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Enger

Stille Geste am Soldatengrab

Künstler Ruppe Koselleck bringt Graberde von Enger zurück nach Frankreich

Der geschichtsbegeisterte Künstler Ruppe Koselleck mit der Graberde von Albert Mayer, die einige Zeit in Enger ausgestellt war: - © Foto: Mayerserde.Blogspot.de
Der geschichtsbegeisterte Künstler Ruppe Koselleck mit der Graberde von Albert Mayer, die einige Zeit in Enger ausgestellt war: (© Foto: Mayerserde.Blogspot.de)

Enger. Lange lag sie hinter Gittern im Widukind-Museum. Ihre letzte Ruhe findet die Erde vom Grab des ersten deutschen Gefallenen des Ersten Weltkriegs im Stillen. "Ich fahre ganz früh zum Grab, um die Erde ungestört zurückzubringen", sagt Ruppe Koselleck. Zum 100. Todestag des Soldaten Albert Mayer kehrt sie auf das Grab nach Frankreich zurück. So, wie es der Künstler Koselleck von Anfang an geplant hatte.

Rückblick: Am 2. August 1914 starben Mayer und der französische Soldat Jules André Peugeot bei einem Schusswechsel nahe der deutsch-französischen Grenze. Einen Tag vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Erde von Mayers Grab wurde in den 1930er-Jahren von den Nationalsozialisten zur Heldenverehrung in der Engeraner Widukind-Gedächtnisstätte ausgestellt. Erst 2006 wurde ihre Geschichte als Propagandainstrument in einer Ausstellung ins Verhältnis gerückt.

Jetzt bringt Koselleck sie zurück auf den Friedhof im französischen Illfurth, auf dem Mayer begraben ist. "Es ist gewissermaßen die Wiederherstellung seiner Grabruhe", sagt Koselleck, der sich im Zuge seiner Promotion drei Jahre lang mit der Geschichte der Graberde befasst hat. "Anfangs war nicht einmal sicher, ob es sich dabei um reine Fiktion der Nazis handelte", sagt Koselleck. Experten belegten nach Untersuchungen von Proben der Erde aber deren Abstammung aus der deutsch-französischen Grenzregion.

"Gibt es eine zivile Erinnerung an militärischen Tod?"

Information

Der Weg der Graberde

  • Am 2. August 1914, einen Tag vor Kriegsbeginn, fiel Albert Mayer als Mitglied einer Patrouille im deutsch-französischen Grenzgebiet.
  • Das erste deutsche Opfer im Ersten Weltkrieg wurde im französischen Illfurth, wenige Kilometer hinter der deutschen Grenze, begraben.
  • 1937 wurde sein Andenken von den Nationalsozialisten für deren Propaganda "zweckentfremdet". Ein Engeraner Kaufmann nahm Teile der Graberde mit in die damalige Widukind-Gedächtnisstätte, wo Albert Mayer als Held verehrt wurde.
  • In den 1990er-Jahren entdeckte Museumsleiterin Regine Krull die Erde in der Friedhofskapelle.
  • Seit 2006 war die Erde im Widukind-Museum Teil einer Ausstellung.
  • 100 Jahre später ist die Erde zum Grab zurückgekehrt.

Graberde wird in diesen Tagen Teil zahlreicher militärischer Ehrenbezeugungen. Überall in der Welt. 20 Kilometer von Illfurth entfernt, in Joncherey, wird heute dem dort begrabenen Jules André Peugeot gedacht. Das Gefecht zwischen deutschen und französischen Soldaten wird dort nachgestellt. Familienmitglieder beider Soldaten kommen zu der Zeremonie, bei der Erde von beiden Gräbern miteinander vermischt wird und in einer Urne an einem Denkmal stehen wird. "Gewissermaßen als Besiegelung der Völkerverständigung", sagt Koselleck.

Der Künstler hat dafür Verständnis, hält aber nicht viel von einer solchen Art des Gedenkens. "Es scheint logisch, dass Veteranen und Soldaten dazu eingeladen sind. Aber wir könnten heute ja auch eine andere Schlussfolgerung ziehen; die Soldaten beispielsweise in Zivil kommen." Koselleck will deshalb kein großes Aufheben um die Rückkehr von Mayers Erde machen. Seine Leitfrage: "Gibt es eine zivile Erinnerung an den militärischen Tod?"

Seine persönliche Antwort will Koselleck mit der unspektakulären Erdrückführung geben. Anfragen des Schweizer Fernsehens, von Radiostationen und Zeitungen hat er bewusst fast vollständig abgeblockt. Es gibt keine Zeremonie, keine Gäste, nur die Erinnerung. "Ohne Posaunen - ohne Soldaten. Still", notiert Koselleck in seinem Internettagebuch - www.mayerserde.blogspot.de - und fasst zusammen: "Auffallen durch Nicht-Auffallen war und ist die Devise."

Am 1. November eröffnet der Künstler seine fertige Ausstellung zu Mayers Graberde im Widukind-Museum Enger.

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