Bielefeld. „Man ist im eigenen Körper gefangen", sagt Anke Rustemeier. Dass sie eine unheilbare und seltene Krankheit hat, erfuhr die Mutter von zwei Kindern (13 und 16 Jahre alt) im Mai 2020. Seitdem hat sich für die Schildescherin das Leben komplett verändert. „Ich kann nicht mehr arbeiten gehen und bin auf Hilfe angewiesen", erzählt die 43-Jährige.
Primäre Lateralsklerose (PLS) ist eine seltene Unterform der ALS (Amyothrope Lateralsklerose). Die Erkrankung des Nervensystems führt dazu, dass Muskeln nicht mehr reagieren. Anke Rustemeier kann nicht mehr alle Finger bewegen. Beine und Füße sind ebenfalls kaum noch beweglich.
Nur noch mit Rollstuhl
„Es geht fast nur noch mit dem Rollstuhl", sagt die gebürtige Bielefelderin, die eine Ausbildung zur Pharmazeutisch-Technischen-Assistentin (PTA) gemacht hat. „Ich habe zwölf Jahre in meinem Beruf gearbeitet. Nach der Geburt der Kinder war ich dann nur noch in Teilzeit in einer Praxis tätig", berichtet sie. Leicht falle es ihr nicht, jetzt Hilfe annehmen zu müssen.
„Ich habe meinen Schwiegervater bis zum Schluss gepflegt. Für mich war es immer selbstverständlich, anderen zu helfen", erzählt die Frau mit den langen blonden Haaren.
Dabei seien es häufig nur Kleinigkeiten, die für Gesunde Routine sind, für sie aber ziemlich anstrengend werden könnten – Strümpfe und Schuhe anziehen beispielsweise oder Dinge im Haushalt erledigen. „Kochen geht nicht mehr. Dabei hilft mir aber meine Tochter", sagt Rustemeier.
Es fing harmlos an
Eigentlich habe alles ganz harmlos angefangen. Ende 2018 habe sie zum ersten Mal Probleme mit ihrem Fuß bekommen: „Ich konnte ihn nicht mehr anwinkeln und bin auf der Kellertreppe gestolpert." Als sie den kleinen Finger abgespreizt habe, hätten sich Ring- und Mittelfinger nicht mehr trennen lassen. Ihre Neurologin habe sofort den Verdacht geäußert, dass sie an ALS erkrankt sei.
„Meine Hände wurden kraftlos. Ich konnte keine Töpfe mehr halten." Ärzte in Bethel hätten später den Verdacht geäußert, dass sie an Multipler Sklerose (MS) erkrankt sei. In der Medizinischen Hochschule Hannover kam dann schließlich die Diagnose PLS. „Daran leiden nur 140 Menschen in Deutschland", sagt Rustemeier.
"Wir leben im Hier und Jetzt"
Die Schildescherin hat außerdem schweres Asthma und ein geringes Lungenvolumen. „Therapien haben bis jetzt nicht angeschlagen", berichtet sie. Trotz der vielen Schicksalsschläge bezeichnet sie sich als fröhlichen, offenen und positiven Menschen. „Es gibt eben auch wunderschöne Momente, wenn man jetzt die Bäume im Herbst betrachtet."
Auch das Meer sei für sie ein Ort, um Kraft für den Alltag zu tanken. Deshalb sei ihr Urlaub sehr wichtig. „Mich hängen zu lassen, ist für mich keine Option", betont die 43-Jährige. Ihre Familie wisse, dass sich ihr Zustand verschlechtern werde. „Aber wir leben im Hier und Jetzt."
Dennoch führe sie ständig Kämpfe mit Behörden und ihrer Krankenkasse: „Es benötigt sehr viel Kraft und Energie, um eine optimale Versorgung, Hilfe und Betreuung zu bekommen." Sie sei inzwischen Rentnerin und habe Pflegestufe 3. Weil die Sturzgefahr groß sei, müsse sie ihr Zuhause barrierefrei umbauen.
„Obwohl ich mehrfach gestürzt bin, kommt ein Gutachter des Medizinischen Dienstes zu dem Schluss, dass ich keine Hilfsmittel wie einen Treppen- oder Badewannenlift oder Haltegriffe für die Dusche brauche", erzählt Anke Rustemeier. Ein behindertengerechtes Auto sei zwar vorhanden, aber noch nicht abgezahlt. „Wir haben unser komplettes Erspartes hinein gesteckt", berichtet die zweifache Mutter.
"Viele schöne Momente schaffen"
Sie wünsche sich, so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben zu führen und am alltäglichen Leben ihrer Familie teilnehmen zu können. „Da ich viele wichtige Schritte im Leben meiner Kinder nicht mehr miterleben werde, ist es mir sehr wichtig viele schöne Momente zu schaffen, die dann zu besonderen Erinnerungen werden."
Weil sich ihr Zustand trotz zahlreicher Therapien jedoch sehr schnell verschlechtere und sie nicht damit rechne, dass die benötigten lebensunterstützenden Maßnahmen, zu denen auch ein transportabler Rollstuhl gehöre, alle von der Krankenkasse bewilligt werden, habe sie sich nun an den Verein „Chance zum Leben-ALS" mit Sitz in Enger gewendet.
Der Verein sammelt unter dem Stichwort: „Anke" Spenden für sie. Außerdem hat die Schildescherin einen Blog auf facebook eingerichtet: "Kennst du PLS?"
Wer helfen möchte, kann Anke Rustemeier auch eine E-Mail schicken unter: a.rustemeier@aol.com.