosigkeit zu überwinden.“

Weitere Fahrten zu anderen Orten der Nazi-Verbrechen seien geplant, teilte das Knup mit. &bdquo;Denn die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus und die Erinnerung daran ist aufgrund des gesellschaftlichen Rechtsrucks umso wichtiger.“

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