Missbrauchsfall Bad Oeynhausen: „Fehler mit weitreichenden Folgen“

Bad Oeynhausen . Offenbar schweigt Rainer M. zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen weiter. Der wegen des Besitzes von Kinderpornografie und sexuellen Missbrauchs inhaftierte 60-jährige Physiotherapeut aus Bad Oeynhausen soll in seiner Praxis in mindestens zwei Fällen pornografische Fotos angefertigt haben. Zunehmend gerät bei diesem Missbrauchsfall die Kreispolizei in Minden unter Druck. Sie brauchte vom ersten Hinweis bis zur Durchsuchung geschlagene 16 Monate.

&bdquo;Ein Fehler mit weitreichenden Folgen", erklärt Landrat Ralf Niermann gegenüber der Neuen Westfälischen . Noch sei nicht klar, wie weitreichend sie seien. &bdquo;Wir befinden uns in einer Phase der Vorermittlungen", so Niermann, der als Landrat dienstrechtlich für Personal und Organisation der Kreispolizei verantwortlich zeichnet. &bdquo;Wir werden den Fehler aufarbeiten", verspricht er. &bdquo;Dieser Fall macht mich sehr traurig und ich bin in Gedanken bei den betroffenen Familien." Solche Missbrauchsfälle seien einfach nur ekelig und abstoßend, urteilt Niermann.

Bereits im November 2017 hatte ein Computer-Fachmann aus Süddeutschland kinderpornografisches Material auf M.s PC gesichert und dieses an die Polizei übergeben. Trotzdem benötigten die Beamten bis März dieses Jahres, um die Wohn- und Praxisräume von Rainer M. zu durchsuchen und seine Mobiltelefone und Computer – insgesamt ist die Rede von vier Terabyte Daten – sicherzustellen. Zuvor rückten die Beamten offenbar dreimal erfolglos wieder ab: Erst der vierte Versuch Anfang März war erfolgreich – drei Wochen später folgte die Verhaftung.

&bdquo;Das ist ein klarer Fehler, der da passiert ist", gibt der Landrat zu. Das alles müsse nun aufgearbeitet werden. &bdquo;Es wird sorgfältig geprüft, was dieser Fehler dienstrechtlich bedeutet und welche Umstände zu der Verzögerung geführt haben." Und zwar in enger Abstimmung mit dem Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) der Polizei NRW in Selm und dem übergeordneten Landesinnenministerium. Verwaltungsermittlungen sind eine Art Vorstufe zu einem möglichen Disziplinarverfahren. Die Behörde prüft formlos, ob Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen vorliegen oder ob ermittlungstaktische Gründe eine Rolle bei der Verzögerung spielten. Vom Ergebnis hänge es ab, ob sich daraus weitere Konsequenzen ergeben würden, so der Landrat.

&bdquo;Es ist ja nicht nichts passiert", betont er. Als in den Tagen nach der Durchsuchung am 8. März klar gewesen sei, welche Dimensionen der Fall von Rainer M. habe, habe die enge Verzahnung zwischen Polizei und Kreisverwaltung dazu geführt, dass das Kreisgesundheitsamt am 25. März ein Berufsausübungsverbot ausgesprochen habe. &bdquo;Der Beschuldigte darf für die Dauer des Ermittlungsverfahren keine Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahre behandeln", erklärt Ralf Niermann. Das sei im Zuge der Gefahrenabwehr geschehen: &bdquo;Wir wollten die weitere Behandlung von Kindern verhindern."

Dortmund übernimmt Mit einem Schild, dass die Praxis vorübergehend geschlossen sei, habe Rainer M. auf das Verbot reagiert – bevor am Abend des 28. März die Handschellen klickten. &bdquo;Wenn der Therapeut nicht in Haft wäre, würden wir dieses Verbot auch streng kontrollieren." Erst einen Tag nach der Verhaftung, so Ralf Niermann, seien die Beamten des Polizeipräsidiums Dortmund in den Fall involviert worden und in Minden angereist. &bdquo;Ich bin dankbar für die Unterstützung aus Dortmund, die ganz andere Personalressourcen haben – und die es für diesen Fall auch braucht", lobt Ralf Niermann. Das sei die Polizeisolidarität, dass die Großen den Kleinen helfen. &bdquo;Letztendlich war es aber eine Entscheidung des Innenministeriums."

Grundsätzlich, so urteilt Niermann, leiste die Polizei im Kreis Minden-Lübbecke gute Arbeit. &bdquo;Trotzdem können Situationen entstehen, in denen das Personal nicht ausreicht." Denn auch im Bereich der Kriminalpolizei würden immer mehr Stellen eingespart: &bdquo;Als Landrat bin ich zwar dienstrechtlich für das Personal zuständig, habe aber keinen Einfluss auf die Anzahl der Beamten, die sich nach einem Verteilungsschlüssel des Ministeriums richtet", erklärt er. In seinen Augen sei es sinnvoll, bestimmte Delikte, zum Beispiel Missbrauch, in den Polizeipräsidien genauso zu zentralisieren wie es bei Mordfällen schon seit einigen Jahre üblich sei. &bdquo;Ich bin aber gegen eine weitere Zentralisierung der Polizei. Wir dürfen nicht immer weiter weg von den Menschen", warnt Ralf Niermann. Die Struktur mit kleinen und großen Standorten sei richtig: &bdquo;Aber wir müssen schauen, welche Fälle in kleinen Behörden mit wenig Personal bewältigt werden können."

Derzeit laufen nach NW -Informationen bei der Kreispolizei mehr als 40 Kinderpornografie-Verfahren. Schon bei der Pressekonferenz über die Kriminalitätsstatistik teilte der Leiter der Direktion Kriminalität bei der Kreispolizei, Björn Brocks, im Februar mit, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern im vergangenen Jahr von 19 auf 33 Fälle gestiegen sei. Das mache ein Plus von mehr als 73 Prozent. Nach Angaben des Innenministeriums wurde nun eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die technische Lösungen zur Unterstützung bei der Bearbeitung der &bdquo;dynamisch wachsenden digitalen Arbeitslasten" in diesem Bereich entwickeln soll.

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