Warum Ex-Bürgermeisterin Ursula Herbort gegen die Stadt Oerlinghausen klagt

Oerlinghausen / Minden . Dass die Zwischenberatung des fünfköpfigen Richtergremiums fast dreimal so lange wie angesagt dauerte, und die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Minden sich mehr Zeit für Urteil und Begründung lassen will, machte die Schwierigkeit der Materie deutlich, mit der sich die Kammer zu beschäftigen hatte. Es ging um die Klage der ehemaligen Bürgermeisterin Ursula Herbort auf Nachzahlung des kinderbezogenen Familienzuschlags, den Beamte zusätzlich zum Kindergeld erhalten.

In Rede stehen mehr als 13.000 Euro aus den Jahren 2015 und 2016 für ihr im Jahr 2000 geborenes, drittes Kind.

Der Familienzuschlag spielt für Beamte eine entscheidende ergänzende Rolle zum Kindergeld, indem er eine zusätzliche finanzielle Unterstützung bietet, die speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist, heißt es auf einer Beratungsplattform für Beamte dazu. Diese spezifische Zulage hängt von der Anzahl der kindergeldberechtigten Kinder und weiteren Faktoren wie Bundesland und Besoldungsgruppe ab. &bdquo;Zusammen sorgen Kindergeld und Familienzuschlag dafür, dass Beamte mit Kindern eine umfassendere finanzielle Entlastung erfahren,“ heißt es auf der Plattform.

Erst mal teilweise abgelehnt Den ersten Antrag der damals noch amtierenden Bürgermeisterin und promovierten Verwaltungsjuristin lehnte die Stadt teilweise ab. Von der Forderung auf 11.000 Euro erkannte sie nur die Hälfte an. Musste die Klägerin als Wahlbeamtin der Stadt nun jedes Jahr einen Antrag stellen oder konnte sie davon ausgehen, dass die Auszahlung sozusagen automatisch fortgeschrieben und an die gesetzlichen Änderungen angepasst wurden? Eine der Fragen, die das Gericht jetzt beschäftigten.

Neuer Schwung kam in die Sachlage mit einer wesentlichen, nachträglich wirksamen Änderung durch den Landesgesetzgeber. Nach dem Alimentationsprinzip verpflichtet sich der öffentliche Dienstherr, Beamte und deren Familien &bdquo;lebenslang amtsangemessen“ zu versorgen (alimentieren).

Das Gehalt muss dem Amt und den familiären Bedürfnissen entsprechen, insbesondere für Beamtenfamilien mit mehr als zwei Kindern. Darauf hatte schon das Bundesverfassungsgericht im Mai 2020 aufmerksam gemacht, das die bisherige Regelung für nicht ausreichend hielt.

Gesetzesänderung mit Rückwirkung Darauf reagierte das Land NRW am 14. September 2021 mit dem &bdquo;Gesetz zur Anpassung der Alimentation kinderreicher Familien für die Jahre 2011 bis 2020“. Rückwirkend sollen danach berechtige Personen für die Jahre 2011 bis 2020 &bdquo;für das dritte und jedes weitere in ihrem Familienzuschlag zu berücksichtigende Kind monatliche Nettonachzahlungen“ erhalten. Laut Anlage zum Gesetz waren das zwischen 152,37 (2011) und 216,67 (2016) Euro Nettonachzahlungen pro Monat. Für die Klägerin in den beiden jetzigen Verfahren, die sie nach dem neuen Gesetz anstrengte, einmal 10.630,82 Euro zum anderen 3.328,34 Euro.

Doch der Gesetzgeber hatte eine Beschränkung eingebaut, die die Stadt Oerlinghausen – die die Auszahlungsaufgabe an das Kommunale Versorgungswerk Westfalen-Lippe übertragen hatte – jetzt in die Verhandlung einbrachte.

&bdquo;Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn ein über die gesetzlich zustehende Besoldung hinausgehender Anspruch auf Besoldung für das dritte Kind und weitere Kinder nicht in dem Haushaltsjahr, für das die zusätzliche Besoldung verlangt wird, schriftlich gegenüber der jeweils zuständigen Stelle geltend gemacht oder wenn über den Anspruch bereits abschließend entschieden worden ist“, heißt es im Gesetz. Das soll für sicherere öffentliche Haushaltsplanung sorgen. Die Klägerin habe deshalb ihren Rechtsanspruch auf Nachzahlung verwirkt.

Mögliche formale Verwaltungsfehler Die Vorsitzende Richterin Kerstin Gelharb ließ erkennen, dass die Klage Erfolg haben könnte. Das würde nicht unwesentlich an formalen Fehlern liegen. Die Stadt hatte nämlich ihre Ablehnung nicht als förmlichen Bescheid, eine Verwaltungsakte, sondern als Schreiben geschickt – ohne Rechtsmittelbelehrung. Zudem sei, anders als Stadt argumentierte, im Schreiben nicht generell auf die Besoldungsverordnung Bezug genommen worden. Das wichtige Wort &bdquo;allgemein“ fehlte.

&bdquo;Was soll das Informationsschreiben bewirken?“, fragte die Vorsitzende Richterin nach gut zweistündiger Verhandlung. Wie die Klage ausgeht, ist offen – relativ jedenfalls. Eine für die Stadt und das Versorgungswerk negative Tendenz ist erkennbar. Genaues weiß man in spätestens 14 Tagen.

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