27,8 Millionen Euro geerbt: Das ist einer der größten Erben in Bielefeld

Bielefeld. Rund 266 Millionen Euro: So hoch war 2020 die Summe der Erbschafts- und Schenkungssteuer, die in OWL gezahlt wurde. Genauere Angaben will die Oberfinanzdirektion NRW nicht machen. Doch die Höhe der erhobenen Steuern lässt durchaus vermuten, dass auch in Bielefeld Millionen vererbt wurden. Für manche Erben kommt der Geldsegen unverhofft, einige erfahren sogar erst Jahre nach dem Ableben eines Verwandten von ihren Ansprüchen.

Jedes Jahr sterben in Bielefeld über 100 Menschen, die keine nahen Angehörigen mehr hatten. Die meisten der Verstorbenen hinterlassen so gut wie kein Vermögen. Immer wieder handelt es sich aber auch um gut situierte Menschen. Doch wer erbt dann?

Im Umweltamt kümmert sich Nicole Richter um die Beisetzungen dieser Menschen. Sie begibt sich auch auf die Suche nach bestattungspflichtigen Angehörigen. Die müssen für die Kosten aufkommen. Nach denen forscht sie unter anderem in Standesämtern oder Stadtarchiven. Sind keine Erben zu finden, obwohl es einen Nachlass gibt, schaltet sie das Nachlassgericht ein.

Erbensuche kann Jahre dauern Das Gericht versucht dann zunächst selbst, potenziellen Erben auf die Spur zu kommen. Zwei- bis dreimal im Jahr geht es dabei auch um höhere Summen. Bei Nachlässen über 50.000 Euro wird eine Nachlasspflegschaft eingerichtet und ein Rechtsanwalt bestellt, der unter anderem Kontakt zur Bank des Verstorbenen aufnimmt, so das Gericht.

Sind Erbberechtigte nicht zu ermitteln, beauftragt das Gericht mit Zustimmung des Nachlasspflegers professionelle Erbenermittler.

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In Deutschland gibt es zahlreiche auf die Erbenermittlung spezialisierte Büros. Sie arbeiten auf Honorarbasis – haben sie Erben gefunden, schließen sie mit denen Verträge. Kommt es zur Auszahlung eines Erbes, wird der Ermittler daran je nach Aufwand für die Suche und die Abwicklung aller Formalitäten mit einen gewissen Prozentsatz beteiligt.

Doch zunächst müssen Erbberechtigte gefunden werden. Und das kann dauern. Einer, der auch für das Bielefelder Gericht tätig wird, ist Frank Bergmann vom Büro für Erben- und Nachlassermittlung in Münster. &bdquo;Dauert die Suche ein Jahr, ist das schnell. Wir haben auch schon acht Jahre lang ermittelt", berichtet er.

Gericht überprüft Recherchen Hunderte von Urkunden, alter Schriftverkehr, Familienbücher, Fotoalben, Versicherungsunterlagen oder Kirchenbücher werden durchforstet. Gesucht wird meist nach Vorfahren der Verstorbenen und dann nach deren Nachfahren. Geht das bis zu Verwandten der sogenannten &bdquo;vierten Ordnung", wird den Nachfahren der Urgroßeltern von Verstorbenen nachgespürt.

&bdquo;Manchmal sind die gesuchten Personen ausgewandert oder haben ihren Namen geändert. Unsere Recherchen müssen belegbar und vom Gericht überprüfbar sein. Dazu müssen wir häufig gebührenpflichtige Urkunden beschaffen", berichtet Bergmann.

20 bis 25 Prozent des Erbes seien als Honorar üblich. Der Aufwand, der für die Erbensuche betrieben wird, richte sich nach der Höhe der in Aussicht stehenden Hinterlassenschaft, so Bergmann.

Häufig haben auch Banken mit Guthaben zu tun, deren Eigentümer längst verstorben sind und auf die niemand einen Anspruch erhebt.

Auf toten Konten liegen angeblich Milliarden Nach Schätzungen des Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) liegen bei deutschen Geldinstituten mindestens 2,9 Milliarden Euro auf Konten, deren Eigentümer verstorben oder nicht mehr zu finden sind.

Nachrichtenlose Konten heißen solche Guthaben im Fachjargon. Die fallen bei Banken auf, wenn es jahrelang keine Umsätze gibt. &bdquo;Pro Jahr betrifft das Summen von 50.000 bis 100.000 Euro", sagt beispielsweise Christoph Kaleschke von der Sparkasse Bielefeld. Vor allem auf Sparbüchern schlummern dabei immer wieder hohe Guthaben.

&bdquo;Gab es 20 Jahre lang keinen Umsatz, versuchen wir Kontakt mit dem Inhaber aufzunehmen", sagt Kaleschke. Doch das gelingt nicht immer. Wird niemand erreicht, wird das &bdquo;tote Konto" aufgelöst und das Geld verwahrt, bis jemand Ansprüche anmeldet. Die Aufbewahrung sei zeitlich nicht begrenzt. Das bescherte Banken in der Vergangenheit zusätzliches Kapital. &bdquo;Aktuell verursacht das angesichts der Null-Zins-Phase aber nur noch Kosten", so Kaleschke.

Als Letzter erbt der Staat Hat das Nachlassgericht die Konten im Visier, sieht die Sache anders aus. &bdquo;Dass keine Anspruchsberechtigten gefunden werden, ist eher die Ausnahme", sagt Erbenermittler Frank Bergmann.

Erst dann, wenn keine Verwandten oder im Testament als Erben eingesetzte Personen zu finden sind, geht der Nachlass an das Bundesland, in dem der letzte Wohnsitz des Verstorbenen lag. Ist kein Wohnsitz feststellbar, erbt der Staat.

Am häufigsten erbt eine Stiftung Einer der größten Erben in Bielefeld sind wohl die von Bodelschwingschen Stiftungen Bethel, denen Jahr für Jahr hohe Millionenbeträge hinterlassen werden. Der letzte Jahresbericht weist die Summe aus, mit der Menschen die Stiftungen in ihren Testamenten bedacht haben: Bethel erbte 2019 27,8 Millionen Euro.

Auch die Stadt wird immer wieder in Testamenten bedacht. Bürger vererben ihr Geld oder Immobilien und bestimmen meist auch, was damit geschehen soll. So müssen die Erbschaften etwa für Kinder oder die Natur eingesetzt werden, oder es handelt sich um Stiftungen, deren Erträge die Stadt ebenfalls zweckgebunden verwenden muss. Aktuell verwaltet sie elf Vermächtnisse und Nachlässe im Wert von 2,6 Millionen Euro sowie acht Stiftungen im Gesamtwert von 1,8 Millionen Euro.

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