Schieder-Schwalenberg/Brakelsiek. Es ist ein hochemotionales Thema, das die Gemüter in Brakelsiek erhitzt: die geplante Flüchtlingsunterkunft in der Kurzen Straße 1. Wie bereits berichtet, halten die Anwohner den Beschluss des Rates, rund 15 Flüchtlinge in dem 200 Quadratmeter großen Haus, das dicht an die umliegenden Wohnhäuser grenzt, unterzubringen, für vollkommen falsch. Protest machte sich breit.
Viele Gerüchte kursierten im Dorf – etwa, dass dort 18 junge Männer einziehen würden. Dementsprechend war mit einer hitzigen Diskussion am Mittwochabend zu rechnen, als sich rund 50 Brakelsieker zu einer Diskussionsrunde mit Bürgermeister Jörg Bierwirth im Rathaus trafen. Doch trotz unterschiedlicher Meinungen, die auch am Ende nicht wirklich einen Konsens fanden, ist die Versammlung sehr sachlich verlaufen.
Mangel an Wohnraum für Flüchtlinge
Friedrich Dreier und Helga Siemers, Bewohner aus Brakelsiek, übernahmen die Moderation. Zunächst erläuterte der Bürgermeister die Situation der Stadt, die sich nach seiner Aussage wie alle anderen Kommunen auch in einer Notlage befinde. Not an Wohnraum für Flüchtlinge, die mit einem Vorlauf von 14 Tagen der Stadt zugewiesen werden und dann untergebracht werden müssen.
Zu Beginn erklärte Bierwirth, dass er unglücklich über den Verlauf gewesen sei, wie die Nachricht aus der nicht-öffentlichen Sitzung in das Dorf getragen worden sei. „Es ist gesetzlich vorgegeben, dass wir solche Grundstücksangelegenheiten nicht-öffentlich in der Politik beraten. Unser Wunsch war es, sobald wir den Beschluss haben, mit der Nachbarschaft persönliche Gespräche zu führen“, erklärte Bierwirth. Dies sei in der Vergangenheit immer so gehandhabt worden. „Die Vorgehensweise ist diesmal aber leider torpediert worden.“ Offensichtlich hatte ein Ratsmitglied den Beschluss bereits verbreitet. Deswegen finde er es gut, dass es nun die Möglichkeit gebe, Missverständnisse auszuräumen.
Stadt hat derzeit kaum noch Kapazitäten, Flüchtlinge unterzubringen
Zum aktuellen Zeitpunkt sei Schieder-Schwalenberg dazu verpflichtet, noch 67 Flüchtlinge aufzunehmen, berichtete Bierwirth. „Die werden jetzt nicht alle in Kürze kommen, da können wir uns sicher sein.“ Doch mit Blick auf das Flüchtlingsgeschehen könne er aus der Erfahrung heraus sagen, dass der Flüchtlingszustrom in der zweiten Jahreshälfte, vor allem im Winter, zunehmen werde.
Dazu hatte der Bürgermeister Zahlen aus dem vergangenen Jahr dabei: In 2023 nahm die Stadt 47 Flüchtlinge auf, bis Juli waren es neun. In diesem Jahr seien es zur gleichen Zeit bereits 26 Flüchtlinge. Seiner persönlichen Einschätzung nach, insbesondere weil die Energieversorgung in großen Teilen der Ukraine zerstört wurde, werde der Flüchtlingszustrom aus der Ukraine wieder steigen.
Derzeit habe Schieder-Schwalenberg kaum noch Kapazitäten frei, Flüchtlinge aufzunehmen, führte der Bürgermeister weiter aus. Die Auslastung der drei anderen Flüchtlingsunterkünfte in Schwalenberg, Schieder und Lothe liegt bei 90 Prozent. Daher habe die Stadt bereits seit Monaten nach verfügbaren Immobilien Ausschau gehalten. Etwas Geeignetes zu finden, gestalte sich schwierig.
Verschiedene Faktoren würden dabei eine Rolle spielen: Die Objekte müssten beispielsweise frei sein. „Wir können ja nicht Mieter aus ihren Wohnungen schmeißen, um da Flüchtlinge reinzusetzen. Dann würde ich erst recht an den Pranger gestellt werden – und zwar zu recht.“ Ebenso dürften die Immobilien nicht überteuert sein. Auch der Zuschnitt müsse passen. Und dieser sei im Haus in der Kurzen Straße sehr gut.
Die Anwohner machten deutlich, dass sie das anders sehen. Insbesondere der fehlende Garten sei ein Problem. Die würden dann mit Gartenstühlen auf der Straße sitzen, lautete eine Befürchtung. Ein weiterer Kritikpunkt: die enge Bebauung. „Wenn ich meinen Kuchen draußen auf den Tisch stelle und mir eine Tasse Kaffee hole, dann kann in der Zeit der Kuchen schon weg sein“, sagte ein direkter Nachbar, der gegen die Unterbringung von Familien jedoch nichts einzuwenden habe, wie er sagt.
Ziel ist es, Familien in der Kurzen Straße unterzubringen
„Es wird jetzt wieder so dargestellt, dass dort ein Personenkreis einzieht, dem man nicht zu nahe kommen darf. Dem muss ich widersprechen“, betonte der Bürgermeister. Er räumte ein, dass die Bebauung ziemlich eng sei, aber die Belegung solle so sozialverträglich wie möglich gestaltet werden. „Ich verspreche Ihnen, dass es nicht unser Ziel ist, 18 junge Einzelpersonen aus Syrien dort unterzubringen“, sagte Bierwirth und dementierte damit das kursierende Gerücht.
Ziel sei es, Familien dort einziehen zu lassen. Natürlich könne man das nicht zu 100 Prozent garantieren, weil es davon abhängig sei, was für Flüchtlinge der Stadt zugewiesen werden. Jedoch gebe es dann auch noch die Möglichkeit der Umbelegung – sprich Flüchtlinge aus den vorhandenen Unterkünften anders zu verteilen. Außerdem erklärte Bierwirth, dass unter anderem mit Fachbereichsleiter Mathias Koch und einem Mitarbeiter, der sich um die Unterkünfte kümmert, Ansprechpartner bei Problemen zur Verfügung stünden.
Eine weitere Anwohnerin gab an, sich über die Rechte zum Schutz der Nachbarschaft informiert zu haben. Demnach dürften Flüchtlingsunterkünfte nur nach sorgfältiger Abwägung eingerichtet werden. Dies sei in diesem Fall nicht geschehen, warf sie dem Bürgermeister vor. „Das wurde vor der Sommerpause durch die Ratssitzung durchgeschoben, damit es hinterher keine Diskussionen mehr gibt.“ Die Fraktionen seien vorab nicht ausreichend informiert worden.
Interfraktionelle Runde vor der Ratssitzung
„Dem muss ich deutlich widersprechen. Wir haben uns intensiv damit beschäftigt“, erklärte Bierwirth. Dass die Ratsmitglieder erst mit der Ratspost darüber informiert worden seien, sei falsch. „Ich habe im Vorfeld sogar eine interfraktionelle Runde mit den Fraktionsvorsitzenden einberufen.“
„Es hat keiner erwartet, dass wir heute Abend alle Probleme lösen“, sagte Friedrich Dreier. Jedoch habe er einen Bürgermeister erlebt, vor dem er Hochachtung habe, weil er sich dieser Situation ausgesetzt habe. Der Bürgermeister habe guten Willen gezeigt und Dreier sei sich sicher, dass man auf sein Wort vertrauen könne.
Bierwirth erklärte, dass er aufgrund der unterschiedlichen Meinungen und des hochemotionalen Themas befürchtet hätte, dass die Diskussion etwas aus dem Ruder laufen könnte. „Ich bin positiv überrascht, dass es auf einer sachlichen Ebene geblieben ist. Das ist keine Selbstverständlichkeit.“