Hat es das Fischsterben im Schiedersee wirklich gegeben?

Schieder-Schwalenberg. Gemächlich zieht der Fischadler seine Kreise. Er kommt aus Richtung Lügde, ist offensichtlich dem Lauf der Emmer gefolgt und macht sich nun direkt über dem Staudamm des Schiedersees auf Futtersuche. Klaus Zumhasch strahlt über das ganze Gesicht. &bdquo;Gucken Sie mal, ist er nicht wunderschön? Das ist offensichtlich ein Jungvogel.“

Ob sich der majestätische Greifvogel an den See verirrt hat oder hier ein neues Revier sucht, weiß Zumhasch nicht. Aber wenn Fischadler im lippischen Südosten brüteten, dann wüsste er das. Und hätte es tatsächlich, wie im Mai ein Youtube-Video hatte glauben machen wollen (die LZ berichtete), ein Massenfischsterben am Tosbecken gegeben, dann wüsste er das ebenfalls.

Fischereiberater mit Ortskenntnis Denn Klaus Zumhasch ist nicht nur ein passionierter Angler. Der Vorsitzende der Lügder Gemeinschaft für Fischerei und Naturschutz ist gleichzeitig auch ein engagierter Naturschützer und seit einiger Zeit Berater der unteren Fischereibehörde – also für den Kreis Lippe. Der Lügder kennt den Schiedersee und vor allem die Emmer wie seine Westentasche. Darum ist er ein wichtiger Ansprechpartner für den Kreis Lippe und für Rainer Huneke, Leiter des Eigenbetriebs Straßenbau.

In jedem Monat wird die Stautechnik am Schiedersee geprüft - mit einem Probedurchlauf - um zu sehen, ob alles reibungslos funktioniert. Heute ist Klaus Zumhasch mit von der Partie, folgt über die unscheinbare Treppe in den Wartungsraum, dessen Fenster einen guten Blick auf die Stauklappen bieten. &bdquo;Wir müssen die Lager bewegen“, sagt Stauwärter Alex Kühne. &bdquo;Denn wenn hier was festsitzt, dann haben wir im Ernstfall ein echtes Problem.“

100 Kubikmeter pro Sekunde Die Überprüfung der Stautechnik folgt einem strengen Protokoll. Zunächst werden die beiden mächtigen Stauklappen – wegen ihrer nach außen gewölbten Form auch Fischbauchklappen genannt – eine nach der anderen einmal kurz geöffnet. Sie fahren nicht komplett, sondern nur ein Viertel der Strecke herunter, und ein mächtiger Wasserfall ergießt sich in das riesige Tosbecken unterhalb des Staudamms: &bdquo;Hier gehen 100 Kubikmeter pro Sekunde durch, wenn beide Klappen geöffnet sind“, erklärt der Stauwärter.

Der See fasst insgesamt etwa zwei Millionen Kubikmeter Wasser. Gespeist wird er seit dem Bau der Umflut nur noch von ein paar kleineren Zuläufen und Regen. Frischwasser kommt aber hauptsächlich aus einem kleinen, künstlich angelegten Seitenarm der Niese, die bekanntlich kurz vor der Emmerbrücke in Schieder in die Emmer fließt. Für ganz schlimme Trockenzeiten hat der Kreis auch eine Pumpanlage installiert, aus dem notfalls Wasser in den See gepumpt werden könnte.

Fische folgen dem Hauptstrom Ansonsten fließt die Emmer heutzutage ganz gemächlich am See vorbei und ergießt sich über eine breit angelegte Fischtreppe mit riesigen Findlingen in ihren Unterlauf Richtung Lügde. &bdquo;Fische folgen immer dem Hauptstrom. Das heißt, das Fische aus Niese und Emmer eher selten in den See gelangen“, betont Klaus Zumhasch.

Die Lebensräume sind ganz unterschiedlich: Die Emmer ist eher von Salmoniden bevölkert, also Lachsartigen wie Forelle oder Äsche. &bdquo;Darum sind wir so dankbar für den Bau der Umflut“, sagt der Fischereiexperte. &bdquo;Denn zum Laichen brauchen diese Fischarten klares Gewässer und Kiesbänke. Vor dem Bau der Umflut waren diese Lebensräume aber weitgehend verschlammt, wir hatten große Sorgen um die Bestände.“

Illegale Angler Anders als im See, in dem neben Hechten und Karpfen auch Zander und Störe leben. &bdquo;Es gibt tonnenweise Fische im Schiedersee“, weiß Zumhasch, das mache den See zu einem beliebten Anglerrevier. &bdquo;Allerdings angeln hier auch viele Leute ohne Genehmigung“, das sei ein Ärgernis.

Im Winter sind die schuppigen Seebewohner auf möglichst kaltes Wasser angewiesen. &bdquo;Sie ziehen sich an die tiefste Stelle zurück“, erklärt der Experte, &bdquo;das ist in diesem Fall der Grund vor der Staumauer, hier ist der See sechs Meter tief. Als der Hobbyfilmer Stefan Hilkemeier im Februar dieses Jahres die monatliche Wartung der Stausee-Technik begleitete , so meint Zumhasch, habe genau dieser Umstand zu einem sehr fatalen und falschen Eindruck geführt.

Fische werden mitgerissen Denn zweiter Schritt in der Überprüfung der Stautechnik ist die Öffnung des Grundablasses. Werden diese kleineren Klappen knapp über dem Tosbecken geöffnet, schießt das Wasser mit ziemlicher Wucht heraus. Im Februar sei dabei das passiert, was der Hobbyfilmer irrtümlich für einen Massentod von &bdquo;1000 Fischen“ gehalten habe: Die Fische waren in Winterruhe und seien beim Öffnen des bodennahen Grundablasses mitgerissen und unter dem Staudamm her durch das Tosbecken in die untere Emmer gespült worden.

&bdquo;In diesem Augenblick waren die überhaupt nicht schwimmfähig, der Stoffwechsel musste ja erst einmal wieder hochfahren“, erklärt der Experte. Darum habe es so gewirkt, als seien die Tiere getötet worden, sie seien noch nicht in der Lage gewesen, selbst zu steuern. &bdquo;Natürlich sah das dramatisch aus, ist es aber nicht.“

Zumhasch ist fest davon überzeugt, dass hier keinerlei Massensterben, wie von dem Hobbyfilmer behauptet, passiert ist. &bdquo;Wenn da 1000 tote Fische gewesen wären, hätten wir Angler das an der unteren Emmer sehen müssen, aber da war überhaupt nichts.“

Kein Adlerfutter Somit stimme die Behauptung des Hobbyfilmers Stefan Hilkemeier im Begleittext zu seinem Video ganz und gar nicht: &bdquo;Tausend Fische sterben bei diesen Arbeiten, und das einmal pro Monat“ hatte Hilkemeier geschrieben. &bdquo;Das ist einfach nicht wahr“, sagt Klaus Zumhasch.

Die Überprüfung ist beendet, ein Blick auf die andere Seite des Staudamms zeigt: Nicht ein Fisch schwimmt &bdquo;kieloben“. &bdquo;Sonst hätte sich der Fischadler den sofort geholt, und die haben viel bessere Augen als wir“, sagt Klaus Zumhasch.

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