Bielefeld. Tarik S. ist einer von etwa 400 bekannten Islamisten, die von Deutschland aus in den Dschihad gezogen sind. Den Hauptschulabschluss hat der Deutsch-Ägypter an einer Bielefelder Förderschule gemacht. Besonders auffällig sei er dort nicht gewesen, heißt es. Das gilt anscheinend für die meisten dieser jungen Männer in den Schulen des Landes. Unbemerkt von den Lehrern radikalisieren sich junge Muslime oder Konvertiten.
"Wir haben keine Hinweise darauf, dass salafistische Islamisten gezielt in den Schulen werben und für den heiligen Krieg rekrutieren", so das Schulministerium in Düsseldorf. Das kann allerdings nur darüber berichten, was ihm von den Schulen berichtet wird. Die Abteilung Staatsschutz in den Polizeipräsidien ist jedenfalls verwundert, dass es ausgerechnet in den Schulen in NRW so ruhig sein soll. In Hessen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Berlin etwa geht es heftiger zur Sache. "Salafisten versuchen gezielt, Schüler für den Krieg in Syrien zu gewinnen", berichtete Ende 2013 die Frankfurter Rundschau. Bereits neun Schüler seien ins Kriegsgebiet ausgereist.
Die Reaktion einer Schulleiterin zeigt die Problematik auf. Vor kurzem habe es an ihrer Schule den Fall eines muslimischen Schülers gegeben, der sich äußerlich und auch in seinen Aussagen merklich verändert habe. Kollegium und Schulleitung hätten sich zu wenig ausgekannt, um einschätzen zu können, wie gefährlich eine solche Entwicklung sei. Ähnliche Situationen sind im Kreis Herford aufgetreten. Dort reagierte eine engagierte Lehrerin blitzschnell. Sie unterrichtete nicht nur den Staatsschutz, sondern organisierte gemeinsam mit den Schülern eine Veranstaltungsreihe im Lernstudio der Schule. Schüler stark zu machen und so zu bilden, dass sie falsche Angebote vermeintlicher Religionsführer durchschauen, sei Aufgabe der Schule.
Für Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, ein positives Beispiel. Nach seiner Einschätzung ist die Dunkelziffer so hoch, weil auch für Schulleiter das Prinzip des öffentlichen Dienstes gelte "Wer ein Problem meldet, für den finden wir eine Lösung". Und so fordert er vom Schul- wie vom Innenministerium, mit "hervorragenden Konzepten" im Umgang mit dem Problem des Salafismus aktiv in die Lehrer- und auch Klassenzimmer zu gehen. Auch der Kontakt zu den Moscheevereinen müsse weiter ausgebaut werden. "Die allermeisten von denen wollen schließlich einen Islam in der Demokratie", sagt Wendt. Um mit denen im Kontakt zu bleiben, "fehlt uns das Personal".
Einen "erheblichen Fortbildungsbedarf" bei den Lehrern sieht der Osnabrücker Islamexperte Rauf Ceylan. Der Großteil der Salafisten sei zwischen 15 und 25 Jahre alt und fühle sich von deren einfachen Botschaften angezogen. Zwar seien die Salafisten die kleinste Gruppe bei den Muslimen, aber auch die dynamischste. Die Schule sei der wichtigste Präventionsort. Während es für Rechtsextremismus sehr viel Lehrmaterial gebe, fehle dies weitgehend für religiösen Extremismus.