Anne Gesthuysen berichtet in Oerlinghausen, wie sie ein Trauma im Roman verarbeitet

Oerlinghausen. Ohne Zweifel – Anne Gesthuysen ist ein Energiebündel, eine Frau, die als Niederrheinerin das Herz auf der Zunge trägt und fast so schnell sprechen kann, wie einst der legendäre Dieter Thomas Heck. Viele Worte in kürzester Zeit, die bringt auch die Bestsellerautorin und Moderatorin bei ihrer Lesung in der Mensa der Heinz-Sielmann-Schule unter. Damit ihr Mann Frank Plasberg glaubt, dass 220 Menschen erwartungsvoll im Publikum vor ihr sitzen, wird vorher schnell noch ein Video für ihn mit der winkenden Zuhörermenge gemacht.

&bdquo;Wie schön, dass ich wieder hier bin“, sagt Anne Gesthuysen, die bereits im Oktober 2016 in Oerlinghausen zu Gast war. &bdquo;Echte Herzensbücher mit dem gewissen Blick für das, was das Leben so mit uns vor hat“, schreibe sie, sagt Cerrin Wehrmann-Ristau von der veranstaltenden Buchhandlung Blume. Das Mikro quietscht, Jörg Czyborra versucht, Abhilfe zu schaffen, und wäre selbstredend auch der nicht ganz ernst gemeinten Bitte Anne Gesthuysens, ob er denn wohl auch für sie in den nächsten etwa zwei Stunden das Mikro halten könne, nachgekommen. Muss er aber nicht.

Ohne technische Störungen nimmt die Autorin das Auditorium zunächst mit in die eigene Geschichte, in das kleine Dorf Veen in der Gemeinde Alpen, in dem sie aufgewachsen ist. Journalistin wollte sie schon immer werden, Buchautorin eher nicht. Doch wie der Zufall es will, bot sich irgendwann die Gelegenheit. &bdquo;Und wenn ich etwas kann, dann ist es, Chancen zu ergreifen, wenn sie sich bieten“, erzählt Anne Gesthuysen vom Kontakt mit Christine Westermann.

Tante Ottilie ist wieder mit dabei Mittlerweile ist ihr fünfter Roman erschienen. Immer sind es eigene Erfahrungen, die verarbeitet werden. Im aktuellen Roman &bdquo;Vielleicht hat das Leben Besseres vor“ geht es um eine Familiengeschichte, um eine schicksalhafte Dorfgemeinschaft, in der die Gerüchteküche brodelt, eine junge Pastorin und eine Mutter, die für ihr Kind kämpft. Wieder mit eingebunden hat Anne Gesthuysen Tante Ottilie. &bdquo;Sie spukt schon im dritten Roman herum, ihre Rolle wird immer größer“, erzählt die Autorin und nimmt die Zuhörer dann mit in das Geschehen.

Still wird es kurz vor Schluss, als Anne Gesthuysen eindringlich vom Unfall-Schicksal der kleinen Raffaela, die seither geistig behindert ist, erzählt. Sie selbst hatte mit ihrem heute 14-jährigen Sohn ein ähnliches Erlebnis, das glücklicherweise gut ausgegangen ist. Das Trauma ist geblieben. Das Thema treibt sie nach wie vor um. Die 55-jährige Autorin thematisiert diese Dinge offen, spricht auch über Diskriminierung und Integration und wünscht sich oftmals &bdquo;ein bisschen mehr Versöhnungswillen, so, wie ihn Tante Ottilie besitzt“.

Liebesszene im Detail Am Ende wählt sie bewusst eine fröhliche Szene, &bdquo;denn ich kann Sie ja nicht mit großem Drama entlassen“. Und so erfährt das Publikum, wie Anne Gesthuysen sich darin geübt hat, eine Liebesszene zu schreiben. Kommentar nach dem ersten Versuch: &bdquo;Liebe Anne, so genau will es wirklich keiner wissen.“

Zwischen den Szenen, die sie liest, verrät die Mutter eines 14-jährigen Sohnes, warum sie es &bdquo;absolut richtig“ findet, zu gendern, es selbst es aber noch nicht anwendet, weil sie &bdquo;von der Wucht genervt ist, in der das umgesetzt werden soll“. Ein temporeicher Abend mit vielen Facetten. &bdquo;Sie macht das richtig gut“, da sind sich viele Besucherinnen am Ende einig.

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