Polizist überfällt Kioskbesitzer in Bielefeld

Bielefeld. Günter Marquardt (63) führt einen kleinen Kiosk an der Weststraße. Innerhalb der vergangenen elf Jahre wurde sein Drugstore sechsmal überfallen, dreimal wurde bei ihm eingebrochen. Der schüchtern wirkende Mann hat davon endgültig genug. Seine Versicherung ersetzt auch keinen Schaden mehr. Als am 31. Oktober erneut ein bewaffneter Mann vor ihm stand, wuchs der 63-Jährige über sich hinaus und schlug ihm mit einer Sektflasche auf den Kopf – und ihn damit in die Flucht. Doch die Geschichte wird noch unglaublicher: Wie sich jetzt erst herausstellte, ist der 53-jährige Räuber, der sich mit Sonnenbrille und Schal vermummt und ein langes Fleischmesser gezückt hatte, selbst Polizeihauptkommissar. Der gebeutelte Kioskbesitzer hatte den Raubüberfall gar nicht erst angezeigt, weil "alle bisherigen Ermittlungen im Sande verlaufen waren", so Marquardt. Dafür leitete der 63-Jährige ein Video des Überfalls an ein paar Facebook-Freunde weiter. Es zeigt, wie der Räuber ein langes Messer zückt und ihm mit gestrecktem Arm entgegenhält. Marquardt verstellte dem Täter intuitiv den Weg hinter den Tresen. "Ich dachte nur: Nicht schon wieder! Wohl eine Übersprungshandlung." Dann bemerkte der 63-Jährige, dass der Räuber seinen gestreckten Arm immer weiter absenkte. Da griff er sich aus seinem Regal eine Sektflasche und schlug damit dem Täter mit Schwung auf den Kopf. Dieser drehte sofort ab und flüchtete ins Freie. Tage später landete dieses Video über zwei Ecken privat bei einem Polizeibeamten, der am Dienstag beim Raubkommissariat nach dem Stand der Ermittlungen fragte. Doch dort wusste noch niemand von dem vermummten, aber erkennbaren Kollegen. Laut Polizeisprecher Achim Ridder haben die Überwachungsvideos den Verdacht schließlich endgültig erhärtet. Bei einer Wohnungsdurchsuchung entdeckte die Kripo bei dem ehemaligen Zivilfahnder, der beim Überfall extra gebrochen Deutsch sprach, noch das Tatmesser und seine Vermummung. "Zudem wies der Polizist eine Kopfverletzung auf, die offensichtlich vom Schlag des Kioskbetreibers mit der Sektflasche stammt", so Ridder. Der Beamte wurde daraufhin vorläufig festgenommen. Wegen fehlender Fluchtgefahr kam er am Mittwoch aber wieder frei. Bei dem Beschuldigten handelt es sich um einen 53-jährigen Polizeibeamten aus Bielefeld, der bereits seit Anfang Oktober vom Dienst suspendiert ist, bestätigte Ridder. Er soll in der Wache am Kesselbrink die Kollegenkasse seiner Schicht gestohlen haben. Spielsucht und entsprechende Geldnot sollen die Gründe sein. Außerdem soll bei ihm Alkohol eine große Rolle spielen. Ridder bleibt zurückhaltend: "Dahinter steckt eine traurige Geschichte." Marquardt war gestern völlig von den Socken: "Da komme ich gar nicht drüber weg, dass der Räuber Polizist sein soll." Freunde hatten ihm für seine gelungene, aber waghalsige Aktion bereits viel Respekt gezollt: "Als mir vor zwei Jahren ein Einbrecher Zigaretten für 6.000 Euro gestohlen hatte, wollte ich fast nicht mehr. Diesmal habe ich aber alles richtig gemacht", sagt Marquardt stolz.

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