Bielefeld. Wie sich das Leben im Rollstuhl anfühlt und was man so alles damit erlebt, wollten wir, Marius, Constantin und Frederik, alle Schüler der Klasse 8d des Bodelschwingh-Gymnasiums, jetzt genauer wissen. Und starteten deshalb einen Selbstversuch.
Marius, der bei diesem Versuch die Rolle des Menschen mit Behinderung einnahm, Frederik und Constantin machten sich an einem Vormittag mit einem ausgeliehenen Rollstuhl von ihrer Schule auf den Weg ins Stadtzentrum. Ihre Ziele waren ein Drogeriemarkt, die H&M-Filiale und die Sparkasse in der Innenstadt.
Bereits auf dem Weg zur Straßenbahnhaltestelle gab es die ersten Probleme. Die steilen Straßen in Bethel erforderten viel Kraft für den Begleiter Frederik, der den Rollstuhl schob. An der Haltestelle Friedrich-List-Straße mussten die Schüler dann feststellen, dass es für einen Menschen im Rollstuhl nur mit fremder Hilfe möglich ist, ein Fahrticket aus dem Automaten zu ziehen, weil die Knöpfe des Geräts sehr hoch angebracht sind.
Auch Platz in einer überfüllten Straßenbahn zu finden, ist problematisch. Die Schüler kamen in die voll besetzte Bahn mit dem Rollstuhl gar nicht hinein. Sie mussten deshalb auf eine leere Bahn warten, was zusätzliche Zeit kostete. In der Bahn war die Fahrt dann angenehm. Nur die unverständlichen oder sogar unfreundlichen Blicke von anderen Leuten waren störend.
Ähnlich ging es in der Stadt weiter. In einem Drogeriemarkt, in dem sich die Schüler Getränke kauften, erhielt Marius in seinem Rollstuhl von der Kassiererin unfreundliche Blicke, während Constantin sehr freundlich bedient wurde.
Bei H&M stellten die Schüler dann fest, dass die Filiale keinen Fahrstuhl für Rollstuhlfahrer oder Mütter mit Kinderwagen hat. Auch die Rolltreppe war für den Rollstuhl zu eng. Die Schüler mussten deshalb am Ende den Lieferantenfahrstuhl benutzen, der sich weit hinter dem Geschäft befand.
In der Herrenabteilung angekommen erntete Marius in seinem Rollstuhl besonders von jüngeren Kunden viele unhöfliche Blicke und er wurde mehrmals angerempelt, wenn er nicht sofort Platz machen konnte. Auch das Anprobieren von Kleidung war sehr beschwerlich, weil er sich in der Sitzposition ständig mit der Kleidung verhedderte.
Die letzte Station der Rollstuhlreise war die Sparkasse. Hier wollten die Schüler testen, ob man mit einem Rollstuhl an einen Kontoauszugdrucker gelangen kann. Diese Aktion erwies sich für Marius als schwierig, da die anderen Kunden nicht ohne direkte Aufforderung bereit waren, zu einem anderen für sie ohne Rollstuhl leicht zu erreichenden freien Kontoauszugsdrucker im oberen Bereich der Sparkasse zu wechseln. So musste Marius lange Zeit in der Schlange warten, um seine Kontoauszüge zu erhalten.
Am Ende des Rollstuhlausflugs sagte Marius, er könne sich nicht vorstellen, sein ganzes Leben im Rollstuhl verbringen zu müssen. Er habe sich in einigen Situationen sehr unwohl gefühlt und das Verhalten vieler Menschen, besonders der jüngeren Leute, habe ihn sehr verunsichert.
Das Fazit der drei Schüler allgemein an diesem Tag war: "Ein Leben für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen auf einen Rollstuhl angewiesen sind, ist auch in unserer modernen und aufgeklärten Zeit von heute immer noch ein großes Problem."