Was die Schlänger Gastwirtin Ulrike Ostmann in 40 Jahren alles erlebt hat

Schlangen. Beim Großbrand im Jahr 1904 wurde die Gaststätte Sibille Ostmann - neben etlichen anderen Gebäuden - ein Raub der Flammen. Damals dürfte der Gasthof bereits 250 Jahre in der Ortsmitte existiert haben. Das Gebäude wurde anschließend wieder aufgebaut und blieb ein Treffpunkt für die Menschen in der Sennerandgemeinde, Ausflügler und Reisende - bis Ende vergangenen Jahres. Einen Neubeginn soll es zu Ostern geben.

Was alles so in der Gaststätte abging? Gastwirtin Ulrike Ostmann könnte über die vergangenen Jahrzehnte sicher ein ganzes Buch mit kurzweiligen Anekdoten füllen. &bdquo;Alle Besitzunterlagen sind in den Kriegswirren verschwunden“, bedauert sie. Ihre Vorgänger waren Lisanne und Friedhelm Sibille, die Ende der 50er-Jahre die Gaststätte übernommen hatten, mutmaßt sie. Der Gastwirt nahm sich 1982 das Leben. Davor sei ihr Mann Jürgen Ostmann bereits dessen rechte Hand gewesen, der ansonsten bei der Feuerwehr in der Senne arbeitete. Ulrike Ostmann - damals 23 Jahre jung - und ihr Mann pachteten zuerst den Betrieb und kauften ihn dann.

Leckere Hausmannskost &bdquo;Man kann so einen Betrieb nur zu zweit führen. Ich bin mit dem Kopf ins kalte Wasser gesprungen“, erinnert sich die heute 65-Jährige. Sie war in Schlangen auf einem Bauernhof aufgewachsen und hatte eine Ausbildung als Bäckereifachverkäuferin absolviert. Auch backen konnte sie. &bdquo;Das Kochen lag mir im Blut“, schmunzelt sie. Für leckere Hausmannskost wurde der Gasthof bekannt. Ob Schnitzel mit Pommes, Rouladen, Braten oder Grünkohl- und Spargelgerichte - das Energiebündel wuppte die Küche - und zog nebenbei auch noch zwei Söhne groß.

Die Qualität der Ausgangsprodukte war der Inhaberin dabei wichtig, das Fleisch kam oft von heimischen Tieren, von denen sie wusste, wie sie gehalten wurden. &bdquo;Bei mir hat’s kein Schnitzel aus der Fritteuse gegeben“, nimmt Ulrike Ostmann in ihrer selbstbewussten Art kein Blatt vor den Mund. Sie schwenkte auch sämtliche Bratkartoffeln in einer großen gusseisernen Pfanne. Die Gäste kamen nicht nur aus Schlangen, sondern ganz Lippe und dem Paderborner Raum und wussten die Küche zu schätzen. Um diese kümmerte sich ihr Mann Friedhelm im Gastraum, seinem &bdquo;Revier“.

Man half sich Bis vor zehn Jahren gab es auch noch die Gaststätte Poppe Sibille, bevor das Gebäude abgerissen wurde. Zu den Betreibern Heiner und Edith Sibille pflegte Ulrike Ostmann ein herzliches Verhältnis. Man half sich gegenseitig aus, wenn mal was in der Küche fehlte. Edith Sibille schenkte ihr zum Abschied sogar ihr Kochbuch. Aber auch zu anderen Gastronomiebetrieben in Schlangen herrschte ein gutes Verhältnis: &bdquo;Wir haben immer zusammengehalten“.

Die Vereine teilten sich auf: Die Fußballer kamen zu Ostmanns, die Handballer zu Sibilles. Am Ende kamen auch die Gesangvereine zu ihnen. Eine Kegelbahn hatten beide Gaststätten. &bdquo;Man muss sich das Vertrauen der Gäste verdienen“, resümiert die 65-Jährige. Und erzählt, dass mal fünf örtliche Unternehmer ihre Portemonnaies auf den Tresen legten und meinten: &bdquo;Nimm dir raus, was du brauchst.“ Ein anderer legte ihr einen Blankoscheck hin mit dem Hinweis, sie solle den Betrag eintragen, den sie brauche.

Vertrauen erarbeitet Die frühere Gastwirtin erklärt, dass sie immer abgelehnt habe, wenn jemand nachfragte, ob es für ihn oder den Verein nicht besondere Konditionen geben könne. Denn im großen Saal fanden im Laufe der Jahrzehnte viele Feiern statt: Jahresversammlungen von Vereinen, Hochzeiten, Taufen und viele andere Feiern und Veranstaltungen. &bdquo;Man muss Rückgrat behalten, Ehrlichkeit zahlt sich aus“, meint Ulrike Ostmann, die auch Privates für sich behalten konnte.

Neben der Gaststätte unterhielt das Ehepaar im oberen Stockwerk eine Pension, deren günstige Übernachtungspreise Radfahrer, die auf der Römerroute unterwegs waren, Handwerker, Handelsvertreter und andere Gäste nutzten. Ulrike Ostmann erzählt von einer niederländischen Familie, mit der sie vor einigen Tagen noch telefoniert habe. Die seien 40 Jahre lang jedes Jahr mindestens für zwei Wochen zu ihnen gekommen. Eine Übernachtung mit Frühstück gab es in Anfangszeiten für 20 Mark, ein Bier für 1,10 Mark.

Mutter hatte das Sagen Im Jahr 2016 starb Jürgen Ostmann. Nun war nur noch Sohn Michael an ihrer Seite. 21 Jahre habe er den Betrieb mit der Mutter geführt, erzählt der 47-Jährige. &bdquo;Mama hat das Sagen gehabt“, schmunzelt er. Viele nette Mitarbeiter halfen der Familie im Betrieb. &bdquo;Wir haben Spaß gehabt. Jokus ist, was bei der Arbeit zählt“, findet die 65-Jährige. Auf die habe sich die Familie immer verlassen können. Was heute anders sei, wirft Sohn Michael ein. Zudem wollten die wenigsten aufgrund der Arbeitszeiten in der Gastronomie arbeiten.

Vier Einbrüche gab es in den vergangenen Jahrzehnten in der Gaststätte. Meist wusste er sich bei renitenten Gästen selbst Respekt zu verschaffen. Dennoch bedauern beide, dass es keinen Ortspolizisten mehr gibt, der schnell eingreifen könnte. Bis Dezember waren Mutter und Sohn noch in der Gaststätte tätig. Nachdem sie die Schließung angekündigt hatten, sei viel Falsches erzählt worden, sagen sie. Natürlich bedauerten sie, dass es nun vorbei ist.

Auch unmögliche Gäste Von jungen Schlängern erhielt Michael Ostmann als Abschiedsgeschenk eine Fotocollage mit vielen Bildern. Ulrike Ostmann antwortet auf die Frage, ob sie bei der vielen Arbeit alles noch einmal so machen würde: &bdquo;Die schönen Erlebnisse überwiegen. Wir haben nette, aber auch unmögliche Gäste gehabt.“

Neue Inhaberin ist seit Oktober vergangenen Jahres die Josefs Brauerei in Bad Lippspringe, bei der auch Mitarbeiter mit einem Handicap arbeiten. Die Gaststätte, in der auch wieder Hausmannskost serviert werden soll, wird Ostern wieder eröffnet - so die Planung der Brauerei.

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