Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

„Überwältigt und sprachlos“: Lange Schlangen bei Steinheimer Typisierungsaktion

Madita Schellenberg

  • 0
Anna Marschke (links) und Theresa Keuter (DKMS) sind in Steinheim optimistisch, viele neue Spender zu finden. - © Madita Schellenberg
Anna Marschke (links) und Theresa Keuter (DKMS) sind in Steinheim optimistisch, viele neue Spender zu finden. (© Madita Schellenberg)

Steinheim/Bergheim. Es war noch nicht einmal ganz 11 Uhr, da quoll der Parkplatz nahe des Steinheimer Kulturforums schon über. Da war vor der Turnhalle schon eine ausgedehnte Menschenschlange zu sehen. Und da keimte die Hoffnung bei allen Beteiligten in rasanter Geschwindigkeit, doch noch rechtzeitig einen passenden Stammzellspender zu finden. Denn es war das eine große Thema, das über der ganzen Typisierungsaktion in der Emmerstadt schwebte: die gebotene Eile.

Denn Christian Kleine sucht seinen genetischen Zwilling – extrem dringend. Der 31-jährige Bergheimer ist an Lymphdrüsenkrebs erkrankt. Seine einzige Chance, die Krankheit zu besiegen, ist eine Stammzellspende. Ohne passenden Spender bleiben ihm nur noch knapp neun Wochen. Sehr wenig Zeit.

Eines wurde am Samstag aber ganz deutlich: Menschen aus der ganzen Region hatten die Dringlichkeit erkannt. „Ich bin überwältigt und sprachlos“, sagte Christians Vater Ralf Kleine leise, als sich schon zum Start der Aktion eine lange Schlange entlang des Forums, durch den langen Flur bis hin in die Turnhalle, dem Ort der Typisierung, gezogen hatte. So viele Leute wollten sich registrieren lassen – und schon nach einer halben Stunde hielten die Helfer vorn in der Halle ein großes Päckchen in den Händen: die ersten 100 abgegebenen Speichelproben. Ein großer Erfolg.

Wie viele Menschen nahmen teil?

Während der vier Stunden der Aktion stieg die Anzahl der Registrierungen dann immer weiter an: Schließlich konnten Christians Familie und Freunde am Abend die stolze Zahl von 729 Personen verkünden, die nun von der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) neu erfasst sind und womöglich schon bald Leben retten können. Vielleicht – und das hoffen in der Emmerstadt wohl alle – das noch junge Leben von Christian Kleine. Und vielleicht sogar noch ein paar Leben mehr.

Denn neben dem jungen Bergheimer gibt es viele weitere Menschen auf der ganzen Welt, die an Blutkrebs erkrankt sind und sich ihren zum Überleben dringend gebrauchten genetischen Zwilling ersehnen. Laut DKMS geht aus 100 Personen, die ich registrieren lassen, ein Spender für einen Erkrankten hervor – da lohnt es sich doch so sehr, sich registrieren zu lassen.

Durch den Aufruf von Christian Kleines engagierten Freunden haben sich neben den 729 Personen vor Ort auch schon über 450 Leute online bei der DKMS registrieren lassen – laut der Statistik also elf neue Lebensretter. Und in den kommenden Tagen und Wochen sollen weitere Typisierungsaktionen in der ganzen Region folgen.

Welche weiteren Aktionen sind geplant?

Denn Ralf Kleine kann bei der Suche nach einem passenden Stammzellspender für seinen Sohn auf ein großes Netzwerk zurückgreifen. Als Wirtschaftsförderer der Stadt kennt er zahlreiche Menschen, die ihn unterstützen. So standen bei der Aktion am Samstag auch einige bekannte Gesichter aus der Verwaltung an den Stationen in der Halle: Beispielsweise gab der städtische Umweltschützer Eberhard Fischer gemeinsam mit Hausarzt Elmar Steinwart die Registrierungssets aus, und der bisherige Bauamtsleiter Friedhelm Borgmeier ließ das Waffeleisen glühen, damit sich die Leute nach ihrer Registrierung noch etwas stärken konnten. Insgesamt halfen mehr als 20 Freunde und Bekannte mit.

Dieses Netzwerk ermöglicht nun auch weitere Typisierungsgelegenheiten: So organisieren derzeit Petra und Jürgen Spier weitere Aktionen. Sie sollen unter anderem am kommenden Wochenende bei den Spielen des SC Paderborn sowie des TBV Lemgo stattfinden – eben dort, wo viele Menschen und damit viele potenzielle Stammzellspender sind. „Auch online kann man sich weiter registrieren lassen“, betont Unterstützerin Cornelia Hartweg. Unter diesem Link geht’s zur Aktion.

Das alles geschieht, während Christian Kleine nun wieder in Göttingen angekommen ist: Dort hat der nächste Block der zehrenden Chemotherapie begonnen. „So kann der Krebs hoffentlich noch ’in Schach’ gehalten werden, bis wir einen passenden Spender gefunden haben“, so Ralf Kleine. Per Handy hält er seinen Sohn auf dem Laufenden. „Zu sehen und zu hören, wie viele Menschen helfen wollen, gibt ihm die Kraft, weiter durchzuhalten“, sagt er.

Was machen Steinheimer Zellen in den USA?

Alfred Gemmeke (von links), Teresa Schlüter und Lennart Mönikes freuen sich über 100 neue Proben in den ersten 30 Minuten. - © Madita Schellenberg
Alfred Gemmeke (von links), Teresa Schlüter und Lennart Mönikes freuen sich über 100 neue Proben in den ersten 30 Minuten. (© Madita Schellenberg)

Sie war auch dabei: Die Steinheimerin Silvia Aulich half bei der Aktion am Samstag kräftig mit, erklärte die Registrierungssets, wenn jemand Fragen dazu hatte. Sie weiß nur zu gut, wie es sich anfühlt, Leben retten zu können: Denn im Jahr 2002 spendete sie ihre Stammzellen für die an Blutkrebs erkrankte Amerikanerin Jeannie Matthews.

„Ein Arzt sagte mir damals, ich würde innerhalb von drei Monaten sterben, wenn ich keine Transplantation bekäme“, so die Amerikanerin aus dem US-Bundesstaat Oregon. Silvia Aulichs Spende aber rettete ihr das Leben. In Dresden wurden der Steinheimerin damals aus dem Blut die Stammzellen herausgefiltert und sofort per Flieger ins Klinikum nach Seattle gebracht.

Wenngleich zwischen den beiden Frauen auch eine große räumliche Distanz herrscht, so sind sie dennoch Freundinnen geworden, halten bis heute Kontakt. Ein Mal war Jeannie Matthews auf für einige Tage zu Besuch in der Emmerstadt. Das war im Frühjahr 2004. Ihre Spende hat Silvia Aulich nie bereut – und: „Ich würde es jederzeit wieder tun“, betont sie.

Copyright © Lippische Landes-Zeitung 2025
Inhalte von lz.de sind urheberrechtlich geschützt.
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.

Kommunalwahl-Abo

Angebot zur Kommunalwahl

5 Wochen Lippische Landes-Zeitung lesen -
gedruckt UND digital!

Jetzt bestellen
Kommunalwahl-Abo