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AfD-Politikerin erschwindelt Unterschriften

Rainer Holzkamp

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Der Wahlausschuss im Wahlkreis 94 mit (v. l.) Arnold Weßling, Martin Sellenschütter, Liane Fülling, Ralf Langenscheid, Frauke Viehmeister, Erwin Jung und Michael Hellweg prüfte die Unterschriften für Sylvia Lillge (kl. Bild). - © Kreis Gütersloh
Der Wahlausschuss im Wahlkreis 94 mit (v. l.) Arnold Weßling, Martin Sellenschütter, Liane Fülling, Ralf Langenscheid, Frauke Viehmeister, Erwin Jung und Michael Hellweg prüfte die Unterschriften für Sylvia Lillge (kl. Bild). (© Kreis Gütersloh)

Gütersloh/Bielefeld. Im Vorfeld der Landtagswahl im Mai sorgt die AfD in OWL für einen handfesten Skandal. Wie sich herausstellt, hat die potenzielle Kandidatin der rechten Partei im Wahlkreis 94 (Gütersloh I – Bielefeld III) offenbar versucht, mit Tricks und Fälschungen die notwendige Zahl von Unterstützungsunterschriften zu erschleichen.

Die sichtlich konsternierten Mitglieder des Kreiswahlausschusses folgten vor diesem Hintergrund einstimmig der Empfehlung der Verwaltung, den Kandidatenvorschlag von Sylvia Lillge (Versmold) als ungültig zurückzuweisen. Laut Kreiswahlleiterin Susanne Koch wird die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, um den Fall zu bewerten.

Laut Landeswahlgesetz brauchen Parteien, die weder im Landtag noch im Bundestag vertreten sind, für Kreiswahlvorschläge 100 Unterstützungsunterschriften von Wahlberechtigten, die im Wahlkreis wohnen. Wie der stellvertretende Wahlleiter Michael Hellweg erläutert, hatte die AfD 120 Unterschriften eingereicht, allein 30 noch am Montagnachmittag kurz vor Ablauf der Frist.

Bereits zu dem Zeitpunkt bestand der Verdacht, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Denn am Vormittag meldete sich die Gemeinde Steinhagen bei Hellweg. Demnach hatte Lillge am Freitag zuvor bei einem Hausbesuch einem Bürger erklärt, sie sammle Unterschriften für eine bessere Ärzteversorgung in der Region. Der Mann unterzeichnete, ohne sich anzuschauen, um was für ein Formular es sich handelte.

Hinterher versicherte er gegenüber der Gemeinde, die Frau habe mit keinem Wort erwähnt, dass sie der AfD angehöre und für ihre Kandidatur Unterschriften sammle. Per schriftlicher Erklärung machte er die Sache rückgängig – wie viele andere auch.

Durch diesen Fall alarmiert, überprüfte das Wahlamt weitere Unterschriften. Insgesamt stießen die Mitarbeiter bei Telefonaten auf 19 weitere gleich gelagerte Fälle. Stets wussten die Betroffenen nicht, um wen es sich tatsächlich bei der Besucherin handelte. Immer gingen sie davon aus, dass sie ihre Unterschrift für eine bessere ärztliche Versorgung oder die Einrichtung einer medizinischen Fakultät an der Uni Bielefeld abgaben. Lillge (42) selbst ist medizinisch-technische Assistentin. Sie gehört dem Kreis- und dem Bezirksvorstand der AfD an.

Detektivische Arbeit leistete die Gemeinde Steinhagen. Bei einem Abgleich mit dem Personalausweisregister stellte sich heraus, dass eine weitere Unterstützungsunterschrift gefälscht war. Sie stimmte nicht mit der in der Datenbank gespeicherten Paraphe überein. Am Mittwoch wurden bei einer weitere Probe in Bielefeld Abweichungen festgestellt. Die Überprüfung ergab, dass die Unterschrift am 21. März geleistet worden war. Die betroffene Person weilt aber bereits seit dem 14. März in einer Reha in Süddeutschland.

Insgesamt waren 22 Unterschriften als ungültig zu erklären. Damit verfehlte die AfD die notwendige Anzahl um zwei Unterschriften. Die Partei hat nun drei Tage Zeit, gegen die Zurückweisung des Wahlvorschlags Beschwerde beim Landeswahlausschuss einzureichen. Wird sie das tun?

Der AfD-Kreisvorsitzende Udo Hemmelgarn sagte, er könne das noch nicht beantworten. Dafür sei es zu früh. Zunächst müsse die Sache geprüft werden. Er habe keine Erklärung für die Vorgänge. „Ich stelle mich immer als erstes persönlich vor." Sylvia Lillge war nicht zu erreichen.

Kommentar: Die Quittung folgt

von Rainer Holzkamp

Für „Ehrlichkeit und Transparenz" trete sie ein, schreibt Sylvia Lillge auf ihrer Homepage als Direktkandidatin für die Landtagswahl. Die Methoden, mit denen sie einen Teil ihrer Unterstützungsunterschriften gesammelt hat, sprechen eine ganz andere Sprache. Damit hat sie nicht nur sich persönlich diskreditiert, sondern auch ihrer Partei einen schlechten Dienst erwiesen. Ob das Vorgehen kriminell einzustufen ist, muss die Staatsanwaltschaft beurteilen. Es macht so oder so fassungslos.

Ungeachtet der juristischen Aufarbeitung zeigt es obendrein, wie wenig der AfD die Säulen der Demokratie wert sind, wenn schon ihre Funktionäre offenkundig gegen Wahlgesetze verstoßen. Kandidaten und Organisationen, die sich mit Tricks und Fälschungen den Zugang ins Parlament und letztlich an die Macht zu ebnen versuchen, haben genau dort nichts zu suchen. Sie gehören ins politische Abseits gestellt. Diese Quittung kann schon am 14. Mai folgen.

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