Wegweisendes Urteil zur Beamtenbesoldung könnte auch teure Folgen für NRW haben

Düsseldorf/Berlin. Experten erwarten, dass das Land NRW ein neues Besoldungsrecht benötigt. Das regelt, wie die Beamtinnen und Beamten im Land bezahlt werden. Anlass ist ein neues Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das dürfte in Berlin zu Nachzahlungen führen – und wird nach Einschätzung von Experten auch konkrete Auswirkungen auf NRW haben.

In Berlin hatten Beamte wie Feuerwehrleute und Polizisten gegen das Land geklagt. Sie sind der Meinung, dass ihre Bezüge in den vergangenen Jahren zu niedrig waren. Die Richterinnen und Richter in Karlsruhe haben daraufhin die gesamte Grundbesoldung der Besoldungsordnung A in Berlin überprüft. Ergebnis: 95 Prozent der geprüften Besoldungsgruppen sind verfassungswidrig. Somit haben die meisten Beamten in Berlin im Zeitraum von 2008 bis 2020 zu wenig Geld erhalten.

Das Beamtenrecht sieht nämlich vor, dass ein Beamter in der untersten Besoldungsgruppe mindestens 15 Prozent mehr netto verdienen muss als ein Empfänger der Grundsicherung (früher Bürgergeld). Da es Abstände zwischen den Besoldungsgruppen geben muss, überträgt sich eine Erhöhung in den unteren Gruppen automatisch auf Beamte in höheren. Die Beamten, die in Karlsruhe gegen das Land Berlin geklagt hatten, sind der Auffassung, dass genau das nicht hinreichend passiert ist. Denn das damalige Bürgergeld war zwischenzeitlich um 25 Prozent erhöht worden – die Beamtenbesoldung in dem Umfang hingegen nicht.

Beamtenbund hält Gesetz in NRW für obsolet Für das Land NRW ist das Urteil von Bedeutung. Das aktuelle Besoldungsgesetz sei &bdquo;somit obsolet“, sagt der Chef des Deutschen Beamtenbundes (DBB) in NRW, Roland Staude, dieser Redaktion. Die vorliegende Entscheidung sei für &bdquo;zahlreiche vergleichbare Verfahren“ aus anderen Ländern &bdquo;relevant“, heißt es im Urteil aus Karlsruhe. Der FDP-Landtagsabgeordnete Ralf Witzel rät Beamten in NRW nun sogar, einen Besoldungswiderspruch einzulegen. &bdquo; Nur dann haben sie einen Anspruch auf nachträgliche Vergütung und Rechtsanwendung.“

Tatsächlich handelt es sich nicht nur um ein Berliner Phänomen. Auch in NRW sind Beamte zuletzt gegen die Besoldung vorgegangen. Diese Redaktion berichtete im Frühjahr exklusiv, dass Ende März rund 1.900 Beamte gegen das Land geklagt hatten – und somit gegen ihren eigenen Dienstherrn. Die Klagen bezogen sich auf die Besoldung und Versorgung für 2022. Dem vorausgegangen waren rund 55.000 Widersprüche. Auch die Beamten in NRW halten die Besoldung für zu niedrig.

Ob und in welchem Umfang die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (mittelbar) auch Auswirkungen auf die Besoldung des Landes NRW haben könnte, &bdquo;bedarf einer intensiven Prüfung und Bewertung der Entscheidungsgründe“, teilt das NRW-Finanzministerium auf Anfrage dieser Redaktion mit. &bdquo; Da es sich hierbei um rechtlich hochkomplexe Fragestellungen handelt, wird dies einige Zeit in Anspruch nehmen. Insoweit gilt der Grundsatz: Sorgfalt vor Schnelligkeit.“

Fiktives Partnereinkommen führt zu Kritik in NRW Experten halten konkrete Folgen für NRW noch aus einem anderen Grund für sehr wahrscheinlich. Das Land hatte im vergangenen Jahr ein Gesetz verabschiedet, das bis heute höchst umstritten ist. Die schwarz-grüne Landesregierung geht seitdem bei der Bezahlung seiner Beamten, also der Alimentation, nicht mehr davon aus, dass der Beamte oder die Beamtin &bdquo;Alleinverdiener“ ist, sondern, dass auch der Partner oder die Partnerin Geld verdient. Deshalb berechnet das Land inzwischen ein &bdquo;fiktives Partnereinkommen“ in Höhe von 538 Euro in die Besoldung mit ein. Auf dem Papier hat der Beamte also mehr Geld, tatsächlich aber nicht.

Pikant: Wenn ein Beamter keinen Lebens- oder Ehepartner mit einem Einkommen von mindestens 538 Euro hat, dann steht ihm &bdquo;im Einzelfall“ eine höhere Besoldung zu. Allerdings muss er die dann eigens beantragen. Das sei nicht rechtens, meinen Experten.

Ein Gutachten im Auftrag des DBB in NRW kam zu dem Ergebnis, dass das Gesetz insgesamt aus mehreren Gründen verfassungswidrig sei. In einer Anhörung am Dienstag im Landtag untermauerten sämtliche geladene Experten ihre Zweifel. &bdquo;Kein Fachmann hält diesen Entwurf für verfassungstauglich – nicht einer“, sagt SPD-Politiker Stefan Zimkeit und bezeichnet das Gesetz als einen &bdquo;Schnellschuss“.

Das Urteil aus Karlsruhe bestätigt laut FDP-Politiker Witzel jetzt die Kritik am Partnereinkommen auch für NRW. Denn entscheidend für die angemessene Mindestbesoldung der Beamten sei demnach eine vierköpfige Familie mit einem Alleinverdiener &bdquo;ohne“ zusätzliche Zweiteinkommen.

Das NRW-Finanzministerium teilt dazu mit, dass auch die Expertenanhörung im Landtag &bdquo;insbesondere im Lichte der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gewürdigt werden“ müsse.

Beamtenbund will mit Land über Reform sprechen Die Richter in Karlsruhe kommen insgesamt zu dem Ergebnis, dass das Land Berlin die Kriterien für eine Beamtenbesoldung nicht in ausreichendem Maße beachtet hat. Berlin hat nun bis Ende März 2027 Zeit, die Bezüge der Beamten anzupassen. Das könnte zu Kosten in dreistelliger Millionenhöhe führen. Mit Nachzahlungen dürfen hingegen nur die Beamten in Berlin rechnen, die sich in der Vergangenheit gegen die Besoldung gewehrt hatten und über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden wurde.

FDP-Politiker Witzel ist der Meinung, dass auch die aktuelle Beamtenbesoldung in NRW ab der Beschlussfassung des fiktiven Partnereinkommens 2024 &bdquo;verfassungswidrig“ ist. Nachträglich könne dieser &bdquo;rechtliche Mangel“ nicht geheilt werden. &bdquo;Er dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rückwirkenden zusätzlichen Alimentationsansprüchen zu Lasten der Landeskasse führen.“ Es brauche jetzt zeitnah ein neues Gesetz. Der DBB in NRW sagt, dass er &bdquo; grundsätzlich“ zu Gesprächen mit der Landesregierung über eine Besoldungsreform bereit sei.

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