Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Rechnung für Hanning: So viel könnte ihn der Auschwitz-Prozess kosten

Dirk Ulrich-Brüggemann

  • 5
Der ehemalige SS-Wachmann Reinhold Hanning wurde vom Landgericht Detmold zu fünf Jahren Haft verurteilt. - © Bernhard Preuß
Der ehemalige SS-Wachmann Reinhold Hanning wurde vom Landgericht Detmold zu fünf Jahren Haft verurteilt. (© Bernhard Preuß)

Detmold. Der ehemalige SS-Wachmann Reinhold Hanning aus Lage könnte Prozesskosten im unteren sechstelligen Bereich zu tragen haben, wenn das Urteil gegen den 94-jährigen ehemaligen SS-Unterscharführer rechtskräftig wird, schätzt der Detmolder Oberstaatsanwalt Ralf Vetter.

Hanning war vom Landgericht Detmold zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren wegen Beihilfe zum Mord an mindestens 170.000 Menschen im Konzentrationslager Auschwitz verurteilt worden.

Die schriftliche Urteilsbegründung ist jetzt allen Prozessbeteiligen vom Landgericht Detmold zugestellt worden. Auf 114 Seiten hat Richterin Anke Grudda, die der Großen Strafkammer im Prozess gegen den ehemaligen SS-Wachmann vorgesessen hatte, die Verurteilung des 94-Jährigen aus Lage begründet.

Video auf YouTube

Empfohlener redaktioneller Inhalt


Wir bieten an dieser Stelle weitere externe Informationen zu dem Artikel an. Mit einem Klick können Sie sich diese anzeigen lassen und auch wieder ausblenden.

Externe Inhalte

Wenn Sie sich externe Inhalte anzeigen lassen, erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Weitere Hinweise dazu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Jetzt haben die beiden Verteidiger des ehemaligen SS-Unterscharführers, Johannes Salmen aus Lage und Andreas R. Scharmer aus Detmold, vier Wochen Zeit, ihre Revision schriftlich zu begründen. Auch neun Anwälte der Nebenkläger haben ebenfalls Revision eingelegt. Wenn alle schriftlichen Begründungen beim Landgericht Detmold eingegangen sind, werden die kompletten Akten an den Bundesgerichtshof in Karlsruhe weitergeleitet, der dann über die Revision zu befinden hat.

Dort liegt bereits seit über einem Jahr der Revisionsantrag im Fall der in Lüneburg verhandelten Anklage gegen den ehemaligen SS-Buchhalter Oskar Gröning. Im Fall Gröning hat der 3. Strafsenat in Karlsruhe zu entscheiden. Der 95-jährige Gröning war im Juli 2015 von Landgericht Lüneburg zu vier Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord an 300.000 Menschen in Auschwitz verurteilt worden.

Gröning hatte sich seinerzeit zu Prozessbeginn zu seiner moralischen Schuld bekannt. Reinhold Hanning hatte sich nach Verlesen der Anklageschrift zunächst nicht geäußert. Erst im Laufe des Prozesses hatte Hanning über seine Anwälte eine Erklärung verlesen lassen und sich in einem kurzen Statement persönlich entschuldigt.

In Karlsruhe wird sich der 4. Strafsenat mit dem Auschwitz-Urteil von Detmold zu beschäftigen haben. Hannings Verteidiger Andreas R. Scharmer geht davon aus, dass es „keine Entscheidung in diesem Jahr" aus Karlsruhe mehr geben wird. Laut Scharmer brauchen Entscheidungen in Karlsruhe in der Regel drei bis sechs Monate bis ein Ergebnis vorliegt. Für Scharmer ist der Fall Gröning „schon auffällig".

Das in einem Jahr nichts passiere, wertet der Rechtsanwalt als „außergewöhnliche Zeit". „Nicht einmal ein Beratungstermin sei bisher anberaumt", sagte Scharmer. Wenn das Urteil gegen Reinhold Hanning rechtskräftig ist, werden bei der Staatsanwaltschaft noch einmal die Prozessakten durchforstet. Dann wird geprüft, welche Kosten dem Verurteilten angelastet werden. „Diese Kosten könnten durchaus im unteren sechstelligen Bereich liegen", schätzt Ralf Vetter.

Der Detmolder Oberstaatsanwalt geht davon aus, dass die Kosten für die Anmietung der Verhandlungsräume in der Industrie- und Handelskammer Detmold nicht in Rechnung gestellt werden. Das Gleiche könnte auch für die zusätzlich angeforderten Polizeikräfte und die Reiterstaffel gelten. „Wir haben eine Vereinbarung mit der Polizei, uns gegenseitig keine Kosten in Rechnung zu stellen", sagte Vetter.

Anders könnte es mit den Kosten der Verfahrensbeteiligten aussehen. Hier könnte Reinhold Hanning durchaus für die Reisekosten der Zeugen, deren Verdienstausfall und mögliche Übernachtungskosten aufkommen müssen. Auch die Kosten für die Anwälte der Nebenkläger könnten dem 94-Jährigen in Rechnung gestellt werden, auch wenn die Staatskasse hier erst einmal in Vorleistung getreten ist.

Diese Prozesskosten übernimmt keine Versicherung. Zu Lasten des Angeklagten gehen auch Gutachterkosten, deren Anreise und eventuelle Übernachtungskosten. Seine Verteidiger muss Reinhold Hanning ebenfalls bezahlen, auch wenn diese möglicherweise vom Gericht als Pflichtverteidiger bestellt worden sind. Hier tritt der Staat ebenfalls nur im Vorleistung.

Für diese Prozesskosten kommt auch keine Rechtsschutzversicherung auf, sagte Vetter. Rechtsanwalt Thomas Walther aus Kempten, der im Detmolder Auschwitz-Prozess 26 Nebenkläger vertreten hat, ist sehr daran gelegen, dass das Urteil gegen den ehemaligen SS-Wachmann möglichst schnell rechtskräftig wird. Deswegen hat er auch keine Revision eingelegt. Walther hofft, dass die übrigen Nebenkläger nach dem jetzt vorliegenden schriftlichen Urteil ihre Revisionsanträge doch zurückziehen.

„Ich werde die Revision aufrecht erhalten", sagte dagegen Hannings Verteidiger Johannes Salmen nach Medienberichten. Die Verteidiger des 94-Jährigen wollen auf jeden Fall vermeiden, dass Hanning seine Haftstrafe tatsächlich antreten muss. Wenn sicher sei, dass sein Mandant wegen Haftunfähigkeit nicht ins Gefängnis müsse und die Haftstrafe somit symbolisch bleibe, „dann könnten wir möglicherweise den Antrag auf Revision zurücknehmen", hatte Hannings zweiter Verteidiger Andreas R. Scharmer nach Prozessende im Gerichtssaal gesagt.

Copyright © Lippische Landes-Zeitung 2025
Inhalte von lz.de sind urheberrechtlich geschützt.
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.