Ein Besuch im Inneren der großen B1-Brücke in Kohlstädt

Schlangen-Kohlstädt. An der Leiter staut es sich. Mehr als 30 Neugierige wagen sich an diesem Morgen ins Innere der Strothetalbrücke, die die Bundesstraße 1 an Kohlstädt vorbei führt. Über einen massiven Pfeiler geht es hinein. Bei der steinernen Stütze handelt es sich um eines von zwei sogenannten Widerlagern. Es stellt den Übergang von dem Brückenbauwerk zum Erddamm an dessen Ende her. Und es bietet einen Zugang in den Bauch des Bauwerks.

Obwohl mehrere Meter über der Erde, mutet das Innere der Brücke an wie die tiefsten Katakomben. Kahle graue Wände, schummeriges Licht aus aneinandergereihten Leuchtstoffröhren. Auf einer Seite schlängelt sich ein Abwasserrohr die Decke entlang. Auf der anderen ragen armdicke Stahlseile schräg aus dem Beton. Dabei handelt es sich um Spannstahl, der die Brückenkonstruktion zusammenhält. &bdquo;Das Besondere an der Strothetalbrücke ist, dass ein Viertel des verbauten Spannstahls offen liegt. Der Rest befindet sich in den Wänden des Hohlkastens“, erklärt Frank Winter, der den Bau der Brücke vor mehr als 30 Jahren als Ingenieur beim Landesbetrieb Straßenbau (&bdquo;Straßen.NRW“) begleitete.

Zwei Leidenschaften Mittlerweile ist Winter Pensionär. Er verbringt seine Freizeit unter anderem auf Wandertouren mit den Mitgliedern des Teutoburger-Wald-Vereins Lippe-Detmold (TWV), dem er selbst seit knapp eineinhalb Jahren angehört. Nun, da er erstmals als Wanderführer eine Wanderung leitete, verband Winter kurzerhand zwei Leidenschaften miteinander. Zusammen mit seinen Vereinskollegen marschierte Winter zur Strothetalbrücke - um sie dort durch den Innenraum der Brücke zu führen, die er selbst zu bauen half.

Unter einer Leuchtstoffröhre macht Winter Halt. Im Licht über ihm schwirrt ein Schwarm von Insekten aufgeregt umher - in Sicherheit vor all den Windschutzscheiben, die wenige Meter über ihnen über die Brücke rauschen. Im Bauch der Strothetalbrücke spürt man das. Es rauscht und dröhnt. &bdquo;Schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass über unseren Köpfen die Lkw vorbeirasen.“ Winter versichert den Umstehenden sogleich: &bdquo;Die Brücke hält diese Belastung aus. Es handelt sich um die Brückenklasse 60, das war damals die maximale Tragfähigkeit, die eine Brücke leisten konnte.“

Sprengung war nötig Bei der Strothetalbrücke handelt es sich um ein Zehn-Feld-System mit zwei Widerlagen an den Enden. Dazwischen wird die Brücke von acht Stützpfeilern getragen. Sie ist 396 Meter lang und liegt an manchen Stellen bis zu 25 Meter hoch über dem Gelände. Sie ist die größte von drei Talbrücken im Verlauf der B1 rund um Kohlstädt. Die verschiedenen Abschnitte wurden im sogenannten Taktschiebeverfahren über den Stützpfeilern &bdquo;eingeschoben“. Ein Verfahren, das laut dem Bauingenieur vor allem bei längeren Brücken Anwendung findet. Eines der Enden grenzt an festen Fels, der für den Bau teilweise gesprengt wurde. 8,7 Millionen Mark kostete das Projekt. Den Zuschlag für den Bau erhielt die Baufirma Karl Schäfer & Co. aus Ibbenbüren.

Auf dem Weg zurück nach draußen blickt sich Winter noch einmal um. Er war schon öfter hier oben, gab sogar Vorträge samt Diashow im Inneren der Brücke. Ein bisschen wirkt er so wie jemand, der einen alten Freund besuchen geht. &bdquo;Die Leute in Kohlstädt haben sich damals sehr gefreut über die Brücke“, erinnert er sich. Probleme mit Demonstranten habe es keine gegeben.

Lebensdauer von 100 Jahren Zurück am Boden, schart sich bereits eine Gruppe von Teilnehmern um einen Tisch. Darauf ausgebreitet sind alte Pläne und ein Bestandsplan aus dem Archiv des Landesbetriebs Straßenbau. Am Brückenpfeiler kleben großformatige Fotos, die die damaligen Bauarbeiten zeigen. Auf einem ist Frank Winter im Alter von etwa 30 Jahren zu sehen. Neben ihm der Bauunternehmer Günter Neese aus Horn-Bad Meinberg, der ebenfalls an dem Projekt beteiligt war. Mitten in Kohlstädt habe es ein Baubüro gegeben, von dem aus er mit bis zu acht Ingenieuren den Schriftverkehr führte und den Einbau des Spannstahls überwachte, erinnert sich Winter. &bdquo;Da ist ja auch meine Unterschrift“, jubelt er und deutet auf eine Bauzeichnung.

Nicht nur für den Ingenieur, auch für die Teilnehmer der kleinen Führung ist es ein besonderer Ausflug gewesen. &bdquo;Wann hat man sonst die Chance, so etwas einmal zu sehen? Ich interessiere mich sehr für Technik und Bauwerke, deswegen halte ich das für eine Super-Sache“, resümiert etwa TWV-Mitglied Rüdiger Busse aus Lage.

Und wer weiß, vielleicht wiederholt der TWV mit seinem Wanderführer Frank Winter ja schon bald diese Exursion. Die Brücke in ihrer jetzigen Form wird jedenfalls noch eine Weile zu sehen sein. Beim Bau kalkulierten die Verantwortlichen mit einer Lebensdauer von bis zu 100 Jahren. Derzeit ist sie jedenfalls noch gut in Schuss. Die einzige Sanierung erfolgte 2019. Ein neues Geländer an dem massiven Stützpfeiler musste her. Genau an der Stelle, wo es hinein geht - in den Bauch der Strothetalbrücke.

Viele weitere Bilder finden sie in unserer Galerie .

Ein Besuch im Inneren der großen B1-Brücke in Kohlstädt

Raser drängt Volvo auf der B1 bei Kohlstädt gegen Mauer

Gemeinderat Schlangen ordnet Ausschüsse neu - mehr Mitglieder und neue Aufgaben

Schlangen: Pumptrack soll Outdoor-Erlebnisstätte vervollständigen

In der Silhouette finden sich alle Schlänger Ortsteile wieder

Frontalzusammenstoß auf der B1 bei Schlangen: 46-Jähriger zunächst in Lebensgefahr

Schlänger Kreuzung wird stundenweise gesperrt

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus!

0,99 Euro im ersten Monat

Weiterlesen mit LZplus