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Bielefeld

OWL-Firmen wollen Dialog mit Russland

Unternehmer sehen Sanktionen als schädlich für die deutsche Wirtschaft

Bielefeld. "Tiefster Frost", so beschreibt Reiner Seele die aktuellen politischen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland. Der Präsident der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) in Moskau hat in der IHK Bielefeld vor Unternehmern über die aktuellen deutsch-russischen Beziehungen gesprochen.

Eine repräsentative AHK-Umfrage unter 350 deutschen Unternehmen, die auf dem russischen Markt aktiv sind, ergab: Knapp zwei Drittel von ihnen gehen zwar davon aus, dass deren Erlös bis Jahresende 2014 im Vergleich zum Vorjahr gleich bleibt oder sogar steigt. Jedoch erwarten 71 Prozent der Befragten eine rezessive wirtschaftliche Entwicklung. Einige Firmen befürchten sogar Einbrüche um bis zu 50 Prozent oder mehr.

"Besonders stark ist der Maschinen- und Anlagenbau betroffen. Einerseits direkt durch die verhängten EU-Sanktionen oder die Unklarheit ihrer Anwendung, andererseits durch die für russische Auftraggeber deutlich verteuerte Finanzierung, aufgrund der Kreditverknappung und der Rubelabwertung", so Volker Treier von der Geschäftsführung des Deutschen Industrie- und Handelkammerstages (DIHK). Ob Vertreter der Wirtschaft die Lasten der politischen Entscheidungen tragen sollen? Das glauben nur die wenigsten. "Wir sind nicht davon überzeugt, dass man mit Wirtschaftssanktionen langfristig politische Ziele erreichen kann", so Seele.

Viele von knapp 90 Teilnehmern der Diskussionsrunde rund um seinen Vortrag teilen diese Meinung. "Seit Jahren haben wir eine intensive und sehr positive Geschäftsbeziehung mit Russland und sind daran interessiert, dass es auch so bleibt", sagt Agathe Klink. Beim Lagerproduzenten Koyo-Deutschland mit Sitz in Halle ist sie für den Vertrieb Russland zuständig.

Rainer Dorau, Repräsentant der Deutschen Messe in NRW, ist ebenfalls überzeugt: Mit den Wirtschaftssanktionen könne man auf keinen Fall die politische Situation ändern. Für die Möbel- und Maschinenbauindustrie aus OWL seien die Messen in Russland sehr wichtig. Die Anmeldung für die Messen 2015 läuft zwar schon. Es sei aber immer noch nicht klar, ob die deutschen Teilnehmer von den Sanktionen betroffen sind.

Diese psychologische Verunsicherung sei vor allem für das Investitionsklima schädlich, sagt Andreas Knaul. Der gebürtige Bielefelder ist Rechtsanwalt und seit 20 Jahren mit Beratung der deutschen Unternehmer in Russland beschäftigt. Wegen des Rückgangs des Geschäftes ist er sehr besorgt.

Auch der Finanzsektor ist nicht verschont geblieben. "Wir haben sehr viele Kunden, die Exportgeschäfte mit Russland machen", sagt Ekkehard Nelkenbrecher von der HypoVereinsbank. "Nun sind wir gezwungen, jeden einzelnen von ihnen zu überprüfen, ob er unbewusst gegen die Sanktionen verstößt."Dies sei sehr aufwendig, jedoch habe das Unternehmen nicht vor, aus dem Russland-Geschäft auszusteigen. Ganz im Gegenteil: Dank der Schwesterbank ZAO UniCredit in Russland wird das Geschäft möglicherweise sogar vorangetrieben, da die russischen Importeure von den sanktionierten Banken weggehen müssen, sagt Nelkenbrechen.

Auch Uwe Tilk von Stockmeier ist optimistisch. Der Aromafabrikant ist zwar von den Sanktionen noch nicht betroffen. "Trotzdem haben wir die Produkte, die am besten laufen, auf dem Lager in Moskau bevorratet. Selbst wenn es Sanktionen gibt, sind wir ein paar Monate handlungsfähig".

"Russland ist nach wie vor ein attraktiver Markt", betont Seele. Daher sei es eine wichtige Aufgabe der deutschen Wirtschaft, eine gemeinsame Stimme für den Wiederaufbau der Beziehungen zu erheben.

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